Anne Neumann von der Europäischen Kommission zu Gast am Gymnasium Haren
Interessierten Oberstufenschülern des Gymnasiums Haren bot sich eine besondere Möglichkeit, Einblick in die Arbeitsweise der „Black Box“ Europa zu nehmen. Anne Neumann, die bei der Europäischen Kommission in der Abteilung Kommunikation tätig ist, gab in einem kurzen Vortrag zunächst Auskunft über den komplexen Weg der Entstehung eines europäischen Gesetzes und stand den Schülerinnen und Schülerin im Anschluss eine gute Stunde Rede und Antwort zu unterschiedlichsten Aspekten und Herausforderungen der Europäischen Union.
Mit einem Arbeitsplatz in Brüssel, dem Stopp am Gymnasium Haren, bereit zur anschließenden Weiterreise zum Lebensgefährten nach England, erklärte Frau Neumann dabei auch ganz persönlich, wie wichtig ihr die Freiheit und der Frieden seien, die Europa in seiner derzeitigen Form biete. „Ich bin selbst Kind der DDR und habe erlebt, wie es ist, nicht reisen zu dürfen, oder wie Mitschüler denunziert wurden.“ Unsere momentanen Freiheiten, besonders die Meinungsfreiheit, seien nicht gottgegeben und selbstverständlich, sondern hart erarbeitet. „Europa ist und bleibt ein Friedensprojekt, und sei es noch so kompliziert und langwierig. Das bleibt es, solange Staaten miteinander reden.“
Wie kompliziert dieser Prozess mitunter sein kann, konnte Frau Neumann durch ihre „Innenansicht“ besonders anschaulich erklären. Den Gesetzgebungsprozess verdeutlichte sie als Zusammenspiel des „Dreiecks“ Europäische Kommission, EU-Parlament und Rat der EU.
Die Standpunkte der 28 Mitgliedsstaaten würden in der Zusammenarbeit der drei Institutionen zu einem gemeinsamen Standpunkt verschmolzen. „Das kann mitunter über zwei Jahre, in Rekordzeit „nur“ ein halbes Jahr vom Vorschlag bis zur Verabschiedung eines Gesetzes dauern“, so Frau Neumann. Dass allein in der Europäischen Kommission dazu rund 30.000 Mitarbeiter tätig seien, war ein spannendes Detail, das man ganz nebenbei erfahren konnte. Der Leitsatz der EU, „united in diversity“ – in Vielfalt vereint – werde also auch bei der Entstehung von EU-Gesetzen deutlich.
Ein Thema, das den Schülerinnen und Schülern am Herzen lag, war unter anderem der bevorstehende Brexit. Auch hier gab Frau Neumann offen und persönlich Auskunft und konnte wesentliche Hintergründe zu Entstehung der Situation in Großbritannien beisteuern. Es habe zum Beispiel auch zum Ergebnis des europafeindlichen Referendums beigetragen, dass es an britischen Schulen keinen Politikunterricht gebe, wie ihn Schülerinnen und Schüler in Deutschland gewohnt seien. Den gebe es nur in der höheren Bildung, so dass viele Briten bei ihrer Referendumsabstimmung kaum Wissen über die Vorteile gehabt hätten, die die EU ihrem Land böte. So müssten die Briten, die aus der EU austreten möchten, feststellen, dass Handelsabkommen mit anderen Ländern nur unter wesentlich schlechteren Konditionen möglich seien als im Rahmen des Binnenmarktes der 28 EU-Staaten.
Ein Blick auf die Weltkarte zeige: „Nur in der EU haben wir eine Bedeutung, viel mehr als einzelne Nationalstaaten.“ Deshalb auch Frau Neumanns leidenschaftlicher Aufruf an die Schüler: „Gehen Sie wählen! Zur Europawahl am 26. Mai, aber gehen Sie überhaupt immer zur Wahl!“
Franziska Wolters von der Heinrich-Böll-Stiftung sowie das Informationszentrum „Europe direct“ stellten den Schülerinnen und Schülern darüber hinaus viele Zusatzmaterialien, z.B. zur bevorstehenden Europawahl, zur Verfügung und rundeten so die Veranstaltung ab.
L. Bruns