Besuch der Gedenkstätte Kamp Westerbork/Niederlande (Jahrgang 10)

Mitte Juni war es endlich soweit: Nach einer langen Planungsphase konnte der Besuch der Gedenkstätte Kamp Westerbork endlich stattfinden. 82 Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 10 machten sich mit ihren Klassen- und GeschichtslehrerInnen Lisa Bruns, Laura Leggedör, Katrin Kleesiek-Herding, Tim Strohmeier und Stephanie Wessendorf morgens um 08:00 Uhr auf den Weg in die Niederlande und erreichten Kamp Westerbork bei angenehmen Temperaturen nach gut einer Stunde Fahrt, wo José Martin, Mitarbeiterin der Gedenkstätte, die Gruppe schon freudig erwartete. Die Gedenkstätte befindet sich etwa sieben Kilometer nördlich der Gemeinde Westerbork, wo sich in der Zeit des Nationalsozialismus das Durchgangslager Westerbork, ein KZ-Sammellager, von dem aus über 100.000 Juden sowie Sinti und Roma in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Unter diesen befanden sich auch Anne und Margot Frank, die in Bergen-Belsen gestorben sind oder auch der kleine Junge Leo Meijers, der in Auschwitz ermordet wurde und dessen ganz persönliche Spuren die Jugendlichen nachvollziehen konnten.

Das Lager Westerbork wurde bereits in der Zeit vor der deutschen Invasion eingerichtet, zunächst als ein Auffanglager für jüdische Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Den Nationalsozialisten kam dies später sehr gelegen, da sie das Lager nach der Besetzung der Niederlande samt ihren Einwohnern lediglich übernehmen und seinem neuen Zweck, den Deportationen Richtung Osten, zuführen konnten.

Der Umgang mit der deutschen Besatzungszeit und die Erinnerung an die Menschen, die deportiert und ermordet wurden, fokussiert die Gedenkstätte in ihrer Besucherinformation so:

„Das Gedächtniszentrum Camp Westerbork gibt dem historischen Ort Camp Westerbork aktiv und dynamisch Bedeutung. Es konzentriert sich auf die persönliche Geschichte: Camp Westerbork ist die Geschichte der Ermordung eines Menschen, und das 102.000 Mal: Es will innovativ sein in den Mitteln und Formen, um die Erinnerung lebendig zu halten und ihr eine aktuelle Bedeutung zu geben. Damit will sich die Gedenkstätte Camp Westerbork zu einem internationalen Wissenszentrum über die Hinterlassenschaften des Krieges, insbesondere der Judenverfolgung, entwickeln.“ https://kampwesterbork.nl/de/

Deutsche Schulen im grenznahen Raum besuchen die Gedenkstätte Westerbork als außerschulischen Lernort im Geschichtsunterricht eher selten, bisweilen ist gar nicht umfassend bekannt, welche Möglichkeiten des forschenden und entdeckenden Lernens sich insbesondere für junge Menschen an diesem Ort bieten. Im Vorfeld fanden viele Gespräche virtuell und analog vor Ort in Westerbork statt, damit die beteiligte Projektgruppe gemeinsam planen und festlegen konnte, welche Schwerpunkte und Herangehensweisen für eine Schulgruppe aus Deutschland sinnvoll und realisierbar sind, zumal viele Informationsmittel vor Ort in der Regel auf Niederländisch angeboten werden.

Wie José Martin deutlich machte, sei das Interagieren mit Schülern aus Deutschland etwas anders und auch die Geschichte, die „erzählt“ werde, sei eine andere als die für niederländische Schüler, wobei die Perspektive von Opfern und Tätern dabei eine zentrale Rolle spiele. Deutsche SchülerInnen seien in der Regel sehr gut inhaltlich durch den Geschichtsunterricht vorbereitet und über die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands und das Wissen um den Holocaust gut informiert. Eher neu für sie sei die niederländische Perspektive.

Insbesondere das Schicksal der deportierten und in den Vernichtungslagern ermordeten Kinder im Durchgangslager Westerbork bietet einen überaus berührenden Zugriff.

Die Perspektive auf die Funktion und Gestaltung von Erinnerungskultur zur nationalsozialistischen Terrorherrschaft, die für die Niederlande als besetztes Staatsgebiet einen grundsätzlich anderen Fokus einnimmt, spielt bei dem Besuch eine wichtige Rolle. Thematisch ergänzt dieser Projekttag die Unterrichtseinheit „Holocaust: Von der Verfolgung bis zum Völkermord“ und fügt sich damit inhaltlich in den Besuch der Gedenkstätte Esterwegen ein, der für alle Schüler und Schülerinnen im Jahrgang 12 implementiert ist.

Das Gymnasium Haren ist im Rahmen des Projektes „Arbeitsmarkt Noord“ (INTERREG) als Pilotschule von der EDR im grenznahen Bereich ausgewählt worden. Damit wird die Fachgruppe Geschichte, neben der Implementierung eines jährlich stattfindenden Besuchs in Westerbork im Jahrgang 10, auch evaluieren, inwiefern das mit der Gedenkstätte zusammen entwickelte Programm und Konzept geeignet erscheint und wie dieses für Besuche anderer deutscher Schulen weiterentwickelt werden kann. Eingebettet in die Vor- und Nachbereitung des Besuchs in Westerbork entstand unter der technischen Leitung der Projektleiterin „Arbeidsmarkt Noord“, Caroline Wille, mit der Filmgruppe um Nils Albers, Mattes Cosse, Simon Ginz, Lukas Hehler, Luca-Mario Radu und Lasse Robben der folgende Imagefilm, der im Rahmen der EDR Tagung im November in Westerbork auch gezeigt werden soll. 

K. Kleesiek-Herding