Kinder durch digitalen Verzicht stärken

Psychologe referiert in Haren und gibt Eltern Tipps zum Umgang mit Medien

Von Gerd Mecklenborg

Haren Der Schulverbund Haren hat für Eltern und Pädagogen einen Vortrag zum Thema „Kindererziehung heute – eine Herausforderung“ veranstaltet. Facharzt und Referent Dr. Peter Tülp aus Papenburg forderte dabei „mehr digitalen Verzicht“, um Kinder und Jugendliche zu stärken.

Gut besucht war die Veranstaltung im Forum des Harener Schulzentrums, in der es um die Förderung der sozialen Kompetenz von Kindern ging. Große Themen bei Kindererziehung heute seien ADHS, eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, Zwangserkrankungen, Depressionen, Ängste und soziale Auffälligkeiten wie Aggressionen, sagte Peter Tülp, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychotherapie, in der Einleitung seines manuskriptlosen Vortrags in Gesprächsform mit den Zuhörern. „Das alles nimmt immer weiter zu“, so Tülp, der „radikal“ die Meinung vertrat, „dass viel davon durch die digitalen Medien verstärkt wird oder entsteht“.

Gleichwohl sei er kein „Medienverachter“, stellte der Kinderpsychotherapeut klar. Um die genannten Auffälligkeiten zu vermeiden und zu therapieren, sehe er aber einen wesentlichen Ansatz darin, „den Umgang der Kinder mit digitalen Medien zu analysieren, zu kontrollieren und zu verbessern“. Das gelte besonders bei der Förderung von sozialer und emotionaler Kompetenz. „Wir müssen unseren Kindern soziale Normen vermitteln, denn das macht die digitale Welt nun mal so gut wie gar nicht. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind da ganz eindeutig.“ Tülp appellierte dabei an die Vorbildfunktion der Eltern, die nach seiner Meinung „sich viel zu viel, auch in Gegenwart ihrer Kinder, mit dem Smartphone oder Tablet beschäftigen“.

Alte Spiele entdecken

Lebhaft referierte Peter Tülp im Forum des Harener Schulzentrums. Foto: Gerd Mecklenborg

Medienkonsum sei die Bildschirmzeit an einem Tag insgesamt. Und diese solle laut wissenschaftlichen Erkenntnissen für Kinder unter drei Jahren null Stunden, für Kinder unter zwölf nicht mehr als eineinhalb Stunden und für Kinder ab zwölf Jahren nicht mehr als drei Stunden am Tag betragen, erfuhren die Zuhörer. So könne man „auch krassen Fällen von psychischen und körperlichen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen vorbeugend entgegenwirken“. Digitale Überdosierung fördere Aggressivität, Egoismus „und sexuelle Fehlentwicklungen, da viele Kids heute nur noch per Internet ,aufgeklärt‘ werden“, so der Therapeut. Tülp empfahl den Eltern: „Spielt wieder öfter die alten Spiele aus den alten Spielesammlungen mit euren Kindern.“ Diese förderten die Feinmotorik, „aber auch die soziale Kompetenz“.

Aus Reihen der Eltern hörte der Facharzt allerdings auch Einwände wie: „Aber alle hängen doch am Handy, das ist der Lauf der Zeit.“ Ein Vater bemerkte leise: „Der Doktor ist aber schon ein überzeugter Digitalskeptiker.“ Dosierter Medienkonsum könne „natürlich auch Vorteile haben, ist auch definitiv ein Aspekt von Kindererziehung heute. Aber man muss nicht immer alles machen, was alle machen“, empfahl der Referent.

aus: Meppener Tagespost, Ausgabe 14.02.2020, S. 14