Reihe “Medien in der Krise”: Klassischer Journalismus – Heute nur noch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?
Früher war es für einen Großteil der Bevölkerung in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, Gang und Gebe regelmäßig die Zeitung zu konsumieren. Doch mit der zunehmenden Digitalisierung sinkt heute die Bereitschaft eine gedruckte Zeitung zu lesen. Es ist also fraglich, ob die Zeitung, wie unsere Eltern und Großeltern sie kennen, in Zukunft noch als solche existieren wird und welchen Platz diese in unserer Gesellschaft einnehmen wird.
Ein Essay von AMELIE SATTLER, 13. Jahrgang
Die Zeitung soll Aufgaben erfüllen. Aufgaben, welche Journalisten jedoch nur noch sehr selten als Basis für eine Arbeitsweise nehmen, wie sie von vielen Bürgern gefordert wird. Sie soll ihnen helfen, sich eine Meinung bilden zu können. Sie soll ein Mittler sein zwischen Politik und Volk. Einen demokratischen Grundsatz bestärken: die Pressefreiheit. Darüber hinaus soll sie gleichzeitig ein Kontrollapparat sein, um politische Abläufe zu prüfen.
Das Problem an alledem? Heutzutage übernimmt ein anderer Bereich diese Aufgaben und zwar das Internet. Vor allem für die Jugendlichen bietet sich somit eine Möglichkeit, sich schnell und kostenlos über die News auf der ganzen Welt zu informieren. Die Onlinenutzung von Jugendlichen hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, wie die JIM- Studie aus dem Jahr 2018 zeigt, welche die Mediennutzung von Jugendlichen untersucht. Diese stellt einen enormen Konkurrenten zu der klassischen Zeitung dar, denn sie bietet eine immer größere Reichweite und auch die Möglichkeit, kostenlos Dinge zu veröffentlichen. Der immense Vorteil dabei? Es ist jeder einzelnen Person mit einem digitalen Endgerät möglich, selbst Artikel und News zu veröffentlichen. Doch was zunächst nach einer Zusammenarbeit der ganzen Bevölkerung klingt, mit der sich wichtige Informationen über die aktuellsten Ereignisse noch schneller verbreiten können als zuvor, stellt sich laut einigen Medienwissenschaftlern als Problem heraus. So kritisiert Prof. Dr. Bernhard Pörksen, dass durch die Chance etwas zu veröffentlichen und Inhalte an ein vielfältiges Publikum zu kommunizieren auch die Gefahr bestünde, dass immer häufiger Fake News verbreitet werden, da die Inhalte selten oder gar nicht geprüft werden. Eben diese Fake News sind es dann, die auf den klassischen Journalismus zurückfallen und nicht nur in gedruckten Zeitungen, sondern auch auf deren Internetplattformen für ein schlechtes Licht sorgen. Dadurch steigt der Vertrauensverlust, denn sobald diese eigentlich meist seriösen Zeitungen nun wieder etwas veröffentlichen, wird dies sofort kritisch beäugt und es wird nach Fehlern gesucht, wie nach der Nadel im Heuhaufen. Es folgt also eine Generalisierung des Eindrucks, den man möglicherweise auf eine Zeitung oder einen Artikel hat, auf alle anderen Quellen. Die Autorität des klassischen Journalismus schwinde, die Lügenpresse-Vorwürfe würden lauter, so Pörksen. Ein Grund für den Vertrauensverlust in den Journalismus stellt also vor allem die steigende Nutzung des Internets als eine Erweiterung der Informationsverbreitung dar.
Doch bei diesen Ursachen bleibt es nicht. In meinem Jahrgang haben wir uns ebenfalls mit dieser Thematik befasst. Zusätzlich zu dem bereits genannten Grund für einen zunehmenden Vertrauensverlust in die Medien fanden wir gemeinsam Ursachen in den folgenden Bereichen: Neben dem Fakt, dass im Internet jeder veröffentlichen kann, was er will, bleibt es für den Leser häufig undurchsichtig, wer der Autor von den Informationen ist. Somit bleibt es dem Leser verwehrt, eventuell Rückschlüsse auf die Qualifikationen des Autors für das Schreiben des jeweiligen Artikels ziehen zu können. Recht gleich sieht es auch mit der Transparenz über Quellen aus. Auch darüber erhält man als Leser nur kaum bis nie Aufschluss. Doch diese Transparenz wird gefordert und zwar nicht nur von einem kleinen, unbedeutenden Bürger, sondern von der ganzen Leserschaft. Auch das sogenannte Fact-Checking, welches ebenfalls in größeren Zeitungsverlagen durchgeführt werden sollte, um Fehler zu verhindern, wird nur selten durchgeführt. Darüber hinaus zeigt sich allerdings ebenfalls, dass die Rolle des Elternhauses, sowie die soziale Umgebung einer Person eine wichtige Bedeutung für das Vertrauen in ein Medium hat. Uns ist dabei zum Beispiel aufgefallen, dass, wenn man früher häufig in der Schule gesagt bekommen hat, Wikipedia sei eine eher unseriöse Seite, dieser Blick auf die Quelle meist bestehen geblieben ist. Das Argument vieler Lehrer dabei: “Da kann doch im Grunde jeder reinschreiben, was er möchte.” Stimmt. Aber wer hier reinschreibt, muss sich an bestimmte Regeln halten. Zudem erkennen wir gute Artikel zum Beispiel an der Versionsgeschichte, in der alle Veränderungen des Textes dargestellt sind. Greta Friedrich, Autorin bei MADS.de, betont aber, dass wir dennoch nicht daraus zitieren sollten, da die Seite nur eine Sammlung von Informationen und Zitaten aus unterschiedlichen Quellen sei. Die Seite könne aber helfen, Primärquellen zu finden, um aus ihnen später zu zitieren. Es ist demnach auch nicht zwingend notwendig selbst schlechte Erfahrungen mit bestimmten Medien gemacht zu haben, da häufig äußere Einflüsse das Vertrauen bedingen. Ich bin mir sicher, dass auch ihr, liebe Leserinnen und Leser, bei ein wenig Nachdenken zu weiteren Gründen kommen könnt. Diese Ursachen sind aber nicht nur auf gedruckte Zeitungen, sondern auch auf digitale Medien anzuwenden. Es zeigt sich also ein nicht nur sinkendes Vertrauen in gedruckte Zeitungen, sondern auch in Internetplattformen wie Instagram, Facebook und Twitter.
Wie also kommt man trotzdem zu dem Schluss, dass die modernen Medien heutzutage den klassischen Journalismus erweitern oder gar ganz ersetzen könnten? Dazu müssen wir zurück zum Anfang und zu den Funktionen des Journalismus. Wir leben in einer Demokratie und das bedeutet, dass wir mitentscheiden können. Genau das ist in Deutschland eines unserer höchsten Güter und dieses findet sich in der Umsetzung auch im Journalismus wieder. Wir haben Pressefreiheit. Jeder darf somit, zumindest in der Theorie, erstmal über alles schreiben, wobei man eingrenzen muss, dass sich Journalisten an den Pressekodex halten müssen. Mit diesem soll es möglich werden, Beschwerden bei einem Artikel beispielsweise in Bezug auf Achtung der Menschenwürde, Sorgfalt und Diskriminierung besser einordnen zu können. Die 16 sogenannten „Ziffern“ des Pressekodexes können also schon dabei helfen, mögliche Verstöße in der journalistischen Arbeit zu unterbinden. Journalisten sollen informieren, um zu gewährleisten, dass die Bevölkerung sich eine eigene Meinung bilden kann. Hierzu ist es allerdings äußerst wichtig, dass nicht nur aus einer Perspektive berichtet wird, sondern auch die unschönen Nachrichten Gehör finden können. An dieser Stelle greift auch die Kritik des Medienwissenschaftlers Michael Haller. Er fordert auch „unbequeme Nachrichten, Gegenpositionen und abweichende Auffassungen“ im Journalismus abzubilden und er zeigt auf, dass dafür eine intensivere Recherche notwendig sei. Man solle nicht reden, stattdessen vielmehr recherchieren, hinter den Vorhang der parlamentarischen Gesellschaft schauen, so Haller. Eine beinahe detektivische Arbeit wird gefordert, um die Funktionen des Journalismus auch erfüllen zu können. Denn was nützt uns Bürgern eine scheinschöne Politik, die so aber gar nicht existiert? Um sich in der Gesellschaft und in der Politik engagieren zu können, muss man über alles informiert werden. Alles, ohne Ausnahmen, ohne Fake News und ohne Mitklang des Selfie-Journalismus, der ja scheinbar aktuell sehr im Trend ist. Journalisten stellen sich nämlich laut Haller zunehmend in den Fokus ihrer eigenen Artikel und sorgen somit auch für eine Minimierung der Informationsfunktion. Aber sinkt denn das Vertrauen in die etablierten Medien wirklich so stark? Im Prinzip kann man diese Frage mit „Nein“ beantworten, denn neben der JIM-Studie zeigt auch eine Umfrage des Instituts für Publizistik an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz, dass das Vertrauen in Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und deren Sendern sowi Tageszeitungen am größten ist. Im Gegensatz dazu steht das Internet. Hier zeigt sich nur wenig Vertrauen, auch wenn es die Seiten der etablierten Medien auf Facebook sind. Der Studienautor der Uni in Mainz, Marc Ziegele, meint hierzu, dass der Ruf der sozialen Medien auf die etablierten Medien in den sozialen Netzwerken abfärbe. Menschen suchen Qualitätsjournalismus, das ist verständlich. Medienwissenschaftler wie Michael Haller, Bernhard Pörksen und Jochen Hörisch sind überzeugt, dass neben Transparenz, Objektivität und Sachlichkeit auch gründliche Recherche eines Sachverhaltes sowie kritisches Hinterfragen essentiell ist, um die Qualität des Journalismus zu erhalten. Diese Qualität kann es im Prinzip sowohl im Internet als auch in Zeitungen, im Fernsehen und im Radio geben. Trotzdem scheint das größere Vertrauen, selbst bei seriösen Seiten immer zugunsten der klassischen gedruckten Medien auszufallen.
Für Bürger, die in einer Demokratie leben, ist es von höchster Bedeutung, sich bilden zu können. Dazu ist eine umfassende Informationssuche ein fundamentaler Bestandteil oder sogar die Grundvoraussetzung. Es scheint deshalb empfehlenswert, sich nicht nur ausschließlich auf eine einzelne Quelle zu fokussieren. Man sollte hingegen versuchen, sobald man die Push-Nachrichten über die aktuellsten News am Handy gelesen hat, oder zumindest die Überschrift, sich genauer mit dem Thema zu beschäftigen. Ein einfaches Weiterklicken ist heutzutage nicht mehr genug. Ein kritisches Hinterfragen andererseits scheint jedoch unsere einzige Chance, sich heute noch durch die Welt der Fake News, Lügen, Halbwahrheiten und Einseitigkeiten, in dem dicht vernetzten Dschungel unserer digitalisierten Welt hindurchzuwinden. Die journalistische Bildung ist nun wichtiger denn je. So wird von Journalisten wie Franca Quecke verlangt, dass es künftig Aufklärungskampagnen geben solle, um so der Bevölkerung das Handwerk der Journalisten näher zu bringen und somit das Vertrauen in die Medien wieder zu kräftigen. Quecke steht mit diesem Wunsch nicht alleine da, auch Pörksen träumt von der Utopie einer redaktionellen Gesellschaft, um die Kommunikation zwischen Autoren und Lesern zu ermöglichen, aber auch um Transparenz zu schaffen und um den Umgang mit Medien heutzutage besser zu erlernen. Doch egal ob Utopie oder nicht, ein Urvertrauen in die etablierten Medien bleibt und so kann sich ein großer Teil der Deutschen kaum vorstellen, ohne die Tageszeitung, Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder Sendern im Fernsehen zu leben.
Die Mischung machts. Das glauben viele und so lässt sich vermuten, dass der klassische Journalismus wohl nie ganz aus der Mode kommt, auch wenn mit der Digitalisierung die sozialen Medien einen immer höheren Wert in der Gesellschaft haben werden. Wenn man bedenkt, seit wann es Zeitungen gibt, so erkennt man, dass die Möglichkeit, sich über die sozialen Netzwerke seine Informationen zu beschaffen, noch fast in der Kinderwiege liegt, denn diese neuen Medien entstanden erst vor ca. 20 Jahren. Vielleicht ist das Vertrauen in die Welt der sozialen Netzwerke in einigen Jahrzehnten genauso hoch wie heute das Vertrauen in den klassischen Journalismus. Wer weiß das schon? Aber Vertrauen ist nicht einfach da. Es muss entstehen aus dem guten Willen, wächst mit guten Beiträgen und bleibt mit der Stetigkeit der Qualität. Das Wissen der Welt ist nicht mehr länger nur aus den Zeitungen zu filtern und darüber können wir uns glücklich schätzen.
Wir haben nicht mehr nur noch eine Quelle, sondern weitaus mehr. Dabei ist die Chance jeden Artikels ein qualitativ hochwertiger zu sein abhängig vom Fleiß der Journalisten und nicht, ob er im Internet steht oder in der gedruckten Zeitung. Jeder Journalist ist wichtig, wenn er sich an seine Aufgaben, Regeln und Funktionen hält und die Arbeit eines Zeitungsjournalisten ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, sondern eine Grundlage unserer Demokratie, die Pressefreiheit.