Hannovers Filmgeschichte begann am 18. August 1896 in der Georgstraße 34. Eine Anzeige vom gleichen Tag im Hannoverschen Tageblatt kündigte als absolute Neuheit „die Photographie in vollster Lebenstätigkeit“ an. Auf dem Programm standen acht Titel: „Im Seebad. Spanische Lanzenreiter. Die einstürzende Mauer. Kartenspiele. Unkraut vergeht. Die Fischer. Französische Kürassiere. Königlich ungarisches Gefolge.“ Bei der durchschnittlichen Länge der ersten kurzen Streifen dürfte das reine Filmprogramm eine knappe halbe Stunde betragen haben. Tatsächlich liefen die Filme mit den technisch notwendigen Pausen laut erster Ankündigung morgens von 11 bis 1 und nach der Mittagspause von 4 bis 10 Uhr. In einem Rückblick der Norddeutschen Zeitung vom 24.2.1951 wird die Atmosphäre im ersten hannoverschen Kino beschrieben:
Wie kam der Cinématographe Lumière nach Hannover, und wie hing er mit der Automatenausstellung zusammen? Die Jahreswende 1895/96 war die Geburtsstunde des Films, wenn man darunter eine öffentliche Vorstellung mit auf eine Leinwand projizierten, sich bewegenden Bildern versteht. Sieht man den jahrhundertelangen Bemühungen um die bewegten Bilder ab – vom chinesischen Schattenspiel bis zum Daumenkino – , so wären die technischen Voraussetzungen der späteren Filmentwicklung von Erfindern in verschieden hochindustrialisierten Gesellschaften etwa gleichzeitig zustande gebracht. So ist der Streit darum, wem nun wirklich die erste Filmvorführung gelang, letztlich müßig. Wichtiger im Hinblick auf die spätere rasante Entwicklung des Films ist die Frage, wie die Verbreitung der Technik und die anhaltende Faszination des Publikums zustande kamen. Der Cinématographe Lumière kam als rheinischer Export nach Hannover. Bruno Fischli hat die Kölner Kino- und Filmgeschichte aufgearbeitet und dabei die Rolle des Süßwarenfabrikanten Franz Stollwerck und seines Sohnes Ludwig dargestellt. In der 1839 gegründeten Fabrik wurde der Vertrieb von dem technisch interessierten Firmengründer durch Automaten gefördert. 1894 wurde die Abteilung für Automaten von der Firma der Gebrüder Stollwerck abgetrennt und als selbstständige Kommanditgesellschaft unter dem Namen „Deutsche Automaten-Gesellschaft, Stollwerck & Co.“ geführt. Diese Firma errichtete Automatenhallen mit Grammophonen, elektromechanischen Klavieren, Kinetoskopen (nach Edisons Erfindung zum Automaten umgebaut) in vielen Städten. Im März 1896 wurde Stollwercks Automatengesellschaft die kommerzielle Auswertung des Lumière-Kinematographen während der Berliner Gewerbeausstellung unter bestimmten Konditionen (30 % Gewinnbeteiligung) überlassen. In Hannover wurde in einem von Stollwerck gemieteten Ausstellungsraum im Hause des Lokals „Zum Einhorn“, Georgstraße 34 (nähe Baringstraße), der Kinematograph Lumière aufgestellt im Zusammenhang mit der Automatenausstellung, die in den folgenden Anzeigen im Hannoverschen Tageblatt immer erschien. Die Faszination durch Automaten aller Art muss gewaltig gewesen sein – Ludwig Stollwerck entsprach mit der Deutschen Automaten-Gesellschaft dem Trend. Beim Durchsehen der Anzeigen-Beilagen des Hannoverschen Tageblattes,. auf dem die Daten zur Kinoentwicklung in dieser Darstellung weitgehend beruhen, fallen Inserate für Automatenrestaurants, automatischen Bierausschank, automatische Wasch- und Bügelapparate („50 % Zeitersparnis“), Musikautomaten und ähnliche Geräte auf, ehe für den Kinematographen geworben wird. Der zwar sensationell wegen der „Naturgetreuen Bilder“, aber zunächst ein Automat unter anderen, „eine Kreuzung zwischen einer technisch-wissenschaftlichen Spielerei und einem Jahrmarktscherz für Halbwüchsige“. Die Vorstellung vom leichten, sicheren Geldverdienen haben in der turbulenten Anfangsphase des Kinos seine Verbreitung gefördert – und natürlich die Neuartigkeit der laufenden Bilder. Am 6. Oktober 1896 taucht im Hannoverschen Tageblatt eine Werbung für den Kauf eines Kinematographen mit Bildern auf, zu beziehen in Wachsning’s Hotel in der Schillerstraße. Geworben wird mit dem Hinweis „Viel Geld zu verdienen“, und angesprochen werden die früheren Betreiber von Wanderkinos auf Jahrmärkten. Am 15. November 1896 lautet eine andere Anzeige: „Empfehle complete Apparate (Kinematograph) neuester Construction (ruhigste Projection) mit 6 Original-Films zum billigsten Preise von 1.500 M., vollkommen fertig zu Vorführungen. Beste Erwerbsquelle. Anlernung gratis. H. Borschel, Hannover, Lemförder Straße 1“. Diese Unbekümmertheit im Umgang mit der neuen Technik legte sich mit der Verfeinerung der Apparate und dem – bei steigenden Kosten – wachsenden Risiko im Falle eines Misserfolges. Ganz ohne Risiko war das Unternehmen aber auch in seinen Anfängen nicht. So musste der Cinématographe Lumière bereits am 13. Januar 1897 seine Vorführungen wegen eines Brandschadens unterbrechen – ein ziemlich häufiger Grund für die Kurzlebigkeit und Fluktuation bei den frühen Kinoversuchen. – Auszüge aus Hannoversche Kinoanfänge oder „Die Photographie in vollster Lebenstätigkeit“ von Irmgard Wilharm (S. 11-22) Literaturangaben und Anmerkungen sind im Katalog der Ausstellung Lichtspielträume – Kino in Hannover 1896 – 1991 nachzulesen. |