Ein Leben hart am Wind

Der Tunesier Samir Lemjid führt seit 9 Jahren seine Surf- und Segelschule in Steinhude

Samir Lemjid am Steg  in der Hafenstraße

Samir Lemjid am Steg in der Hafenstraße

Es kann kein Zufall sein: Der Weg zu Samir Lemjids Surf- und Segelschule in Steinhude führt über die Uferstraße zur Hafenstraße. Das Ufer ist die Konstante in seinem wechselhaften Leben. Ein Leben am Wasser und hart am Wind auf der Suche nach dem ultimativen Spaß: Bei Sonne, 30 Grad, Sand unter den Füßen, das Wasser warm und einer Windstärke von fünf oder sechs steigt er am liebsten auf sein Surfboard. „Dann habe ich vier oder fünf Stunden… .“ Hier stockt er plötzlich, sucht nach einem Wort für dieses Glücksgefühl. Langsam breitet sich ein Lächeln aus, die Augen beginnen zu strahlen und es wird deutlich, dass hier Sprache an seine Grenzen stoßen muss. Zu viel liegt in diesem Blick: Freude, Leidenschaft und Glückseligkeit. Dann, fast unhörbar, seufzt Samir Lemjid. Warum? Dieser Seufzer passt nicht ins Bild von diesem sportlichen, lebensfrohen Mann, dem man seine 52 Jahre nicht ansieht. Dennoch setzt er sich wie ein Grundrauschen beim Zuhörer fest.

Samir Lemjid zeigt die Segelboote von "fun and wave".

Samir Lemjid zeigt die Segelboote von “fun and wave”.

Samir Lemjid packt an: „Alle zwei Jahre war mein Ziel, eine neue Erfahrung zu machen.“ Es geht ihm um Know-how, um seine persönliche Entwicklung. Aufgewachsen ist er an der tunesischen Küste. Seit Beginn der 90er Jahre arbeitet er im Tourismus, wird Wassersportlehrer – Segeln und Windsurfen. Sein innerer Antrieb führt ihn an verschiedene Ort. Zunächst ging er nach einem tunesischen Sommer im Winter auf die Malediven. „Wenn ich zurückkam, hatte ich immer warme Füße.“ Die Wassersportwelt ist eine internationale Familie. Er lernt Wassersportlehrer kennen, die ihn begeistern. Sie kommen aus Deutschland. Als es ihn dann Anfang der 2000er Jahre selber nach Deutschland verschlägt, merkt er: „Die Kälte tut mir gut.“

In Samir Lemjid wächst der Traum, selber eine Wassersportschule zu führen. Tunesien scheidet schnell für ihn aus. Zu instabil ist die wirtschaftlich-politische Lage in seiner Heimat.

2007 erfährt Samir Lemjid, dass der Betreiber einer Wassersportschule in Steinhude krank geworden war. Auch wenn viele ihm abraten, entscheidet er sich, es zu versuchen. Er übernimmt die Schule am Steinhuder Meer. Die erste Saison ist besonders hart. „Mit 6 oder 7 S­urfbrettern, die 20 Jahre alt waren, und ein paar sehr, sehr alten Booten habe ich angefangen.“ Doch er beißt sich durch, baut eine Internetseite auf und profitiert von seinem Know-how.

Der Eingang zur Surf- und Segelschule

Der Eingang zur Surf- und Segelschule

Der Weg zu Samir Lemjids Wassersportschule führt über die verkehrsberuhigte Hafenstraße. Autos fahren im Schritttempo. Fußgänger gehen zur Seite, machen Platz, haben alle Zeit der Welt. Und doch ändert sich das Bild des Steinhuder Idylls am Ende der Straße. Hier liegt „Fun and wave“, Lemjids Reich. Das Gebäude ist sanierungsbedürftig. Die Schule befindet sich in den hinteren Räumen, vom Meer abgewandt. Innen stehen Surfbretter an der Wand, Neoprenanzüge, Segel- und Surfzubehör in allen Ecken, Getränke in Plastikflaschen auf dem Tisch. Für die einen mag es wirken wie eine klaffende Wunde im sauberen Kleinstadtkörper. Für die anderen ist es eine anarchische Blume, die sich wundersam durch den glatten Asphalt bohrt.

In der ersten Zeit in Steinhude lebt Samir Lemjid mit den Jahreszeiten. Den Sommer arbeitet er in Steinhude und im Winter zieht es ihn nach Tunesien, den Akku aufladen: „Ich brauche energy und meine energy ist die Sonne.“ Doch je länger er in Steinhude ist, desto mehr wächst seine Verantwortung. Jetzt sind seine Kinder in der Schule und im Winter bleibt er deshalb in Deutschland. Lemjids Lächeln wirkt bitter.

Der Blick auf das Steinhuder Meer.

Der Blick auf das Steinhuder Meer.

Doch dann brechen die Wolken auf an diesem wechselhaften Junitag. Samir Lemjid präsentiert stolz seine Boote. Zwei neue Katamarane hat er sich im vergangenen Jahr gekauft. Und auch seine ersten Boote liegen noch am Steg. „Alt aber funktionstüchtig“, erzählt Lemjid während sein Blick über das Wasser schweift. Ansonsten ist es menschenleer. Kein Kunde in Sicht. Ein Problem für Samir Lemjid? „Nein, an einem sonnigen Wochenende ist es hier brechend voll“, sagt er und genießt weiter die Stille, die Sonne und das Zwitschern der Vögel.

Porträt von Dirk Horsten und Christoph Terhorst. Entstanden im Rahmen n-report-Seminars: Journalistische Grundlagen – Schreiben.

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