JüL in der Waldschule – Was ist das eigentlich?
Vor inzwischen bereits zehn Jahren hatten einige Lehrer/innen der Waldschule die Idee, etwas Neues zu wagen. Obwohl das, was wir wagen wollten, war gar nicht so neu. Es ist ein mehr als hundert Jahre altes Modell, das mit neuen Inhalten und Methoden gefüllt wird. Genauso wie Schule ein mehr als hundert Jahre altes Modell ist, das mit neuen Inhalten und Methoden gefüllt wird. Wir hatten es zu dieser Zeit in den Klassen mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten oder Herausforderungen zu tun. Wir hatten viele Kinder, die sich sehr auffällig verhielten oder eine Klasse wiederholten. Es gab noch die Förderschule Lernen in unmittelbarer Nachbarschaft, die versucht hat, zusammen mit uns das Modell der Integration von Kindern mit Lernschwierigkeiten in den Regelschulbetrieb ans Laufen zu kriegen. Wir wussten es auch damals schon, dass man in einer Jahrgangsklasse nicht eine Gruppe von gleich wachen, gleich schnell lernenden, mit gleichen Voraussetzungen startenden Kindern hat. Weil dies bekannt war, gab es in anderen Schulen die Idee, sogenannte Schuleingangsklassen zu bilden, also Klassen mit Kindern des Jahrgangs 1 und 2. Jedes Jahr gehen bei diesem Modell die Zweitklässler raus aus der Klasse und es kommen z.B. zwölf neue Erstklässler dazu. Die Idee: die Großen helfen den Kleinen beim Einstieg in die Schule.
Uns war dies zu wenig. Und als wir uns zu anderen Schulen aufmachten und umguckten, wurde unser Eindruck bestätigt. Die Zweitklässler sind zu dicht dran an den Erstklässlern. Um Erfahrung oder know-how weiterzugeben, braucht es unter Umständen größere Abstände. Also entschieden wir uns für das Modell 1-4. Alle Grundschuljahrgänge in einer Klasse. Hier erleben wir sowohl Erstaunliches als auch ganz Normales. Ältere Kinder zeigen nicht nur den jüngeren, wie manche Dinge funktionieren, es geht auch anders herum: Die Kleinen haben manchmal solche Talente in bestimmten Bereichen, dass sie den Großen durchaus etwas vormachen können. Der große Haudegen wird auf einmal lammfromm, wenn ihm im Sitzkreis ein kleiner Zwerg auf den Schoß krabbelt und sich an ihn schmiegt. Die Kleinen fahren problemlos mit auf Klassenfahrt und profitieren von der Erfahrung der Älteren. Das frühpubertierende Gebaren mancher Zehnjährigen entfällt, wenn man nicht mehr so viele Altersgleiche hat, für die man dieses oder jene Schauspiel aufführt. Wir stellen fest, auch 6- und 7-Jährige lernen schon gerne Englisch, versuchen sich an Werkstücken aus Wolle oder Holz, was eigentlich erst für die Dritt- und Viertklässler vorgesehen ist.
Natürlich gibt es auch bei uns im JüL „schwierige“ Kinder, Kinder, die langsamer oder auch schneller lernen und möglicherweise mehr Zeit oder Zuwendung benötigen. Auch ist es manchmal recht anstrengend. Aber wir arbeiten gern und mit Überzeugung in dieser Form und fühlen uns gut gewappnet, mit den Herausforderungen umzugehen.
Und das Schöne an dieser Organisationsform ist: die Eltern
werden gefragt, ob sie das möchten, und sie können sich entscheiden zwischen
Jahrgangsklassen und Jahrgangsübergreifenden Lerngruppen.
Was sagen denn eigentlich die Kinder dazu?
Hier einigen Stimmen:
Gespräch zwischen einer Erstklässlerin und einem Zweitklässler. Beide sitzen bei der Klassenfahrt auf einer Bank und rechnen.
L: Warum kannst du denn so gut rechnen?
Y: Das hat mir Oscar beigebracht.
Lehrer: Was findest du gut am JüL?
H: (4.-Klässler): Dem Erstklässler können die Großen helfen.
J (2.-Klässler): Und dem 2.- und 3.- Klässler auch.
J (1.-Klässler): Die Kleinen helfen aber auch den Großen!
Ich finde gut, dass wir seit der ersten Klasse fünf Stunden haben.
Die Paten sind in der gleichen Klasse. Und man kann seine älteren Freunde häufiger sehen.
Wir fahren zweimal auf Klassenfahrt.
Es ist so schön, dass jedes Jahr neue Kinder kommen und wir Paten für die Kleinen sind. Dadurch haben wir Verantwortung für die jüngeren Kinder und können uns um sie kümmern. Das ist toll!
Keiner muss die Klassengemeinschaft wechseln, wenn er eine Klasse wiederholen
muss. Jeder hilft jedem! Egal wie alt man ist!
Wir sind eine große Gruppe, die jedes Jahr neu zusammengewürfelt wird. Dadurch
haben wir jedes Jahr die Möglichkeit neue Freunde zu finden.
Noch ein paar soziale Gründe:
• Schüler treffen KIGA-Freunde wieder
• Wiederholer bleiben im gewohnten Klassenverband
• „unbeliebte“ Schüler werden voruteilsfrei von den jüngeren als Freund und Helfer akzeptiert
• Außenseiter haben jedes Schuljahr die Chance, sich in ein neues Klassengefüge neu einzufügen
• Einzelkinder probieren sich mit „ErsatzGeschwisterkindern“ aus (betreut und betüdelt werden, aber auch durchsetzen und streiten)
• schwache Schüler bleiben nie die schwächsten einer Lerngruppe, sie erkennen ihre Fähigkeiten und werden somit auch zu Helfern
• dadurch wächst das Selbstbewusstsein und die Lernfreude Gründe für jüngere Kinder
• sehen, was auf sie zukommt
• erleben schon früh Wettbewerbe, . . .
• haben große Beschützer, Helfer, Freunde für die älteren Schüler:
• sie fühlen sich groß und übernehmen gern Verantwortung / es wird ihnen was zugetraut
• sie können jüngeren Schülern ein Vorbild sein
• sie erklären Sachverhalte, Regeln
• helfen bei Problemen außerhalb des Unterrichts