10 Merkmale guten Unterrichts von Hilbert Meyer

zusammengefasst von Karsten Beernink

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Klare Strukturierung des Unterrichts

Def.: Unterricht ist dann klar strukturiert, wenn das Unterrichtsmanagement funktioniert und wenn sich ein für Lehrer und Schüler gleichermaßen gut erkennbarer “roter Faden” durch die Stunde zieht.

Indikatoren:

  • verständliche Lehrer- und Schülersprache;
  • klare Definition der Rollen der Beteiligten;
  • Konsequenz, mit der sich der Lehrer an die eigenen Ankündigungen hält;
  • Klarheit der Aufgabenstellung;
  • deutliche Markierung der einzelnen Unterrichtsschritte;
  • klare Unterscheidung von lehreraktiven und schüleraktiven Unterrichtsphasen;
  • geschickte Rhythmisierung des Unterrichtsablaufs und Einhalten von Pausen;
  • Einhalten von Regeln und Einsatz von Ritualen;
  • eine zum Ziel, zum Inhalt und zu den Methoden passende Raumregie.

Hoher Anteil echter Lernzeit

Def.: Die echte Lernzeit ist die vom Schüler tatsächlich aufgewendete Zeit für das Erreichen der angestrebten Ziele.

Indikatoren:

  • Die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler ist aktiv bei der Sache.
  • Die Schülerinnen und Schüler lassen sich nicht durch Kleinigkeiten ablenken.
  • Es herrscht keine Langeweile.
  • Es entstehen inhaltlich reiche Arbeitsergebnisse, die der Aufgabenstellung genügen.
  • Die Einzelstunden, die Tages- und die Wochenplanungen folgen einem eigenen, didaktisch begründeten Rhythmus.
  • Aktive Lernphasen und erholsame Pausen wechseln sich ab.
  • Es gibt nur wenige Disziplinstörungen.
  • Gewährte Freiheiten werden nicht missbraucht.
  • Der Lehrer schweift nicht ab.
  • Er stört die Schüler nicht beim Lernen

Lernförderliches Klima

Def.: Ein lernförderliches Klima bezeichnet eine Unterrichtsatmosphäre, die gekennzeichnet ist durch:
(1) gegenseitigen Respekt,
(2) verlässlich eingehaltene Regeln,
(3) gemeinsam geteilte Verantwortung,
(4) Gerechtigkeit des Lehrers gegenüber jedem Einzelnen und des Lernverband insgesamt
(5) und Fürsorge des Lehrers für die Schüler und der Schüler untereinander.

Indikatoren:

  • der Lehrer geht respektvoll mit den Schülern um.
  • Kein Schüler wird wegen geringer Leistungen diskriminiert.
  • Die Schüler nehmen beim Lernen Rücksicht aufeinander und helfen einander.
  • Es gibt kein aggressives Verhalten einzelner Schüler gegeneinander.
  • Die Schüler beschimpfen einander nicht.
  • Die Sprache ist frei von Beleidigungen, Zoten usw.
  • Es gibt keine Bevorzugungen oder Benachteiligungen einzelner Schüler.
  • Es gibt nur wenig Rivalitäten und Machtkämpfe zwischen Schülercliquen.
  • Es gibt keine versteckte Diskriminierung von Mitschülern.
  • Es gibt klar definierte Klassenämter.
  • Die Schüler ermahnen sich selbst, gemeinsam vereinbarte Regeln einzuhalten.
  • Hin und wieder wird gelacht.

Inhaltliche Klarheit

Def.: Inhaltliche Klarheit liegt dann vor, wenn die Aufgabenstellung verständlich, der thematische Gang plausibel und die Ergebnissicherung klar und verbindlich gestaltet worden sind.

Indikatoren:

  • Informierende Unterrichtseinstiege;
  • Monitoring (s. Buch S. 62);
  • Konzentration auf die Themenstellung – kein Abschweifen und Verzetteln;
  • Aufgreifen, Kontrastieren und Weiterentwickeln der Vorerfahrungen und Alltagsvorstellungen der Schülerinnen und Schüler;
  • liebevoller Umgang mit der Wandtafel;
  • saubere Mitschriften und Protokollierungen der Arbeitsergebnisse in den Heften und Laptops;
  • Einsatz passender Medien;
  • Arbeit mit Modellen, Metaphern und Veranschaulichungen;
  • intelligenter Umgang mit Fehlern;
  • Festhalten von Zwischenergebnissen;
  • regelmäßige Wiederholungen und Zusammenfassungen (möglichst durch die Schülerinnen und Schüler).

Sinnstiftendes Kommunizieren

Def.: Sinnstiftendes Kommunizieren bezeichnet den Prozess, in dem die Schüler im Austausch mit ihren Lehrern dem Lehr-Lern-Prozess und seinen Ergebnissen eine persönliche Bedeutung geben.

Indikatoren:

  • Die Schüler sind bei der Sache.
  • Sie erleben das Lernen als lustvoll.
  • Es gelingt ihnen, ihre fachlichen und überfachlichen Interessen einzubringen und weiterzuentwickeln.
  • Sie greifen von sich aus auf vorherige Unterrichtsthemen zurück und bauen sie in das neue Unterrichtsthema ein.
  • Sie geben Rückmeldungen zum Lernfortschritt und zu Lernschwierigkeiten.
  • Sie vertrauen den Ausführungen des Lehrers und lassen sich auf seine inhaltlichen Vorwegnahmen ein.
  • Sie beziehen persönlich Stellung.
  • Sie stellen kritische und weiterführende Fragen.
  • Sie reflektieren über ihren Lernprozess.
  • Sie beurteilen die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse in angemessener Art und Weise.

Methodenvielfalt
Def.: Methodenvielfalt liegt vor
(1) wenn der Reichtum der verfügbaren Inszenierungstechniken genutzt wird;
(2) wenn eine Vielfalt von Handlungsmustern eingesetzt wird;
(3) wenn die Verlaufsformen des Unterrichtsvariabel gestaltet werden
(4) und das Gewicht der Grundformen des Unterrichts ausbalanciert ist.

Individuelles Fördern

Def.: Individuelles Fördern heißt, jedem Schüler und jeder Schülerin
(1) die Chance zu geben, ihr bzw. sein motorisches, intellektuelles, emotionales und soziales Potential umfassend zu entwickeln
(2) und sie bzw. ihn dabei durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen (durch Gewährung ausreichender Lernzeit, durch spezifische Fördermethoden, durch angepasste Lernmittel und gegebenenfalls durch Hilfestellungen weiterer Personen mit Spezialkompetenz).

Indikatoren:

  • Die Schüler arbeiten an unterschiedlichen Aufgaben und kommen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut voran.
  • Es gibt nach Thema, Interessenschwerpunkten und Leistungsvermögen unterschiedliche Lehrbücher, Lernmaterialien und Arbeitshilfen.
  • Schüler mit Lernschwierigkeiten erhalten zusätzliche Hilfen.
  • Alle, gerade auch die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler werden angehalten, ihren individuellen Lernfortschritt zu reflektieren.
  • Regelmäßig werden Lernschleifen eingebaut (Monitoring).
  • Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben eine genaue Lernstandsanalyse erhalten. Ein Förderplan ist erarbeitet, der den Beteiligten bekannt ist und der auch umgesetzt wird. Langsame Schüler haben ausreichend Zeit, ihre Aufgaben zu erledigen.
  • Schüler mit motorischen oder affektiven Problemen können eine „Auszeit“ nehmen und z.B. in eine im Klassenraum befindliche, aber abgeschirmte „Konzentrationsinsel“ gehen.
  • Schüler mit Gesundheitsproblemen erhalten ein ihren Möglichkeiten angepasstes Arbeitspensum.
  • Leistungsstarke Schüler haben das Recht und die Möglichkeit, sich nach Absprache mit dem Lehrer aus Routineaufgaben auszuklinken und an eigenen Schwerpunkten zu arbeiten.
  • Allen Schülern ist vertraut, dass es unterschiedliche Leistungsvermögen gibt. Die Schüler unterstützen sich gegenseitig beim Lernen.
  • Der Lehrer macht jedem Schüler die für ihn gelten Leistungserwartungen transparent und hilft ihnen, sie nachzuvollziehen.
  • Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache erhalten zusätzliche Unterrichtsangebote.
  • Schüler aus Risikogruppen werden besonders betreut.
  • Nach wiederholtem Schwänzen finden Gespräche mit den Eltern oder Erziehungsberechtigten statt. Es besteht Kontakt zu den Jugendhilfe-Einrichtungen in der Stadt bzw. der Region.


Intelligentes Üben

Def.: Übungsphasen des Unterrichts sind intelligent gestaltet, wenn
(1) ausreichend oft und im richtigen Rhythmus geübt wird,
(2) die Übungsaufgaben passgenau zum Lerngegenstand formuliert werden,
(3) die Schüler Übungskompetenz entwickeln und die richtigen Lernstrategien nutzen
(4) und die Lehrer gezielte Hilfestellungen beim Üben geben.

Indikatoren:

  • Es wird oft, aber kurz geübt. Dafür steht ausreichend Zeit zur Verfügung.
  • Es gibt gemeinsam vereinbarte, vom Lehrer und den Schülern eingehaltene Regeln (z.B. zum Zugriff auf knappe Materialien, zur Lautstärke, zum Herumlaufen etc.).
  • Es herrscht eine angenehm ruhige und konzentrierte Arbeitsatmosphäre.
  • Es gibt nur wenige Unterrichtsstörungen; dort, wo sie doch auftreten, werden sie von Lehrern und Schülern gleichermaßen diskret behoben.
  • Die Schüler haben verstanden, was sie üben sollen; und wenn doch etwas unklar ist, wenden sie sich an Mitschüler oder an den Lehrer.
  • Es gibt personen-, ziel- und themen- oder methodendifferenzierte Übungsaufträge.
  • Es gibt ansprechende, sich selbst erklärende Übungsmaterialien.
  • Die Schüler haben ihre Übeutensilien dabei (Materialien, Hefte, Lernmittel).
  • Die Materialien haben eine Kontrolle des Lernerfolgs – allein oder im Tandem.
  • Der Lehrer beobachtet die Übungsversuche und gibt einzelnen Schülerinnen und Schüler, wo dies notwendig ist, fachliche Hilfestellungen.
  • Die Übungsleistungen der Schüler werden anerkannt.
  • Die Hausaufgaben werden kontrolliert und gewürdigt.


Transparente Leistungserwartungen

Def.: Transparenz der Leistungserwartungen besteht darin,
(1) den Schülern ein an den gültigen Richtlinien oder an Bildungsstandards ausgerichtetes und ihrem Leistungsvermögen angepasstes Lernangebot zu machen,
(2) dieses Angebot verständlich zu kommunizieren und zum Gegenstand eines Arbeitsbündnisses zu machen
(3) und ihnen nach formellen und informellen Leistungskontrollen zügig Rückmeldungen zum Lernfortschritt zu geben.

Indikatoren:

  • Der Lehrer bespricht seine Leistungserwartungen mit den Schülern.
  • Die Leistungsrückmeldungen erfolgen zügig und differenziert.
  • Er erläutert seine Leistungsrückmeldungen in klaren, insbesondere für die leistungsschwächeren Schüler nachvollziehbaren Worten.
  • Die Schüler wissen bei der Unterrichtsarbeit jederzeit, was ihre Aufgabenstellung ist; wenn doch Unklarheiten bestehen können sie Rückfragen stellen.
  • Sie sind über den Schwierigkeitsgrad der gestellten Aufgaben informiert oder arbeiten mit Lernmaterialien, die so gestaltet sind, dass sie ihren Schwierigkeitsgrad selbst abschätzen können.
  • Verschiedene Formen der Leistungskontrolle werden eingesetzt. Es wird erläutert, welche Form wofür taugt.
  • Klausuren und Tests werden vorher angekündigt.
  • Schülerfeedback wird genutzt, um Leistungserwartungen zu korrigieren.
  • Die Schüler bringen eigene Vorschläge zur Leistungskontrolle ein.

Vorbereitete Umgebung

Def.: Klassen- und Fachräume sind vorbereitete Umgebungen, wenn sie
(1) eine gute Ordnung,
(2) eine funktionale Einrichtung,
(3) und brauchbares Lernwerkzeug bereithalten,
sodass Lehrer und Schüler
(4) den Raum zu ihrem Eigentum machen,
(5) eine effektive Raumregie praktizieren
(6) und erfolgreich arbeiten können.

Indikatoren:
(zu 1) Gute Ordnung

  • Die Klasse macht beim Betreten einen gepflegten und aufgeräumten Eindruck.
  • Die Schüler identifizieren sich mit ihrem Klassenraum und sind stolz auf seinen Zustand.
  • Der Lärmpegel entspricht dem Arbeitsprozess.
  • Die Schüler gehen behutsam und pfleglich mit den Materialien um.
  • Sie räumen ohne Aufforderung auf.

(zu 2) Funktionale Einrichtung

  • Es gibt kein überflüssiges Rumgerenne.
  • Die Tafel ist geputzt.
  • Der Lehrer steht vorn, wenn er etwas zu sagen hat, er zieht sich zurück, wenn er moderiert.
  • Die Funktionsecken sind klar zu erkennen. Und die Schüler halten sich an die Funktionszuweisungen einzelner Flächen.
  • Die Beleuchtung und die Akustik sind ergonomisch gestaltet, die Belüftung funktioniert.

(zu 3) Brauchbares Lernwerkzeug

  • Täglich benötigte Materialien sind übersichtlich und schnell greifbar verteilt. Anderes ist vernünftig verstaut.
  • Die Materialien haben ihren festen Standort. Sie werden von den Schülern nach ihrer Benutzung unaufgefordert an ihren Platz zurückgebracht.
  • An Pinnwänden werden Arbeitsergebnisse in ästhetisch ansprechender Form gezeigt.
  • Der Overheadprojektor funktioniert.
  • Der Hausmeister kooperiert bei der Klassenraumpflege mit dem Kollegium und den Schülern.


Quelle:
Hilbert Meyer: Was ist guter Unterricht?. Berlin (Cornelsen Vlg.) 2004