Esther Bejarano: Ein Leben mit Musik

Am Samstag, dem 15. September 2018 kamen Esther Bejarano und die Microphone- Mafia nach Bad Nenndorf, nach Beendigung ihrer Jubiläumstour zwar in einer dezimierten Zahl, aber nicht schlechter.

Im Gegenteil. Der Abend, organisiert vom Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“, der jüdischen Gemeinde im Landkreis Schaumburg (zu großen Teilen auch mitfinanziert von der GEW), zeigte unsere Schule mal wieder von ihrer bunten Seite.

Nach einer innigen Begrüßung für Frau Bejarano und ihre Band seitens der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, dem Vorsitzenden vom Bündnis und humorvollen Worten unserer Schulleiterin Frau Graza-Lüthen im aus allen Nähten platzenden Forum, begann der Abend mit einer Vorlesung. Frau Bejarano las aus ihrem Buch ,,Erinnerungen“ und ließ uns durch ihre Worte an einer uns vollkommen unverständlichen Welt teilhaben (Link zum Podcast der Lesung auf Radio Flora).

Sie erzählte die Geschichte einer jungen Frau, einer jungen deutschen Jüdin zur Zeit des Nationalsozialismus. Wie ihre Geschwister flohen und ihre Schwester ermordet wurde. Wie ihre Eltern deportiert und ermordet wurden und wie auch sie schlussendlich deportiert wurde. Sie berichtete über den Transport nach Ausschwitz, wie sie gezwungen wurde harte körperliche Arbeit zu verrichten, trotz ihrer geringen Körpergröße von 1,47 Metern und ihres jungen Alters. Wie jeder hungerte, außer den SS- Offizieren, und wie sie später für eben diese Musik im Orchester von Ausschwitz spielte, um zu überleben. Wie sie durch viel Glück und eine entfernte christliche Tante zu Arierin erklärt wurde und nur noch als „politische Gefangene“ galt. Nicht mehr in Ausschwitz, aber noch immer in Haft, hatte sie auch die letzten Jahre des Krieges hart zu arbeiten. Bis schließlich die sowjetische Armee immer weiter in die ehemals deutschen Gebiete eindrang und die Lager von der SS geräumt wurden. Sie alle wurden gezwungen, auf einen langen Marsch zu gehen, auf der Flucht vor ihren Rettern. Wer schlapp machte, wurde getötet, bis irgendwann der Schießbefehl ausgesetzt wurde. Während des Fußmarsches fand sie einige ihrer alten Freundinnen wieder, mit denen sie beschloss zu fliehen.

Obwohl viele der erschreckenden Erlebnisse im Leben von Esther Bejarano im Zusammenhang mit der Musik standen, verlor sie nie ihre Leidenschaft für diese Form der Kunst. Und auch heute noch gibt ihre Musik Kraft und ist ein ewiger Apell für den Antifaschismus, für den Kampf für eine freie und pluralistische Gesellschaft von einem Orchester in Ausschwitz bis hin zur eigenen Band gegen rechts. Gemeinsam mit ihrem Sohn Joram Bejarano und dem (laut ihm) „eingeenkelten“ Kutlu Yurtseven stand sie auf der Bühne. Gemeinsam sangen sie alte Partisanenlieder oder traditionelle jüdische Lieder, mit Rapeinlagen von Yurtseven kommentiert. Dass die Band mit solchen Musikstücken mit Yurtseven auch einen Muslim dabei hat, sei noch nie ein Problem gewesen und wenn man die drei beobachtetet hat, kann niemand an ihrer innigen Beziehung zweifeln.

Deutliche Botschaft des Abends: Egal ob Jude, Christ, Muslim, ob man aus Deutschland, Frankreich, Polen oder sonst woher kommt. Wir sind alle Menschen und jeder hat das Recht auf ein friedliches und würdevolles Leben. Und, ob 1938 oder heute: Wer schweigend zusieht, wenn Menschen aufgrund von Überzeugungen oder Merkmalen verfolgt werden, ausgeschlossen werden, diskriminiert werden, hat Mitschuld.

Ein sehr gelungener Abend, der seinen politischen Bildungsauftrag auf jeden Fall erfüllt und zum Nachdenken angeregt hat.

Lea Sankowske (Jg. 12