Die derzeitigen Bauernproteste beschäftigen nicht nur die Politik. Vielen Schülern etwa ist nicht unbedingt klar, warum auch die hiesigen Landwirte demonstrieren und was genau sie kritisieren. Klarheit brachten nun unter anderem drei Akteure kurzfristig bei einer Veranstaltung am Harener Gymnasium.
„Es geht um weit mehr als Agrardiesel“, sagt Heiner Wessels. Seit Tagen ist auch der 42-jährige Harener an den deutschlandweiten Demonstrationen beteiligt. Wessels betreibt in Wesuwe einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb. Drei Generationen leben auf dem Hof. 250 Sauen werden dort gehalten, um Ferkel für die Mast zu erzeugen. Zudem betreibt der Vater von vier Kindern eine Biogasanlage, erzeugt damit Strom. Der Betrieb ist typisch für einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb im Emsland, ist eigentlich gut aufgestellt. Und doch macht sich Wessels große Sorgen.
Die Gründe sind vielfältig, wie jetzt auf einer Veranstaltung am Gymnasium Haren deutlich wird. Schüler und Lehrer hatten kurzfristig Wessels und dessen Berufskollegen Jan Kathmann und Jens Engelken eingeladen, um den Schülern die Gelegenheit zu geben, sich genauer mit der aktuellen Situation der Landwirte und den Hintergründen ihres Protestes auseinanderzusetzen. Viele Schüler haben die Proteste mitbekommen, sind von ihnen auch z.T. betroffen gewesen, da sie z.B. zu spät zum Unterricht kamen, und haben Fragen. „Was haben wir mit den Problemen der Bauern zu tun? Warum kommen wir jetzt zu spät zur Schule oder zu unserem Hobby?“, sind einige Fragen, die den Landwirten dabei gestellt werden. Dabei ist das Interesse der Schülerschaft an diesem aktuellen Thema riesig. Die Schüler haben schon im Unterricht viele Fragen an die Lehrkräfte herangetragen, die im Unterricht aufgegriffen wurden. Durch den Besuch der Landwirte bietet sich die Gelegenheit, weitere Informationen und Hintergründe aus erster Hand zu bekommen. „Ich fand es gut, dass die Landwirte uns alles so gut erklärt haben, auch die Fachbegriffe“, sagt anschließend Cris Conen, ein Schüler aus der achten Klasse. So wie er haben rund 200 Schüler der Klassen 5 bis 12 an der Veranstaltung teilgenommen.
Was den Schülern klar wird, ist, dass die Thematik komplex ist. Das wird bereits deutlich in der Vorstellungsrunde. Während etwa Wessels spezialisiert ist auf die Schweinehaltung und die Erzeugung von erneuerbaren Energien, setzt der 24-jährige Jan Kathmann auf die Aufzucht von Jungsauen, mästet Bullen und hat einen weiteren Schwerpunkt im Ackerbau, so etwa bei der Produktion von Kartoffeln. Jens Engelken hingegen produziert Eier, betreibt eine Biogasanlage und mästet ebenso Bullen und betreibt Ackerbau. Die Betriebe sind inhaltlich komplett anders aufgestellt, kaum zu vergleichen. Doch allesamt eint eins: Die Veränderungsprozesse der letzten Jahrzehnte in der Landwirtschaft stellen sie vor große Herausforderungen. „Wir haben in den vergangenen Jahren etliche Einschnitte hinnehmen müssen“, erläutert Jens Engelken. Dabei zeigt er auf eine Grafik. Ein Fass ist darauf zu sehen, etliche Stichpunkte sind zu lesen, so etwa „verschärfte Pflanzenschutzanwendung“, „strengere Düngeverordnung“ oder „4 Prozent Flächenstilllegung“.
Die Harener Bauern versuchen, die einzelnen Punkte zu erläutern und können direkt aus der Praxis von ihren Problemen berichten. „Die Wettbewerbsfähigkeit ist so nicht gegeben“, sagt Junglandwirt Kathmann. „Allerdings können wir derzeit eh kaum investieren“, sagt derweil Engelken. Zu groß ist die Unsicherheit, welche neuen Auflagen etwa in Sachen Tierwohl oder Düngeverordnung als Nächstes kommen. „Dabei wollen viele Tierhalter weiter in ihre Ställe investieren, um zukunftsgerecht produzieren zu können“, weiß der 46-Jährige von vielen Berufskollegen. Am Ende würden die Verbraucher an der Ladentheke entscheiden, welche Produkte gut laufen und wie viel Geld auch zum Bauern gelangt. „Wir müssen weg von geiz ist geil“, sagt deshalb Engelken und verweist unter anderem auf regionale Anbieter.
Neben den Ursachen und Hintergründen des aktuellen Bauernprotestes geht es aber auch um die Umsetzung der Proteste. Gerade weil viele die Folgen unmittelbar mitbekommen haben, fragen sie auch kritisch nach. So merkt eine Fünftklässlerin an, dass durch Straßenblockaden auch Menschen in Gefahr gebracht werden könnten. Auch der Vorwurf, sich von Rechten unterwandern zu lassen, wird von den Landwirten aufgegriffen. Ein Vorwurf, den die Bauern nur schwerlich entkräften können. Doch auch hier wird deutlich: Wie in der gesamten Bevölkerung ist in der Landwirtschaft die gesamte Bandbreite der politischen Meinung abgebildet. „Wir versuchen, mit allen Mitteln, uns nicht von den Rechten vereinnahmen zu lassen“, sagt Wessels. Allerdings seien laut ihm Demos wie etwa Trecker-Schleichfahrten unumgänglich, um auf die Nöte der Bauern hinzuweisen.
Gerade in der aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung, in der die Polarisierung immer stärker zunimmt, hilft der Dialog. „Im Gespräch bleiben, den anderen verstehen, darum geht es doch. Demokratie lebt vom Dialog. Dazu gehört, der Meinungsaustausch und respektvolle Umgang miteinander. Dies wollen wir unseren Schülern in der Schule vermitteln und die Veranstaltung hat dazu einen sehr guten Beitrag geleistet.“, sagt Lehrer und Organisator Jens Kückmann.
Positiv sei gewesen dass man so einmal die regionale Perspektive sehe und Einblicke in die Arbeitsweise der Höfe kennenlerne, berichten Oberstufenschüler, dadurch könnten sie die Proteste deutlich besser nachvollziehen.
Am Ende ist die Zeit für alle zu schnell um. „Wir hätten gerne noch mehr Fragen gestellt und weitere Antworten der Landwirte bekommen“, sagt eine Schülerin – und auch die Landwirte hätten gerne noch den ein oder anderen Punkt angesprochen, aber am Ende sind sowohl Schüler als auch Landwirte zufrieden.
J. Engelken , J. Kückmann