Gestalten statt anzuklagen: 800 Menschen bei Kundgebung des Gymnasiums
Von Tobias Böckermann
Haren. Nicht nur protestieren, sondern informieren – unter diesem Motto lässt sich die Großkundgebung zusammenfassen, die das Gymnasium Haren am Freitag auf die Beine gestellt hat. Mehr als 700 Schülerinnen und Schüler stellten im Rahmen der Fridays-for-Future-Bewegung ebenso nachdenklich wie entschieden entscheidende Fragen: „Was kann man gegen den Klimawandel tun, und was kann ich tun, damit unsere Generation eine Zukunft hat?“
Und dabei hatte die Schulgemeinschaft den 20. September 2019 als Tag ihrer Großveranstaltung eher zufällig ausgewählt. Denn dass an diesem Freitag an vielen Orten der Welt junge Menschen ihre Forderungen an die Politik stellen würden, hatten die Harener Ende Mai, als sie ihren Tag planten, gar nicht auf dem Schirm.26 Workshops
Die Harener Schüler wollten erstens niemanden anklagen wegen der Klimakrise. Sondern es ging ihnen darum, was sie und ihre Familien selbst tun können. Und zweitens wollten sie an zwei selbst vorbereiteten Projekttagen ein inhaltliches Fundament zum Thema Klimaschutz schaffen und dann auf dem Alten Markt in Haren darüber informieren.
All das ist gelungen. Denn nicht nur waren einige Dutzend Zuhörer gekommen, um den Schülern, Lehrern und der Kirche bei ihren kurzen Reden zuzuhören. Vor allem wohl haben sich die Kinder und Jugendlichen in der Vorbereitung des Freitags selbst zu Experten für die eigene Zukunft weitergebildet. So jedenfalls berichtete Schülersprecher Julian Kathmann, und so sahen es auch Schulleiter Michael Heuking und sein Stellvertreter Christian Rinné.
„Der Weg ist in diesem Fall auch das Ziel“, sagte Heuking und bezeichnete die eigenständige Vorbereitung der insgesamt drei Projekttage als demokratischen Prozess der Schulgemeinschaft ebenso wie als denkwürdiges Datum seiner fast 40 Jahre währenden Laufbahn als Pädagoge. Und tatsächlich hatten sich die Schüler in 26 Themengruppen mit dem Klima- und auch dem eigenen Lebenswandel beschäftigt. Die Initiative war von Tabea Fischer, Janna Gerdes, Kirsten Guske, Mathilda Janssen, Antonia Veenker und Lilly Wilde ausgegangen, die gemeinsam in die 10c gehen. Schülersprecher Julian Kathmann, Lehrer und der Jahrgang 12 halfen dann bei der Organisation.
Nach zwei Tagen Vorbereitung ging es am Fraitag um 10 Uhr los von der Schule aus in Richtung Alter Markt, nach wenigen Minuten waren die Schüler dort angekommen und präsentierten eine ganze Reihe von Plakaten. Inhaltlich ging es um die Rettung der Meere und der Schildkröten ebenso wie um den Ausstieg aus der Kohle oder um Plastikmüllvermeidung. Sprüche wie: „Früher war der Fisch in der Packung, heute ist die Packung im Fisch“, „Make the planet great again“ oder „Viele Hände schnelles Ende“ zeugten ebenso von einer Prise Sarkasmus, wie von politischem Bewusstsein.
Schülersprecher Julian Kathmann berichtete in seiner eindrucksvollen Rede, dass demonstrierende Schüler nicht selten auf Widerstand aus der Welt der Erwachsenen stießen nach dem Motto: „Ihr protestiert einfach nur und bewegt nichts.“ Genau das wolle man am Gymnasium Haren eben nicht, sagte Kathmann. „Wir wollen keine leeren Parolen, keine Anklage und vor allem am Ende keine Möglichkeit für andere zu behaupten, wir hätten keine Ahnung von dem, was wir tun.“ Deshalb die 26 Workshops jeweils mit der Frage: „Was können wir tun? Lebe ich als Vorbild für andere?“
Die Elternratsvorsitzende Astrid Schöningh zog symbolisch ihren Hut vor den Schülerinnen und Schülern und war stolz, Teil einer Schulgemeinschaft zu sein, an der die Kinder für ihren Standpunkt und für eine extrem wichtige Sache kämpften. Pfarrer Tobias Kotte und Pastor Thorben Rakowski dankten den Schülern für ihren Einsatz für einen achtsameren Umgang mit der Erde. Sie ließen die Glocken ihrer Kirchen läuten, „damit alle mitbekommen, was hier passiert“.
Und Schulleiter Michael Heuking stellte in seiner Rede eine fiktive Kontroverse in den Mittelpunkt, wie sie in diesen Tagen zwischen den Generationen tatsächlich ausgetragen werden könnte. Darin beklagt ein Mann, Jahrgang 1964, früher habe er klimabewusster gelebt und nun überhaupt keine Lust, sich von jungen Rotzlöffeln sagen zu lassen, wie er leben solle. Aber Anklagen aus einem früheren Leben nützten aber nichts, sagte Heuking sinngemäß. Wichtig sei, wie man das Leben heute gestalte. Und gerade da stehlen sich nach seiner Einschätzung die Erwachsenen allzu häufig aus der Verantwortung. Dass nun die Schüler des Gymnasiums genau diese Verantwortung übernähmen, sei ein starkes Zeichen der Hoffnung. „Ihr seid für mich ein Vorbild.“
Nach der Kundgebung auf dem Marktplatz, die mit dem gemeinsamen Lied „We are the world“ endete, zog die Schulgemeinschaft zurück zur Schule und beschäftigte sich weiter mit dem Thema, unter anderem in einer „Harener Klimakonferenz“.
aus: Meppener Tagespost, Ausgabe 21.09.2019, S. 14