Abi – und dann? Unterschiedliche junge Menschen, unterschiedliche Wege nach dem Abitur. 

KGS Schwarmstedt; Autorin: Julia

Jeder, der Abitur macht, fragt sich zu einem gewissen Zeitpunkt, was eigentlich danach kommt. Manche fragen sich das früher, andere später. Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, weil es sehr viele individuelle Möglichkeiten und auch Interessen gibt, die einen dabei leiten. Die Hauptrichtungen, von denen man oft hört, sind ein Studium, ein Auslandsjahr und ein freiwilliges soziales Jahr. Aber was heißt das eigentlich? Wie kommt man im Ausland zurecht? Wie finanziert man sich ein Studium? Wie sieht der Alltag in einem freiwilligen sozialen Jahr aus?

Diese drei Möglichkeiten sind natürlich nur Wegweiser, die nach einigen Wegkreuzungen in ganz verschiedene Richtungen führen können. Um dir einen Einblick in ein paar dieser Richtungen zu bieten, habe ich ein Interview mit drei Freunden von mir geführt.

Ab ins Ausland!

1. Wer bist du?

Ich heiße Malin und bin 20 Jahre alt.

2. Was für ein Abitur hast du gemacht?

Ich habe die allgemeine Hochschulreife in einem musisch-künstlerischen Profil gemacht. Meine Leistungskurse waren Kunst, Deutsch und Biologie. Ich hatte einen Schnitt von 2,5.

3. Was machst du nach dem Abitur?

Ich habe mich nach dem Abi dazu entschieden, für ein Jahr ins Ausland zu gehen und bin jetzt ein halbes Jahr in Australien und danach noch ein halbes Jahr in Neuseeland.

4. Wie sieht dein Alltag aus? Was kommt auf einen zu?

Mein Alltag sieht immer unterschiedlich aus, weil man immer Phasen hat, in denen man nur am Reisen ist und welche, in denen man nur am Arbeiten ist. Hier kommt sehr viel Spontanität auf einen zu, weil viele Vorstellungen meistens nicht so aufgehen wie erwartet und man seine Pläne immer anpassen muss. Außerdem kommt sehr viel Selbstständigkeit und Unabhängigkeit auf einen zu, weil man ein ganz neues Leben führt, das man organisieren und strukturieren muss, wie zum Beispiel eine Unterkunft, Lebensmittel, eine Arbeit, aber auch das Reisen muss man planen. Zudem muss man in jeder Lebenssituation die meisten Entscheidungen alleine treffen, weil man letzten Endes voll und ganz auf sich alleine gestellt ist, was aber eine wirklich gute Erfahrung ist.

5. Wie bist du dazu gekommen?

Ich hab viele Videos darüber auf TikTok und Instagram gesehen und wollte nach meinem Abitur nicht direkt vom Lernen ins Lernen übergehen, sondern erstmal was von der Welt sehen.

6. Wie finanzierst du das?

Ich habe während der Oberstufe einen Minijob gemacht und nach dem Abitur nochmal 2 Monate gearbeitet. Da habe ich dann ein bisschen Geld angespart, um mir den Flug und die ersten Unterkünfte zu finanzieren. Wenn man dann in Australien ist, kann man theoretisch direkt anfangen, selber Geld zu verdienen.

7. Was gibt es für Alternativen?

Alternativ zu dem Auslandsjahr kann man auch gut für einen kürzeren Zeitraum Reisen und das Arbeiten weglassen. Dabei sieht man wahrscheinlich genauso viel, wie in einem ganzen Jahr. Aber in einem ganzen Jahr sammelt man viel mehr Eindrücke der Gesellschaft und des Lebensstils und hat einen Arbeitsalltag.

8. Was möchtest du danach machen?

Nach meinem Auslandsjahr möchte ich erstmal ein bisschen Teilzeit-Arbeiten und danach nochmal für ein paar Monate reisen. Danach würde ich dann gerne ein Studium anfangen, weiß aber noch nicht welches. Ich finde aber, dass was das angeht auch viel zu viel Druck gemacht wird. Man hat mit 20 Jahren noch so viel vom Leben vor sich. Ich nutze lieber meine jungen Jahre, um zu reisen und die Welt zu entdecken, als direkt ins Studium oder Arbeit zu starten, dafür habe ich nachher noch genug Zeit.

9. Wie gefällt es dir bisher?

Es gefällt mir wirklich extrem und ich kann es nur weiterempfehlen. Man entwickelt sich in seiner Persönlichkeit weiter und lernt sich selbst viel mehr kennen. Man lernt, mit den verschiedensten Situationen umzugehen, für sich selbst zu sorgen und das Leben und die Natur viel mehr wertzuschätzen. Außerdem lernt man die tollsten Menschen kennen, mit denen man wunderschöne Orte sieht. Man reist zusammen, arbeitet zusammen und erlebt das Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit.


Freiwilliges soziales Jahr beim Radio

1. Wer bist du?

Ich bin Jakob und 20 Jahre alt.

2. Was für ein Abitur hast du gemacht?

Ich habe ein sprachliches Profil gewählt, mit Spanisch, Deutsch und Geschichte als Leistungskurse. Am Ende habe ich einen Schnitt von 1,2 erreicht.

3. Was machst du nach dem Abitur?

Zur Zeit der Abiturprüfungen und auch danach habe ich gearbeitet, um mir etwas dazuzuverdienen. Das war ganz gut, um die freie Zeit zu nutzen und auf andere Gedanken zu kommen. Nach dem Abi habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei einem Bürgerradio angefangen.

4. Wie sieht dein Alltag aus? Was kommt auf einen zu?

Der Alltag ist schon anders als noch zur Schulzeit. Als ich zur Schule gegangen bin, war jeder Tag ein Stück weit vom Unterricht und danach von Hausaufgaben, lernen und vorbereiten auf die nächsten Stunden vorherbestimmt. Jetzt arbeite ich in einer 40-Stunden-Woche, also im Schnitt acht Stunden am Tag. Dadurch bin ich manchmal zwar länger weg als zu Schulzeiten, aber ich habe die Zeit danach frei. Das ist gerade gut, wenn ich nach einem Tag mit Terminen, Interviews und Arbeit im Büro nachhause komme. Aber natürlich ist das nicht nur freie Zeit, nach der Schule kommt, denke ich auch mehr Verantwortung auf einen zu, man muss sich um mehr Sachen kümmern und verschiedene Dinge im Blick behalten. So ist es bei mir gerade die berufliche Zukunft, das heißt ich bewerbe mich demnächst auf einen Studienplatz und muss das vorbereiten.

5. Wie bist du dazu gekommen?

Ich habe in meiner Schulzeit schon immer gerne Texte geschrieben, recherchiert und mich mit Themen auseinandergesetzt. In der 9. Klasse habe ich dann ein Praktikum bei einer Lokalzeitung gemacht und dort anschließend für ein Jahr als freier Mitarbeiter gearbeitet. 2021 in den Osterferien habe ich dann ein freiwilliges Praktikum in der Medienabteilung von Borussia Mönchengladbach gemacht. Das war für mich eine Win-win-Situation, neue Erfahrungen im Bereich Medien bei meinem Lieblingsverein zu sammeln. Über die Zeit wurde ich also bestätigt, dass mir der Bereich Medien gut gefällt und so entstand nach und nach der Gedanke, dass ich gerne Journalismus studieren würde. Ich habe mich dann also bei einem Hochschulinformationstag über den Studiengang informiert, um in meiner Entscheidung weiter sicher zu sein und zu sehen, was es dafür braucht. Das FSJ beim Radio hat nun aber mehrere Nutzen: Einerseits kann ich damit vor dem Studium nochmal einen neuen Bereich in den Medien kennenlernen, mich in dem Studiengang bestätigen und sollte ich in dem Bereich arbeiten weitere praktische Erfahrungen sammeln. Andererseits ist es gut, dass ich so nach dem ganzen Lernen und den Prüfungen ein Jahr Abstand habe, mich nebenbei orientieren kann und Zeit für mich und andere Dinge habe.

6. Wie finanzierst du das?

Ich habe davor bereits immer wieder in Minijobs gearbeitet und ein bisschen Geld gespart und bekomme beim FSJ immerhin auch eine Aufwandsentschädigung im Monat. Allerdings habe ich neben dem Führerschein gerade auch keine festen Ausgaben und wohne noch zuhause, dadurch lässt sich das alles so finanzieren. Wenn ich studiere, will ich dann aber auch wieder nebenbei arbeiten, um mir Studiengebühren und evtl. Miete für eine Wohnung leisten zu können. Da bemühe ich mich aber such noch um ein Stipendium.

7. Was gibt es für Alternativen?

Für mich wäre die Alternative wohl der direkte Einstieg in das Studium gewesen. Aber da ich in meiner Wahl noch nicht ganz sicher war und erstmal etwas Abstand vom Lernen haben wollte, fiel die Wahl auf das FSJ. Ein Jahr im Ausland fand ich zwar interessant, gerade weil ich mich für Sprachen interessiere, aber der Gedanke, ein Jahr von Freunden und Familie weg zu sein, sprach einfach dagegen.

8. Was möchtest du danach machen?

Nach meinem FSJ gibt es im Bereich Medien auch die Möglichkeit ein Volontariat zu machen, also eine Art journalistische Ausbildung, und darüber in das Arbeitsfeld zu gelangen. Aber ich denke, mit einem Studium habe ich später nochmal eine andere Qualifikation und kann mehrere Grundlagen erlernen. Also werde ich danach wohl studieren und so wie es aussieht in die Richtung Journalismus. Natürlich lerne ich beim Radio und durch Recherche nebenbei oder im Gespräch mit anderen Menschen viele weitere Wege und Möglichkeiten kennen, weshalb ich die finale Entscheidung noch treffen muss – aber bisher bin ich erstmal zufrieden eine Perspektive zu haben.

9. Wie gefällt es dir bisher?

Kurzum gesagt – es macht mir sehr viel Spaß. Die Arbeit beim Radio ist interessant und ich finde den Kontakt mit den verschiedensten Leuten zu ganz unterschiedlichen Themen sehr gut. Ich glaube, ich kann in meiner FSJ Zeit viel lernen und daraus mitnehmen. Ein Punkt ist allerdings auch die Arbeitszeit. Manchmal geht es über die 8 Stunden am Tag hinaus und damit auch über die eigentliche Arbeitszeit in der Woche. Doch auch das ist eine Erfahrung für mich und ich schaue, wie ich das verhindern bzw. ausgleichen kann, um nebenbei immer noch genug Zeit für mich und anderes zu haben. Denn das ist wie gesagt das, was ich am FSJ und der Zeit gerade am meisten schätze: Dass ich endlich wieder Zeit für Dinge habe, die vorher zu kurz kamen oder die gar nicht so richtig in den Alltag gepasst haben.

Direkt ins Studium

1. Wer bist du?

Mein Name ist Luca, ich bin 20 Jahre alt.

2. Was für ein Abitur hast du gemacht?

Ich habe ein gesellschaftswissenschaftliches Abitur gemacht. Meine Leistungskurse waren Geschichte, Deutsch und Erdkunde. Mein schriftliches Prüfungsfach Mathematik und als P5 (mündlich) hatte ich Englisch. Mein Notendurchschnitt war 3,1. Im Nachhinein kann ich sagen, dass das sprachliche Profil für mich besser gewesen wäre, da ich in Französisch eigentlich ziemlich gut war. Erdkunde war nicht so meins. Also achtet bei der Wahl nicht nur auf eure Noten, sondern vor allem darauf, was euch Spaß macht, ich denke, das macht das Lernen sehr viel einfacher!

3. Was machst du nach dem Abitur?

Nach dem Abitur habe ich direkt im Wintersemester mein Studium angefangen. Ich hatte immer Interesse am wirtschaftlichen, kaufmännischen Bereich und Mathematik macht mir extrem viel Spaß. Trotz der Gängeleien meiner Familie studiere ich jetzt BWL.

4. Wie sieht dein Alltag aus?

Mein Alltag ist soweit ziemlich entspannt. Das heißt, bis jetzt habe ich noch keine Zeitprobleme. Einen Job und Sport bekommt man unter einen Hut. In der Regel geht ein Semester 15 Wochen, bei mir hat man durchschnittlich 3 Stunden pro Tag Vorlesung und Übung. Der Workload in den 15 Wochen sind 900 Stunden ausgeschrieben, was rund 9 Stunden pro Tag sind, also 6 Stunden zusätzliches lernen. Peter Drucker hatte einmal stark paraphrasiert gesagt: „Effizienz bedeutet die richtigen Sachen zu machen, Effektivität bedeutet die Sachen richtigzumachen.“. Was ich damit sagen möchte ist: Wenn man effektiv arbeitet, braucht man nicht unbedingt 6 Stunden. Wenn die richtige Motivation dahintersteckt, lernt es sich zum einen einfacher und zum anderen auch schneller. Während des Studiums stehen einem alle Türen offen, es ist nur wichtig etwas zu tun. Man kann sein Studium auch in 1 1/2 Jahren, statt in 3 Jahren abschließen. Dann muss man nur deutlich mehr lernen und sich für mehr Prüfungen anmelden, aber wenn dein Herz dafür schlägt, sollte das möglich sein.

5. Wie bist du dazu gekommen?

Wie gesagt, an Wirtschaft hatte ich immer Interesse. Ich sehe mein Studium als Grundlage für weitere Spezialisierung. Besonders gut gefällt mir zu der Mathematik zum Beispiel auch Wirtschaftsprivatrecht. Über die Semester wird das Studium ja immer individueller und man wählt bestimmte Fächer. Deswegen ist BWL auch nicht gleich BWL, sondern jedes Studium kann individuell sein. Das gilt natürlich auch für andere Studiengänge. Ich bin wahrscheinlich nicht der beste Studienberater, aber ich wünsche mir für jeden, der ein Studium anfängt, dass die Person es aus eigener Überzeugung macht und nicht weil sie zuhause dafür dreimal in die Luft geworfen wird.

6. Wie finanzierst du das?

Ich wohne in einer Studentenwohnung (27qm, alle Nebenkosten inkl. 440 €). Ich finanziere es durch Unterhalt, Kindergeld, Bafög und meinen Job auf dem Wochenmarkt.

7. Was gibt es für Alternativen?

Eine Alternative für mich wäre eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich gewesen. In Ausbildungsberufen verdient man teilweise mehr Geld. Normal zu arbeiten kann einem Erfahrung geben, welche einen zu einem Gründer machen kann. Ein eigenes Unternehmen gründen oder als Freelancer zu agieren, können auch ein sehr gutes Mittel sein, jedoch sollte man einen Notfallplan haben. Für ein Studium habe ich mich aber entschieden, weil ich nicht spezialisiert mit einer Ausbildung starten wollte, sondern Semester für Semester herausfinden wollte, was mir am meisten Spaß macht.

8. Was möchtest du danach machen?

Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich mein Studium vielleicht sogar im Ausland weitermache. Ich möchte unbedingt nach Ungarn. Ich finde die Wirtschaft dort sehr interessant und würde gerne in einem ungarischen Unternehmen arbeiten. Ich kann zwar noch kein Ungarisch, aber in Ungarn gibt es auch Universitäten, die auf Deutsch lehren. Bis jetzt sieht es aber so aus, dass ich mein Studium erstmal in Deutschland beende und dann nach Ungarn ziehe.

9. Wie gefällt es dir bisher?

Es ist schön, in ein neues Umfeld zu kommen. Ich habe sehr viele interessante Menschen kennengelernt und mich sehr weiterentwickelt. Alle meine neuen Bekannten sind „like-minded-people“, welche keine Drogen nehmen oder jeden Tag zu Studentenpartys gehen. Damit will ich nicht sagen, dass Studentenpartys schlecht sind, man muss nur darauf achten auf welche man geht.

Das sind drei tolle Wege, oder? Malin hat recht damit, dass es stressig sein kann sich zu entscheiden. Als junger Mensch fühlt man sich unter Druck gesetzt, die richtige Entscheidung zu treffen. Ich denke, wenn man mal eine Entscheidung trifft, die einen nicht zufriedenstellt, ist das aber gar nicht schlimm, denn beim nächsten Wegweiser kann man mit dieser Erfahrung ja einfach einen anderen Weg wählen.

Wichtig ist mir, dass du gemerkt hast, was meine ausgewählten Experten für eine Leidenschaft in ihrem Bereich haben. Es mag schwierig sein seine persönliche Leidenschaft herauszufinden, aber ich denke, dass man sich dafür einfach Zeit nehmen muss. Wenn man einen Tag darüber nachdenkt, was man wirklich mag und was man der Welt beitragen möchte, bekommt man wahrscheinlich eine Idee. Und wenn es eine Woche dauert, in der man jeden Tag darüber nachdenkt oder einen Monat, ist es die Zeit meiner Meinung nach auf jeden Fall wert.

Und wie gesagt, es gibt immer noch Wegweiser, also hab keine Angst etwas auszuprobieren. Die Hauptsache ist, dass du findest, was dir Spaß macht. Deine Leidenschaft ist eine Bereicherung für die Welt.

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