Grundschulen: Nur wenige Peiner Eltern lassen ihre Kinder zu Hause

Die Ranzen werden weiterhin gepackt: Peines Eltern können wegen der Corona-Krise zwar derzeit selbst entscheiden, ob ihre Kinder zur Grundschule gehen sollen oder nicht. Doch weil sie Sorge haben, dass ihre Kinder zu viel Lernstoff verpassen, nutzen nur wenige die Möglichkeit zum Komplett-Wechsel ins Distanzlernen. Für die Lehrerinnen und Lehrer bedeutet das Wahl-Modell jedoch viel Mehraufwand.

Präsenzunterricht im Wechselmodell: An Peines Grundschulen sind nur wenige Kinder komplett ins Distanzlernen gewechselt.

Hellsehen ist zwar noch kein Schulfach, aber mit seiner Einschätzung, dass der Großteil der Schüler ins Distanzlernen gehen wird, liegt Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne zumindest in Bezug auf Peines Grundschulen daneben. „Dem ist gar nicht so“, stellt Dirk Osburg, der Leiter der Grundschule Rosenthal-Schwicheldt fest. In Niedersachsen dürfen Eltern von Grundschülern wegen der Corona-Sorgen derzeit selber entscheiden, ob ihre Kinder zum Präsenzunterricht gehen sollen. Das Ergebnis: Der Großteil soll und packt den Ranzen.

Nur 10 Prozent der Ölsburger Kinder bleiben zu Hause 

Löwenburg-Rektorin Carmen Schneider.

Löwenburg-Rektorin Carmen Schneider. Quelle: privat

„Im Distanzlernen befinden sich die wenigsten Kinder“, bilanzierte etwa Carmen Schneider, die Rektorin der Ölsburger Grundschule Löwenburg am Montag. Nur circa 10 Prozent der Schüler würden komplett zu Hause bleiben und dort Aufgaben bearbeiten. Verwundert ist die Schulleiterin über diese Zahlen nicht. Denn: „Viele Erziehungsberechtigte sind verunsichert und möchten, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Das Distanzlernen ersetzt nicht das Lernen in der Schule. Digital sind wir noch nicht genügend ausgestattet, sodass ein gut funktionierender, digitaler Unterricht stattfinden könnte“, erläutert Carmen Schneider.

Die Schule besuchen oder zu Hause lernen? Dass die Landesregierung diese Verantwortung auf die Eltern abwälzt, hält die „Löwenburg“-Rektorin für „unglücklich“. „Dadurch könnte es dazu kommen, dass einige Schulen nur im Distanzlernen unterrichten und andere im Präsenzunterricht. Dadurch entstehen unterschiedliche Fortschritte im Lernen, was wiederum zu Bildungsungerechtigkeiten führt. Zudem bleibt am Ende einfach immer das Gefühl, dass die Kinder im Distanzlernen Unterricht verpassen“, betont Schneider.

Sorge um Lern-Rückstände

„Drachenstark“-Rektor Dirk Brandes.

„Drachenstark“-Rektor Dirk Brandes. Quelle: privat

Diese Sorge treibt auch Dirk Brandes um, den Leiter der Grundschule Drachenstark in Edemissen mit der Außenstelle in Wipshausen. Denn: „Der Zeitanteil im Distanzlernen ist deutlich geringer“, merkt er an. Während ein Dritt- oder Viertklässler zum Beispiel fünf Stunden im Präsenzunterricht erhält, sind für Aufgaben im Distanzlernen in dieser Altersklasse täglich nur zwei Stunden vorgesehen, für Erst- und Zweitklässler sogar nur anderthalb Stunden. Auch das dürfte erklären, warum am Montag auch die Grundschulen in Edemissen und Wipshausen gut besucht waren. „Rund 60 Prozent kommen noch zur Schule. Ich war allerdings verwundert, dass es nicht noch mehr waren“, sagte Brandes.

Das Grundschul-Kuddelmuddel: Der Unmut über Niedersachsens Sonderweg mit der Eltern-Entscheidung sei im Drachenstark-Kollegium groß. Denn: „Es bedeutet noch einmal erheblichen Mehraufwand“, betont Brandes. Nun müssten nicht nur Unterricht und Arbeitsmaterialien für Schüler im Wechselmodell vorbereitet werden, sondern zusätzlich noch Aufgaben für die Kinder, die gar nicht mehr in die Schule kommen. „Mit den Kindern im Distanzlernen sollen die Lehrkräfte zudem noch regelmäßig in Kontakt treten“, merkt der Schulleiter an.

Teilzeitkräfte wissen nicht, wie sie das schaffen sollen 

Dirk Osburg leitet die Grundschule Rosenthal-Schwicheldt.

Dirk Osburg leitet die Grundschule Rosenthal-Schwicheldt. Quelle: privat

Gerade für Teilzeitkräfte sei das eine eigentlich nicht zu meisternde Herausforderung, stellt Dirk Osburg, der Rektor der Grundschule Rosenthal-Schwicheldt, fest. „Das ist tatsächlich ein Problem.“ Familie und Beruf vereinbaren, Präsenz-Unterricht vorbereiten und geben, Aufgaben fürs Distanzlernen ausarbeiten und kontrollieren, Zeugnisse schreiben, Kontakt zu den Kindern halten, die gar nicht mehr zur Schule kommen: „Alles ist jetzt doppelt und gleichzeitig. Für eine Teilzeitkraft mit 14 Stunden pro Woche Unterricht an der Schule ist das in dieser Situation kaum machbar“, sagt er.

Auch an seiner Schule machen die wenigsten Eltern übrigens Gebrauch von der Möglichkeit, dass ihre Kinder komplett ins Distanzlernen gehen. „75 bis 80 Prozent unserer Schüler sind tatsächlich weiterhin hier. Das ist eine klare Differenz zur Einschätzung des Landes“, konstatiert Osburg. Statt Wirrwarr hätte auch er sich eine klare Entscheidung aus der Politik gewünscht: Entweder Wechselmodell oder Distanzlernen – aber nicht beides quasi auf einmal. 

Von ähnlichen Wünschen der Eltern berichtet auch Ölsburgs „Löwenburg“-Rektorin Carmen Schneider: „Die Eltern wünschen sich mehr Fortschritte und ein schnelleres Vorgehen in puncto Digitalisierung, aber auch mehr einheitliche Regelungen unter den Bundesländern, um Verunsicherungen zu reduzieren.“ 

Von Christian Meyer

Peiner Allgemeine Zeitung vom 25.01.2021

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