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Die Seminarcharta

Lernen im Vorbereitungsdienst ist vorrangig geprägt durch:

 Erweiterung des Lernens

Das Lernen in der Hochschule folgt weitgehend Spuren, die zu objektivierbaren Erkenntnissen in den Fachwissenschaften führen. Im Vorbereitungsdienst wird eine Erweiterung und ein Paradigmenwechsel notwendig: Die wissenschaftsorientierte, objektivistische Weltbetrachtung wird in Richtung eines wahrnehmenden Auffassens komplexer pädagogischer Prozesse und deren subjektive gedankliche und emotionale Verarbeitung erweitert. Mit der Vergegenwärtigung und der analytischen Verfolgung eigener Entwicklungsspuren, die in der Lebensgeschichte und in ersten selbständigen pädagogischen Schritten geformt wurden, vollziehen sich Selbstreflexionen. Darin können eigene Stärken und Schwächen erkannt werden, die zur Formulierung von selbstgesteuerten Entwicklungsaufgaben führen.

In einer Bildung, die nie “aus“ ist im Sinne von Ausbildung, sind auch die Seminar- und Fachleiter nicht allein als Lernhelfer, sondern auch als Vorbilder gefragt. Sie sollten ihr Suchen, ihre Entwicklungsaufgaben erkennen lassen. Wenn ein solches durch Kooperation geprägtes Lernen im Vorbereitungsdienst erfahrbar wird, bestehen gute Möglichkeiten der Übertragbarkeit auf das Schüler – Lehrerverhältnis im Unterrichtsalltag. Lernen in Kooperation meint nicht, dass unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Erfahrungswissen zu leugnen sind, sondern dass gerade durch die Verschiedenheiten das Lernen und Lehren optimiert werden kann.

Erkennen, Aushalten und Ausbalancieren von Ambivalenzen

Ambivalenzen im Vorbereitungsdienst ergeben sich

• aus der Situation, gleichzeitig Lehrender und Lernender und gleichermaßen Beurteilender und Beurteilter zu sein

• aus der Verantwortung für eigene Bildungsprozesse und die der Schülerinnen und Schüler

• aus der Notwendigkeit, pragmatische Lösungen und Haltungen zur Ausführung eigenverantwortlichen Unterrichts möglichst schnell zu finden, ohne sich dabei forschenden, visionären, verunsichernden Versuchen gegenüber zu verschließen

• aus der Aufgabe, sich in eine jeweils vorgegebene Schulatmosphäre einzufügen und sich gleichzeitig in die gegenwärtige Umgestaltung von Schule mitgestaltend einzubringen

• aus der Seminarentwicklung, in welcher trotz der angestrebten Qualifikation zur Findung selbstbestimmter Entwicklungsaufgaben, Teilwidersprüche durch fremdbestimmte Anforderungen nicht auszuschließen sind

• aus dem Unterschied zwischen Planung von Unterricht und deren Anwendung. Denn über alle vorausdenkenden theoretischen Konstruktionen hinaus ist Unterricht ein Ereignis, welches im Geschehen seine Eigendynamiken entwickelt.

 

Grundsätze

Im Mittelpunkt aller Hilfen beim Lernen am Studienseminar Hannover II steht die Sicherung und Verbesserung der Qualität von Unterricht und Erziehung an den Schulen. Entsprechend ist die Vermittlung von pädagogischer, didaktischer und methodischer Kompetenz eine für die Schülerinnen und Schüler zu erbringende Dienstleistung.

Ausbildung am Seminar ist Erwachsenenbildung. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn die Ausbildenden und Auszubildenden sich in ihrer Identität akzeptieren und respektieren. Das schließt z.B. „Meisterlehre“ aus. Erwachsenenbildung schließt nicht aus, Auszubildende zum Experimentieren i. S. der Erweiterung des Verhaltensrepertoires zu ermuntern und sie zu selbst gesetzten Entwicklungsaufgaben aufzufordern. Das ist mit der Hoffnung verbunden, dass eine selbstbewusste und reflexive zunehmende Professionalisierung in aller Regel im Diskurs verläuft.

Lernende und Lehrende begegnen einander mit Respekt. Gegenseitige konstruktive Kritik fördert die Ehrlichkeit des Umgangs miteinander. Eine so verstandene Kritik verbietet hierarchische Konfliktlösungen.

Die Atmosphäre am Seminar ist von vertrauensvollem Umgang miteinander, durch Verlässlichkeit und Transparenz bestimmt. Dies wird in Beratungs-, aber auch in Beurteilungssituationen deutlich. Beratung orientiert sich vorwiegend an den Bedürfnissen und Entwicklungsaufgaben derjenigen, die Beratung einfordern; das schließt nicht aus, dass Ratschläge aus Erfahrungsreichtum gegeben werden und dass vor allem ernsthaft geworben wird für einen schüler- und problemorientierten Unterricht, in dem Schülerinnen und Schüler potenziell Subjekte ihres Lernens sein können.

Fachleiterinnen/Fachleiter und Seminarleitung sind offen für Kritik. Sie sind sich dessen bewusst, dass die Institution Studienseminar hierarchisch strukturiert ist und die Gefahr besteht, Autoritarismus mit Autorität zu verwechseln. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass regelmäßig Evaluationen der Seminararbeit stattfinden und dass in den paritätisch besetzten Seminarkonferenzen Probleme und Grundsätze der Ausbildung diskutiert und verbindlich geregelt werden.

Das Studienseminar Hannover II ist eingebunden in den Kreis vielfältiger Ausbildungs-einrichtungen. Seine Mitglieder halten und entwickeln Kooperationskontakte u. a. zu Universitäten und Hochschulen, anderen Ausbildungsseminaren, anderen Schulformen und Institutionen der dritten Phase der Lehrerbildung.

 

Lernsituationen und Lernorte

In allen Lernsituationen gilt es sich an bestimmten Unterrichtsprinzipien zu orientieren. Neben der Aneignung von Wissen und der Klärung der Sachebene (Primat der Didaktik) spielen im Unterricht leitende Prinzipien wie selbstbestimmtes Lernen, Ausrichtung an den Erwartungen sowie den Erfahrungen der Auszubildenden, Selbsttätigkeit, Anschaulichkeit, induktives Lernen, Problem- und Handlungsorientierung, Feedback, Metakommunikation und die Ausbildung von Vermittlungskompetenz eine zentrale Rolle. Ziel der Ausbildung ist, den Referendarinnen und Referendaren didaktische und methodische Handlungskompetenz für die Erziehung ihrer Schülerinnen und Schüler zu selbständigem Denken zu vermitteln.

Die wichtigste Aufgabe eines Lehramtsstudiums ist demnach die Ausbildung von Fachkompetenz unter dem Primat pädagogischer Kompetenz. (G.Otto)

Auch unter lernpsychologischen Gesichtspunkten sollen die Fragen der Schüler zu einem wichtigen Ausgangspunkt für das Lernen werden.

Das Lernen findet an verschiedenen Lernorten statt:

• Selbstausbildung erfolgt insbesondere im eigenverantwortlichen Unterricht. Vor dem Hintergrund des deutlich erweiterten Unterrichts in eigener Verantwortung müssen die Referendarinnen und Referendare eine stärkere Hilfestellung und Beratung erfahren.

• Ausbildungsunterricht: Hier wird der Unterricht von der jeweiligen Fachlehrerin bzw. vom Fachlehrer geleitet und begleitet. Die Lehrkräfte beraten die Referendarinnen und Referendare und ermöglichen ihnen reflektierte Praxiserfahrungen.

• Unterrichtsbesuche und besondere Unterrichtsbesuche: Für diese Stunden findet die Beratung durch die Fach- und Seminarleitung statt. Der konzeptionelle Ausgangspunkt für die Stundenbesprechungen ist die gegenseitige Bereitschaft etwas voneinander zu lernen sowie den Prozess des Lehren-Lernens konstruktiv und (selbst-)kritisch zu reflektieren. Strittige Aspekte sind in den Nachbesprechungen zwischen Auszubildenden und Ausbilderinnen bzw. Ausbildern auszuhandeln, möglichst nicht primär hierarchisch zu entscheiden. Sinnvoll ist die Anwesenheit möglichst vieler Auszubildenden in den Stundenbesprechungen, z. B. in den besonderen Unterrichtsbesuchen. Wünschenswert wäre auch die Teilnahme der Ausbilderinnen und Ausbilder an besonderen Unterrichtsbesuchen im anderen Fach der Auszubildenden.

• Fach- und Seminarsitzungen: Wie für den Unterricht gilt auch für die Seminarsitzungen, dass schulrelevante Vermittlungsformen, verschiedene Lehrmethoden sowie neuere Unterrichtsformen – z.B. Team Teaching, Gruppenarbeit, handlungsorientierte Elemente, Moderationsmethode, Freiarbeit, projektorientiertes Lernen, Unterrichtssimulationen und Microteaching – einzuüben, zu erproben und zu reflektieren sind. Dieses geschieht mit der Perspektive der unterrichtlichen Anwendung und eines zu verbessernden Schulunterrichts.

• Außerschulische Lernorte: In einer Projektphase mit gegenseitiger Unterrichtshospitation erhalten die Referendarinnen und Referendare Gelegenheit, neben der eigenen Schule auch andere Schulen bzw. Schulformen kennenzulernen. Darüber hinaus gibt es Projekte an außerschulischen Lernorten wie z.B. Museumspädagogik im Fach Geschichte oder Kooperationsprojekte mit Studierenden der Musikhochschule im Fach Musik.

 

 

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