Wir, die Abiturprüflinge im Fach Deutsch haben am Wochenende vom 04.02 einen Ausflug zum Staatstheater Braunschweig gemacht, um das abiturrelevante Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner anzuschauen.
Woyzeck – so heißt der Protagonist des Stückes. Er hat ein uneheliches Kind und muss hart für die Familie arbeiten. Unterdessen nimmt er für etwas Geld an einem medizinischen Experiment teil, das seiner Psyche schadet und ihn in den Wahnsinn treibt. Als er von der Affäre seiner Partnerin Marie mit einem Mann, der sozial höhergestellt ist, erfährt, bringt er sie aus Eifersucht und Wahnsinn um.
Obwohl das Werk 1836 entstanden ist, ist es heute noch ein hochmodernes, gesellschaftskritisches und beliebtes Werk, das die Ausbeutung der ärmsten Menschen in der Gesellschaft darstellt, was immer noch aktuell ist, wie Textilfabriken mit Kinderarbeit oder Kakaoplantagen in Afrika, wo die Arbeiter wenig Lohn für körperlich belastende Arbeit bekommen.
Das Stück hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, wie in dieser Interpretation des Staatstheaters Braunschweig, die das Stück überraschend auslegt:
Schauplatz ist ein Schlachthaus – eine Anspielung auf die Firma Tönnies, die 2020 Gastarbeiter unter schlechten und gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten ließ, was dazu führte, dass sich die gesamte Belegschaft mit COVID-19 infizierte.
In diesem Schlachthaus verdeutlichen die Schauspieler und die Produktion im Zusammenspiel mit Liedern von Tom Waits die Abgründe von Woyzecks Wirklichkeit und Wahnsinn. In einem Lied heißt es „Misery is the river of the world“, was die Lage Woyzecks und der gesamten Unterschicht unterstreicht.
Die Schönheit in diesem doch so grausamen Stück findet sich in der kunstvollen und bildhaften Umsetzung, die Einblicke in Woyzecks Psyche geben, die immer mehr zusammenfällt. Dies wird dargestellt durch eine große mechanische Wand im Hintergrund des Bühnenbilds, die sich langsam und zunächst unbemerkt nach vorne bewegt und den Platz auf der Bühne immer enger erden lässt. Das ist sinnbildlich für Woyzecks zunehmende Unterdrückung und die vermehrte Schikane durch seine Vorgesetzten, aber auch für seinen größer werdenden Wahnsinn. Das alles zusammen lässt ihm – wie diese Wand auf der Bühne – wenig Spielraum, um einen Ausweg zu finden, sodass er Marie schließlich aus Eifersucht umbringt.
Als Gesamteindruck bleibt ein schauriges und beunruhigendes Gefühl beim Zuschauer, der währenddessen Mitleid für Woyzeck, den Ausgestoßen, den Außenseiter entwickelt.
Ein großes Lob geht an das Zusammenspiel der Sinneseindrücke, das durch das Heimorchester, die Produktion, die Effekte, die tänzerischen und gesanglichen Leistungen erzeugt wurden, sodass man als Zuschauer gespannt an das Stück gefesselt wird, wobei der Schauer der Aktualität und der Gegenwärtigkeit dessen einen immer noch nicht loslässt. Die Gesellschaftskritik wird insgesamt prägnant und überzeugend auf den Punkt gebracht.
Nach der Theatervorführung wurde uns eine nächtliche Stadtführung angeboten, in der wir die Altstadt Braunschweigs bewundern durften. Zu der Stadtführung wurden uns viele spannende und überraschende Fakten über Braunschweig und die Erfindungen von dort vorgestellt, wie zum Beispiel der gelbe Tennisball, das Trikotsponsoring sowie das Kleidungsgeschäft „New Yorker“, das tatsächlich nicht aus New York kommt.
Besonders auffällig waren die vielen Symbole von Löwen in den Gebäuden und einige Steine im Boden mit einer Narrenkappe, die sinnbildlich für Till Eulenspiegel steht, da Braunschweig zum einen als Löwenstadt und zum anderen aber auch als Stadt von Till Eulenspiegel bekannt ist. Nach dem langen Tag und der überwältigenden Vorstellung haben wir uns in die Jugendherberge zurückgezogen und sind am nächsten Tag um 14.00 Uhr wieder in Haren angekommen.
Isabelle Schollas und Lisa Brehm