„Vorrangig sprechen wir darüber, wie es uns und unseren Familien geht.“

Interview: Florin (9d) und Liam (9d)

Vor nun schon 24. Monaten gab es am Gymnasium Hittfeld einen aus Schülersicht recht plötzlichen Schulleiterwechsel. Herr Weinreich verließ die Schule und unser damals stellvertretender Schulleiter, Herr Patyna, trat an dessen Stelle. Grund genug für die hittnews, die beiden mit uns an einen Tisch zu bringen und mit Ihnen über die vergangenen zwei Jahre zu sprechen.

Liam (l.) und Florin (r.) von den hittnews zusammen
mit Herrn Weinreich (2. v. l.) und Herrn Patyna.

hittnews: Herr Weinreich, wie fühlen Sie sich denn damit, heute an „Ihre“ Schule zurückzukehren?
Herr Weinreich: Ich bin ja vor ca. 10 Jahren schon einmal als Schulleiter an diese Schule zurückgekehrt, an der ich bereits Schüler war. Das war schon erst einmal eine große Umstellung für mich. Zwar war ich davor natürlich schon Lehrer, aber wenn man an seine alte Schule zurückkehrt, ist das schon komisch. Zu Beginn musste ich mich erst einmal am Riemen reißen und sagen: „Hey, du bist doch Schulleiter und kein Schüler mehr, verhalte dich auch so.“ Und so ähnlich war es dieses Mal auch. Als ich nach meinem Wechsel nach Lüneburg zum ersten Mal wieder die Schule betreten habe, habe ich mich ein wenig wie der Schulleiter gefühlt. Denn alle Schüler begrüßen und kennen einen. Auch das Schulleiterbüro hat sich verändert. Man fragt sich dann natürlich, ob man mit dem Wechsel alles richtig gemacht hat. Aus der Schulleiterrolle habe ich mich erst nach den Sommerferien begeben. Nun ist es schön, einfach mal herumlaufen zu können und sich nicht ärgern zu müssen, was wieder verbessert und renoviert werden müsste. Andererseits frage ich mich natürlich, wie ich mich verhalten muss. Denn Herr Patyna ist ja jetzt Schulleiter und nicht ich. Es kommen aber schon positive Gefühle hoch. Ich hatte ja eine sehr schöne Zeit hier, die ich wirklich vermisse. Und heute bin ich zur Schule gekommen, habe alle freundlich begrüßt und mich unterhalten.
Herr Patyna: Und du wurdest zurückgegrüßt?
Herr Weinreich: Genau, und ich habe ja auch noch eine Tochter hier an der Schule in der 10. Klasse und bleibe so mit der Schule verbunden.
hittnews: Herr Weinreich, aus Schülersicht waren Sie recht plötzlich verschwunden, und wir Schüler wissen wenig von ihrer Arbeit in der Behörde. Erklären Sie doch mal, was sie aktuell machen.
Herr Weinreich: Ich kann jetzt lange nicht mehr so viel gestalten wie früher, sondern muss mehr verwalten. Ich arbeite nun als schulfachlicher Dezernent und mache die Personalplanung für alle Gymnasien und Gesamtschulen in der Regionalabteilung Lüneburg. Dazu gehört natürlich auch das Gymnasium Hittfeld. Wenn also Herr Patyna jemanden einstellen möchte, ruft er bei mir an. Wobei ich natürlich nicht für die Schule aus schulfachlicher Sicht zuständig bin, sondern wirklich nur für das Personal.
hittnews: Herr Patyna, wie fühlt es sich denn an, wenn der „alte Chef“ wieder zurück an die Schule kommt? Fühlt man sich da beobachtet?
Herr Patyna: Nein. Das ist sehr schön. Es war jetzt auch nicht unser erstes Wiedersehen seit dem Schulleiterwechsel. Wir haben uns früher schon regelmäßig getroffen und tun es heute auch noch. Sei es, dass wir Billard spielen oder zusammen Fußball schauen.
Herr Weinreich: Man muss aber zugeben, dass diese Treffen weniger regelmäßig geworden sind. Woran das liegt, weiß ich jedoch nicht genau.
hittnews: Und reden Sie bei ihren Treffen auch über schulische Dinge?
Herr Weinreich: Vorrangig sprechen wir darüber, wie es uns und unseren Familien geht. Dabei redet man natürlich unausweichlich auch über Schule. Nach dem Schulleiterwechsel gab es anfangs natürlich noch Fragen wie: „Wie hast du das gemacht?“. Gerade dies ist ja eine sehr gute Frage, denn der Neue kann Vieles anders machen, aber er ist manchmal auch gut beraten, bestimmte Dinge nicht zu verändern, denn sonst wird Verwirrung geschaffen.
Herr Patyna: Apropos Schulleiterwechsel: Wenn jemand von außen kommt, kann dieser ja sagen: „Ich mache alles neu!“. Dies war bei uns nicht der Fall. Ich war ja bereits neun Jahre stellvertretender Schulleiter. Wenn ich eine 180° Wendung gewagt hätte, hätte ich mich ja absurd gefühlt. Von daher sind also etliche Dinge, die Herr Weinreich und ich zusammen angedacht haben, weitergeführt worden. Dadurch entsteht auch eine gewisse Kontinuität.
Herr Weinreich: Das Besondere war ja auch, dass wir beide unsere klaren Arbeitsbereiche hatten. Wir haben uns zwar gegenseitig beraten, auch mit den Studiendirektoren, aber letztendlich haben wir uns da auch nicht hineingeredet. Durch diese klare Arbeitsteilung hatten der Stellvertreter und die Direktoren sehr viel Eigenverantwortung. So konnte die Schulleitung meinen Abgang gut auffangen.
hittnews: Dann sind Sie ja noch gut über das Gymnasium Hittfeld informiert. Was halten sie denn von den Veränderungen wie der Phase 0 und dem Kabinettsystem?
Herr Weinreich: Das Kabinettsystem hatte ja den Ursprung von mir und ich bin jemand, der gerne etwas Neues wagt. Sonst hätte ich ja auch nach 8 ½ Jahren nicht den Wechsel nach Lüneburg gewagt. Ich hätte durchaus auch 25 Jahre Schulleiter bleiben können. Aber ich weiß gar nicht mehr ganz genau, wie und wann wir auf die Idee gekommen sind, ein Kabinettsystem einzuführen.
Herr Patyna: Ich weiß das noch ziemlich genau. Du kamst vor etlichen Jahren mit einem dreiseitigen Artikel über das Kabinettsystem ins Büro. Wir haben den Artikel gelesen, jedoch ist die Idee wieder in Vergessenheit geraten. Aber irgendwann kam das Thema dann über die „Steuergruppe Schulentwicklung“ wieder ans Tageslicht.
Herr Weinreich: Kabinettsystem und Phase 0 hängen ja direkt zusammen. Denn als wir wussten, dass die Renovierung kommen muss, war auch das Timing günstig für die Einführung des Kabinettsystems. Denn wenn man systembedingte Veränderungen macht, die auch sicherlich teuer sind, ist es einfacher, damit zu starten, wenn man ohnehin dabei ist, Geld zu investieren. Ich finde die Tatsache, dass sich das Gymnasium Hittfeld auf den Weg gemacht hat, solche systemischen Veränderungen durchzuführen, sehr spannend. Ich kann mich noch an einzelne Situationen erinnern: Die Abstimmung der Schülervertretung in der Gesamtkonferenz, die Diskussionen im Schulvorstand und die Präsentationen des Architekten über die Möglichkeiten des Umbaus. Ich hatte ein wenig Angst, als ich dann so plötzlich gegangen bin, dass die beharrenden Kräfte, die es immer gibt, die Oberhand gewinnen, und dass das Kabinettsystem und der Umbau einschlafen könnten. Insofern bin ich wirklich hocherfreut, dass das nicht so ist, sondern dass sich die fortschrittlichen Kräfte durchgesetzt haben. Natürlich gibt es Kinderkrankheiten, die man aber, wenn man darüber spricht, in der Regel beheben kann. Wenn ich höre, dass Bücher im Keller liegen, ist das sofort behebbar. Aber wenn Räume zu klein sind, dann ist das wirklich ein Problem, dem man jedoch organisatorisch gegensteuern kann.
Herr Patyna: Das ist auch wieder ein Beispiel für die Kontinuität. Durch die intensive Zusammenarbeit vor dem Schulleiterwechsel konnte das Kabinettsystem jetzt so richtig Fahrt aufnehmen. Vielleicht hätte ein Schulleiter von außen, der das Konzept Kabinettsystem nicht kennt, das Projekt nicht weiterverfolgt.
Herr Weinreich: Ein dazu passendes Beispiel ist der sogenannte Methodenordner, welcher aus den intensiven Diskussionen über das Methodenlernen der Schüler entstanden ist und jedem Schüler sukzessiv im Laufe seiner Schulzeit zugeteilt werden sollte. Es gab hitzige Debatten und der Rückhalt innerhalb des Kollegiums war, obwohl es einen Gesamtkonferenzbeschluss gegeben hatte, aus meiner Sicht nicht überzeugend. Ich, als damalig neuer Schulleiter, brach das Projekt ab, da ich den Prozess der Entstehung nicht kannte und nicht direkt überzeugt war. Das war eigentlich eine Katastrophe, denn viele Kolleginnen und Kollegen hatten immens viel Zeit investiert. Wenn ein solches Projekt dann von heute auf morgen einschläft, ist es verständlicherweise frustrierend für den letztgenannten Personenkreis. Diese bekommen dann das Gefühl, dass die eigene Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Insofern ist es jetzt, wie es mit dem Kabinettsystem gelaufen ist, eigentlich optimal.
hittnews: Denken Sie, Herr Patyna, dass Herr Weinreich das genauso gut gemacht hätte bzw. wäre sehr viel anders gewesen?
Herr Patyna: Da wir, obwohl wir ähnlich ticken, unterschiedliche Menschen sind, bin ich mir sicher, dass es ein wenig anders verlaufen wäre. Die Grobmarschrichtung wäre jedoch sicherlich eine ähnliche gewesen.
Herr Weinreich: Das führt mich zu einem wichtigen Punkt. Ich glaube die große Kunst als Schulleiter, und in Führungspositionen generell, ist es, Impulse zu setzen, aber dann die Menschen machen zu lassen und sie dabei zu unterstützen. Beim Erfolg des Kabinettsystems ist natürlich der Impuls des Schulleiters wichtig, aber umsetzen müssen es andere und an dieser Schule habt ihr so viele engagierte Kolleginnen und Kollegen, die das vorantreiben, da sie es machen wollen. Herr Patyna schafft als Schulleiter den Rahmen und sorgt dafür, dass diejenigen, die machen wollen, auch machen können. Das ist die hohe Kunst von Führung. Im Nachhinein betrachtet, würde ich da heute einiges anders machen.
hittnews: Nennen Sie beide doch mal Ihre Beweggründe, die Stelle gewechselt zu haben.
Herr Patyna: Da musst du anfangen, ohne dich wäre ich jetzt kein Schulleiter.
Herr Weinreich: Ich könnte jetzt natürlich sagen, dass ich Herrn Patyna einen Gefallen tun wollte, da er ja etwas älter ist als ich, er sonst an dieser Schule nie Schulleiter hätte werden können. Aber das war nicht wirklich meine Motivation. Die Wahrheit ist: Erstens war ich Mitte 40, als ich Schulleiter wurde, und habe immer gesagt, dass ich das Ganze an dieser Schule 10+X Jahre mache. Ich bin ein Typ, der sich Veränderungen wünscht und wenn diese Chance sich bietet, sie auch nutzt. Da ich nur 8 ½ Jahre Schulleiter war, ist das X offensichtlich negativ. Das habe ich mir auch ein bisschen anders vorgestellt, denn ich hätte gerne das Kabinettsystem über die Probephase hinaus eingeführt. Die Zeit, in der ich als Schulleiter agierte, hätte dann circa 12 bis 13 Jahre betragen. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich Mitte 50, welches ein gutes Alter ist, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Nun bot sich für mich die Chance zur Veränderung ein wenig früher und diese habe ich trotz der eben genannten Vorstellungen ergriffen. Ein zweiter Grund ist folgender: Meiner Meinung nach ist es nicht gut, wenn eine Schule länger als zehn Jahre von ein und derselben Person geleitet wird. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen gehen einem mit der Zeit schlichtweg die Ideen aus, und zum anderen kann es sein, dass man lieber auf das zurückblickt, was man erreicht hat und nichts mehr verändern will. Das kann vielleicht auch schon einsetzen, wenn man noch circa acht Jahre Restlaufzeit bis zur Pensionierung hat. Das auf der Stelle Treten ist für eine Schule eine Katastrophe. Wenn jemand beispielsweise 20 Jahre eine Schule leiten würde, dann würde so viel festgefahren werden, sodass es der Nachfolger immens schwer hätte, diese Strukturen aufzubrechen. Drittens gibt es bei mir natürlich noch eine private Perspektive. Ich habe ja drei kleine Kinder. Meine kleinste Tochter ist sieben, mein Mittlerer ist 10 und meine Große ist 16. Ich habe mir selbst gesagt: „Du hast nun 8 ½ Jahre sehr viel, auch an den Wochenenden, gearbeitet, und du hattest wenig Zeit für deine Familie. Willst du weiter mit der Intensität und mit dem Anspruch, den du hast, Schulleiter sein, mit dem Risiko, deine Familie und deine Gesundheit zu vernachlässigen? Da mir meine Familie, Gesundheit und Zeit zu wichtig sind und ich einen sehr guten stellvertretenden Schulleiter hatte, von dem ich wusste, dass er sicherlich gerne Schulleiter wäre, habe ich die Chance genutzt. Ein kleiner Wermutstropfen ist leider, dass ich meiner Tochter versprochen hatte, ihr ihr Abiturzeugnis zu überreichen. Daraus wird nun nichts.
Herr Patyna: Bei der von dir angesprochenen Betriebsblindheit muss man tatsächlich immens aufpassen. Nicht ohne Grund gibt es in der Kirche die Regel, dass nach 10 Jahren der Pastor wechseln sollte. Denn sonst hört die Gemeinde nicht mehr zu. Das kann man vielleicht auch gewissermaßen auf die Schule übertragen. Und man sollte sich als Schulleiter fragen: „Wie ist das bei mir? Bin ich blind oder gucke ich noch genau hin? Lasse ich noch Impulse von außen zu oder tue ich das ab und ignoriere die Ideen anderer?“ Die Kunst der Schulleitung ist, da noch sensibel zu sein. Jetzt aber zu mir. Natürlich habe ich die Chance selbst ergriffen, denn es hat sich ja so ergeben. Ich hätte aber auch sagen können: „Nein, ich bleibe stellvertretender Schulleiter. Dann aber mit der Gefahr, dass jemand anderes ganz anders lenkt. Damit wäre ich vermutlich nicht zurechtgekommen. Daher habe ich mich dazu entschieden zu sagen: „Die Richtung, in die wir als gesamte Schule gehen, ist die richtige und ich will dafür sorgen, dass das auch so bleibt.”
hittnews: Herr Patyna, sind sie auch ein Mensch, der, wie Herr Weinreich, die Veränderung braucht?
Herr Patyna: Nein, nicht direkt. Ich bin kein Mensch, der unbedingt die Veränderung braucht. Man sagt ja oft, Lateiner seien Traditionalisten, die müssen nicht immer Neues haben. Ich habe jetzt nicht den Stress, unbedingt wechseln zu müssen.
hittnews: Wussten sie voneinander, dass der jeweils andere einmal seine Stelle wechseln wird?
Herr Patyna: Da ich ihn schon eine Zeit lang gut kenne, war mir von Anfang an klar, dass da noch etwas passieren wird.
Herr Weinreich: Ich hatte im Dezember 2016 ein Gespräch mit dem Präsidenten der Landesschulbehörde. Das habe ich Herrn Patyna und der erweiterten Schulleitung damals natürlich erzählt. Im Februar 2017 konkretisierte sich das Ganze und wir haben begonnen, zu planen, was passiert, wenn ich die Schule im Sommer 2017 verlassen würde. Dann habe ich mich im März 2017 beworben. Das Kollegium habe ich im Lehrerzimmer auf einer Pausendienstbesprechung informiert, unter der Aufforderung, dies für sich zu behalten. Ich bin sehr fasziniert davon, dass die Lehrerinnen und Lehrer es im März wussten, aber ihr Schweigen darüber nicht ein Mal gebrochen haben. Frau Kühl kennt Freunde von mir aus Stade. Sie wusste nicht, ob diese Freunde den Plan kennen, und sie meinte am Ende zu mir, dass sie den Freunden gegenüber ein schlechtes Gefühl gehabt hatte, aber es ihnen nicht gesagt habe. Dieser Vertrauensbeweis der Kolleginnen und Kollegen, die ja hoffentlich nicht wollten, dass ich gehe, hat mir einfach noch einmal gezeigt, dass es die richtige Entscheidung ist. Denn ich wusste, dass sie mir vertrauen, und sie vertrauen darauf, wie es danach weitergeht. Schwergefallen ist es mir mit den Schülerinnen und Schülern. Bei der Abi-Entlassung habe ich es gewusst, und durfte es nicht sagen. Und das, obwohl es mein erster Jahrgang war, den ich eingeschult habe. Das hätte ja auch wunderschön gepasst: wir kommen gemeinsam und wir gehen gemeinsam. In dem Jahrgang gab es einen Vater, der mein bester Freund ist. Ihn kenne ich schon sehr lange und er war eingeweiht. Er hat die Andeutungen in meiner Rede auch direkt verstanden.
Herr Patyna: Als stellvertretender Schulleiter ist es natürlich eine besondere Situation. Es war ja nicht klar, ob Herr Weinreich nun direkt am Anfang des Schuljahres wechselt oder erst ein wenig später, da die Behörde in Bezug darauf ein wenig schwerfällig ist. Dann hieß es plötzlich, die erste Dienstbesprechung musst du übernehmen.
Herr Weinreich: Am 2. August 2017 war diese Dienstbesprechung, auf der ich es den Kolleginnen und Kollegen noch einmal gesagt habe, obwohl sie es schon sicher wussten, da ich ihnen eine Woche vor Schulbeginn eine Mail geschickt hatte. Dann wurde ich sehr nett verabschiedet. Es war also für die Schule sehr gut planbar gewesen.
hittnews: Und bereuen Sie ihre Entscheidung, das Amt zu wechseln?
Herr Patyna: Nein (beide lachen). Ich bin eigentlich recht zufrieden mit meinem Beruf, den ich aktuell ausübe. Fast jeden Morgen komme ich zufrieden ins Büro und freue mich, diesen Weg gegangen zu sein. Aber ein kleiner Wermutstropfen ist, dass sich irgendwie die Beziehung zu dem Kollegium ein wenig ins Negative verändert. Denn wenn man der Schulleiter ist, gibt es schulintern keine höhere Instanz, was einen natürlich in einem etwas anderen Licht darstellt. Das ist anders, wenn man noch stellvertretender Schulleiter ist. Dann gibt es ja noch immer jemanden, der „mächtiger“ ist als man selbst. Aber insgesamt bin ich ein sehr zufriedener Schulleiter und dem Kollegium und auch den Schülerinnen und Schülern recht nahe, indem ich meine Tür immer offen habe. Das zeigt natürlich auch symbolisch, dass ich für andere immer ein offenes Ohr habe. Und wenn ein Schüler oder ein Kollege bzw. eine Kollegin fragt, ob ich noch kurz 5 Minuten hätte, ist das fast immer der Fall. Das finde ich aber an unserem Kollegium generell gut, dass die Schülerinnen und Schüler immer zu den Lehrerinnen und Lehrern kommen können, und meinem Gefühl nach auch viel Vertrauen in die Lehrer setzen können und dies auch tun.
Herr Weinreich: Für mich ist die Frage, ob ich den Wechsel positiv oder negativ betrachte, nicht klar zu beantworten. Es ist ja so, dass ich jetzt zum Beispiel viel mehr Zeit für meine Familie habe. Das schätzen ich und meine Familie sehr. Aber jedes Mal, wenn ich hier wieder zu großen Veranstaltungen gekommen bin, vor allem zum großartigen Musical, dachte ich mir, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe.
Herr Patyna: Da habe ich gedacht, dass ich definitiv die richtige Entscheidung getroffen habe. (Beide lachen)
Herr Weinreich: Denn als Schulleiter kann man den Rahmen für solche Veranstaltungen geben, und sie fördern. Das macht ja letztendlich Schule aus. Ich war unglaublich stolz auf unsere Schule, aber ich hätte mir gewünscht, dass dies alles unter mir entstanden wäre. Aber jedes Mal, wenn ich abends hier vorbeifahre und Licht brennt, sage ich mir, dass ich alles richtig gemacht habe. Auch wenn ich natürlich noch dieselben Wochenstunden habe. Aber ich arbeite eben am Wochenende nicht. Ich hatte in den letzten 1 ½ Jahren so viel Zeit für meine Familie wie in den 8 ½ Jahren davor zusammen.
Herr Patyna: Und auch die abendlichen Termine sind weniger, oder?
Herr Weinreich: Ja, definitiv. Das entlastet natürlich sehr. Das, was mir aber fehlt, seid ihr Schüler. Ich weiß nicht, ob ihr das auch immer so wahrgenommen habt, aber ich habe immer unglaublich gerne mit euch gearbeitet. Deshalb habe ich auch immer freiwillig acht Stunden unterrichtet. Die Mitglieder der Schulleitung haben gesagt, dass ich verrückt sei, weil ich doch die Schule leiten müsse. Ich hatte auch immer – außer einmal – Schülerinnen und Schüler im Abitur. Auch habe ich immer AGs geleitet und viel vertreten, weil es mir einfach Spaß machte. Man bekommt ja auch immer ganz viel zurück von euch, auch wenn es mal Stress gibt. Man sieht, wie ihr lernt, vorankommt und erfolgreich seid. Damit meine ich nicht nur die Jahrgänge im Abitur, sondern auch die fünften Klassen. Es gibt ja immer Schüler, die sind Originale, und man denkt sich: „Wie soll das denn was werden.“ Und dann überreicht man ihnen das Abitur, und sie sind immer noch Originale. Wenn ich das sehe, sage ich mir, du hast es falsch gemacht. Aber ich könnte ja auch bis 67 arbeiten, und dann einfach nochmal zwei Jahre Schulleiter sein.
Herr Patyna: In der Rolle des Stellvertreters hat man noch viel Kontakt zu Schülerinnen und Schülern. Das ist in der Rolle des Schulleiters deutlich anders. Das fehlt mir auch. Ich habe auch damals gesagt: „Vertritt nicht so viel, sondern mach deinen Bürokram“, und jetzt sage ich auch manchmal: „Ich mache die Vertretung!“, denn der Grund, warum man einmal Lehramt studiert hat, ist ja der Kontakt zu Schülern.
hittnews: Wollen Sie beide noch höher hinaus? Wo sehen sie sich denn in 10 Jahren?
Herr Patyna: In zehn Jahren sehe ich mich pensioniert (lacht). Mir gefällt es hier sehr gut, man will sich natürlich noch nicht festlegen, aber ich könnte mir vorstellen, bis zur Pensionierung hier als Schulleiter zu arbeiten. Denn für mich ist nicht unbedingt die Vision da, in die Landesschulbehörde zu gehen.
Herr Weinreich: Noch höher hinaus? Das wäre ja zum einen der Weg in die Politik, den ich mir eher nicht vorstellen kann. Aber andererseits sind ja über uns sehr viele Positionen, die langsam frei werden, weshalb man es durchaus nicht ausschließen kann, dass jemand fragt: „Herr Patyna oder Herr Weinreich, es ist eine bestimmte Position frei geworden und wir hatten da an Sie gedacht…“. Außerdem kann es ja sein, dass man auch in einem höheren Bereich einen Personalmanager braucht, was ich ja machen könnte. Als ich den Job gewechselt habe, meinte meine Tochter Jule, damals in der 8. Klasse, zu mir: „Mir ist es egal, ob du wechselst oder nicht. Hauptsache wir ziehen nicht nochmal um“. Also bleibt mir, bis sie ihr Abitur hat, die Option schonmal aus (lacht). Aber wenn ich mir das so ausrechne, könnte ich, wenn Herr Patyna in Pension geht, noch zwei Jahre Schulleiter werden. Das wäre schon eine gute Option.
Herr Patyna: Man merkt richtig, wie viel Spaß ihm die Arbeit mit Schülern macht.