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Das Referendariat als Entwicklungsaufgabe

Der Begriff der Entwicklungsaufgabe

In diesem Begriff ist die Idee empirisch konkretisiert worden, dass im Lebenszyklus eines Menschen, zunächst von seiner körperlichen Reifung ausgehend, dann zunehmend von der Gesellschaft bestimmt, ganz spezifische allgemeine Aufgaben an seine Entwicklung gestellt werden. Entwicklung ist nicht abgeschlossen mit der Ausformung der Fähigkeit zum formalen Denken, sie wird weiter veranlasst vor allem durch die kulturspezifischen Aufgaben einer Gesellschaft. Bestehende Lebenszusammenhänge werden von außen durch die Anforderungen der Normalbiographie problematisiert und sie erfordern eine Erneuerung bzw. Erweiterung der Identitätskonzepte im Kontext der aktuell zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben. Der Prozess der Entscheidung zu einer Familiengründung, die positive Identifikation mit dem »Gipfel« einer beruflichen Laufbahn (midlife crisis), der Übergang ins Pensionärsalter etc., all das sind nach dem Konzept »Entwicklungsaufgaben«, deren Bearbeitung darüber entscheidet, ob sich ein Subjekt nicht nur weiter handlungsfähig zeigt, sondern auch in seiner Persönlichkeit (Identität) und in seinen Handlungsmöglichkeiten (Kompetenz) entwickelt. Die Berufsentscheidung sowie die berufliche Ausbildung können als eine solche übergreifende Entwicklungsaufgabe im Sinne Havighursts definiert werden.

Was bedeutet das konkret für die Ausbildung von LehrerInnen?

Den ReferendarInnen ist zu Beginn der Ausbildung Wesentliches vom Umfang der auf sie zukommenden Aufgabe, LehrerIn zu sein, bewusst.
Würden sie sich zu Beginn der Ausbildung vornehmen, möglichst alles, was sie an Anforderungen zu erkennen glauben, sich anzueignen, um entsprechende Kompetenzen zu entwickeln, dann würden sie sich überfordern. In alles müssten sie »hineinriechen«, nirgends könnten sie Erfahrungen sammeln und so verdichten, dass es zur Entwicklung von Kompetenz kommen kann. Denn kaum hätten sie sich auf ein Problem eingelassen, würde ihnen deutlich, wie beschränkt die Aufgabendefinition ist und was alles mit der gestellten Aufgabe zusammenhängt.
Rastlos würden sie ihre Aufmerksamkeit mal diesem, mal jenem zuwenden, ohne dass sie eine Fragestellung, oder präziser: eine Entwicklungsaufgabe für ihre Ausbildung aufgebaut hätten. Erst eine solche Entwicklungsaufgabe ermöglicht ihnen, die diffuse Vielfalt der Sachverhalte sinnvoll in einem Programm für die eigene Kompetenzentfaltung und Identitätsbildung zu ordnen. Die ReferendarInnen merken etwas von der Gefahr der Verzettelung, der nicht orientierenden Anhäufung toten Wissens. Sie suchen deswegen in der Ausbildung, ihrer Struktur wie in den ihm entgegengebrachten Verhaltenserwartungen, nach Aufgabenstellungen, die ihre Aufmerksamkeit sinnvoll zentrieren können. Diese versuchten sie so zu fassen, dass sie sie nach und nach bewältigen können. Entwicklungsaufgaben helfen ihnen, Schritt für Schritt die Kompetenz aufzubauen, die sie für sich als unverzichtbar erachten und die gleichzeitig objektiv von ihnen erwartet werden. Sie identifizieren in der Ausbildung übergreifende Aufgaben für ihre Entwicklung und prüfen dabei, ob sie zu Fähigkeiten führen können, die sie in der Praxis zu zeigen haben.

Mit den Entwicklungsaufgaben strukturieren die ReferendarInnen die auf sie einströmenden Ansprüche, und sie fragen, in welcher Weise sie sie als eigene akzeptieren können. Der latente Sinn, der den Aufbau der Anforderungen der Ausbildung strukturiert, interpretiert, standardisiert und verallgemeinert die verschiedenen Erwartungen und erlaubt, sie so zu gliedern, dass die ReferendarInnen mit ihrer Deutung als Entwicklungsaufgaben Sicherheit bekommt. Sie finden sich mit der Definition von Entwicklungsaufgaben in die »Tradition« einer Lehrerausbildung ein. Vier Entwicklungsaufgaben sind es, die die Ausbildung von LehrerInnen und damit den Sozialisationsprozess überhaupt erst möglich und erklärlich machen:

Erste Entwicklungsaufgabe: Formulierung einer Strategie für Professionalisierung in der Berufspraxis
Allgemeine Lösung: »Auch wenn ich zu Beginn der Berufspraxis nicht alles kann, was ich können müsste, werde ich im Referendariat und im Beruf nicht untergehen, weil ich weiß, wie ich noch lernen kann!«

Zweite Entwicklungsaufgabe: Formulierung eines pädagogischen Konzepts der Fremdwahrnehmung
Verallgemeinerbare Lösung: »Ich finde pädagogischen Kontakt zu SchülerInnen, weil ich sie verstehen kann!«

Dritte Entwicklungsaufgabe: Formulierung eines Konzepts pädagogischen Handelns
Verallgemeinerbare Lösung: »Mein Handeln mit SchülerInnen basiert auf meiner Idee und einer objektiv sinnvollen Praxis!«

Vierte Entwicklungsaufgabe: Formulierung eines erweiterten Berufsrollenverständnisses
Verallgemeinerbare Lösung: Ich entwickle in dieser Ausbildung Identität, ein Berufsethos und Kompetenzen, die mir die Lösung weiterer Entwicklungsaufgaben in der Berufseingangsphase und in einer lebenslangen Berufstätigkeit als zu bewältigen erscheinen lassen.

 

 

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