Logopädie

Logopädie an der Anne-Frank-Schule findet als Einzel- oder Gruppentherapie statt.

Auch gibt es die Möglichkeit, innerhalb des Unterrichts logopädisch zu unterstützen, etwa beim Lese- und Rechtschreiberwerb, beim Übertrag des Erlernten aus dem Therapieraum in die Alltagssprache oder um die Erzählfähigkeit und den Grammatikerwerb zu fördern. Schweigende (mutistische) und auch stotternde Kinder und Jugendliche profitieren besonders von der unterstützenden Anwesenheit der Logopädin im Unterricht. Während des Mittagessens können wir im Einzelfall bei mundmotorischen Schwierigkeiten und Störungen der Nahrungsaufnahme helfen.

Derzeit versorgen drei Logopädinnen die Schüler*innen der Anne-Frank-Schule. Die Therapiestunden werden zu Beginn jedes Schuljahres nach Bedarf der Schüler*innen neu vergeben, wobei die meisten Stunden auf die Klassen im Primarbereich verteilt werden. Dies ist bei allen Sprachentwicklungsstörungen besonders sinnvoll, da diese in jüngeren Jahren noch leichter überwunden werden können. Zu Beginn der Therapie findet eine ausführliche Befundung unter Berücksichtigung der Vorbefunde anderer Institutionen statt. Dies ist unerlässlich für die Erstellung eines sinnvollen Therapieplans.

Zu der täglichen Arbeit der Logopädinnen an der Anne-Frank-Schule gehört auch die Beratung von Kolleg*innen, das Treffen von Absprachen z.B. zu therapeutischen Hausaufgaben oder zum Übertrag des Gelernten in den Alltag. In Förderplangesprächen werden Lern- und Therapieziele mit allen beteiligten Personen abgeglichen, so dass alle Hilfen möglichst gut ineinandergreifen können.

Wir behandeln grundsätzlich alle Sprach-, Sprech-, Stimm-und Schluckstörungen. Jedoch liegt der Schwerpunkt der Logopädie in der Schule vermehrt darauf, die Teilhabe zu gewährleisten und das schulische Lernen zu ermöglichen, zu unterstützen und zu erleichtern.

Folgende Störungsbilder werden an der Schule in der Therapie behandelt:

Sprachentwicklungsstörungen SES:

phonetische Störungen:

Laute können sprechmotorisch nicht korrekt gebildet werden (zum Beispiel /k/, /g/, /sch/, ch1/, /ch2,…)

phonologische Störungen:

Oft kann ein Laut einzeln nachgesprochen werden. Es gibt jedoch Schwierigkeiten beim Lauteinsatz (In welchem Wort kommt der Laut vor? An welche Stelle gehört er?)

Beispiele: Lautersetzungen (‚Dabel‘ statt ‚Gabel‘), Weglassen von Lauten (‚Schraße‘ statt ‚Straße‘). Gründe hierfür können eine Hörproblematik oder eine zentral auditive Verarbeitungsstörung sein.

semantisch-lexikalische Störungen:

Störung der Bedeutungsentwicklung und/oder des Wortschatzes. Der Wortgebrauch (aktiv), sowie  das Wortverständnis (passiv) sind nicht altersentsprechend. Das Kind sucht nach Wörtern, erzählt stockend oder es findet Wörter, die knapp daneben sind (‚Regenraupe‘ statt ‚Regenwurm‘, ‚wie Apfel‘ statt ‚Birne‘).

syntaktisch-morphologische Störungen:

Häufig auch als Dysgrammatismus bezeichnet. Sätze werden nicht richtig gebildet (‚Ich Hunger hab’, ‚Du das aufmachen?‘, ‚ich aufhänge die Handtuch`) oder es wird zwar in richtig gebildeten, aber nur in ganz einfachen Sätzen gesprochen.

Zu den Störungen des grammatikalischen Regelsystems gehören auch die falsch angepassten Wörter (‚Auton‘ statt ‚Autos‘, Würfels’ statt ‚Würfel‘, ‚geesst‘ statt ‚gegessen‘). Wie bei den semantisch-lexikalischen Störungen zeigen sich Schwierigkeiten nicht nur in der Anwendung der Grammatik, sondern auch im Sprachverständnis. Komplexe Anweisungen, wie ‚Öffne Dein Heft auf Seite 20 und bearbeite still in Deinem Rechenheft Aufgabe 3 bis 5.‘ stellen Kinder mit grammatikalischen Schwierigkeiten im Schulalltag vor große Herausforderungen.

Neben den Sprachentwicklungsstörungen gibt es noch weitere Bereiche, die in der Logopädie behandelt werden:

Störungen der Kommunikation/Pragmatik:

Das Sprechen mit Menschen besteht nicht nur aus Lauten, Wörtern und Sätzen. Im Kontakt mit Anderen brauchen wir weitere Fähigkeiten wie: Blickkontakt, Wahl der richtigen Sprechlautstärke, Betonung, wir müssen uns in unseren Zuhörer hineinversetzen können, Gestik und Mimik richtig deuten und einsetzen und auf Fragen erwartungsgemäß antworten. Auch das Abwarten, und das verstehende Zuhören sind Basisfähigkeiten für eine gelingende Kommunikation.

Schüler*innen mit einer pragmatischen Störung haben große Schwierigkeiten in der alltäglichen Kommunikation und im sozialen Miteinander, da sie eigene Gedanken, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse nicht klar äußern und die des Gesprächspartners nicht richtig deuten können, bzw. darauf nicht angemessen reagieren.

Störungen der Mundmotorik:

Diese lassen sich z.B an folgenden Symptomen erkennen: fehlender Mundschluss, starker Speichelfluss, Störungen beim Abbeißen, Kauen und Schlucken von Nahrung, zu hohe oder zu geringe Muskelspannung, Über-oder Unterempfindlichkeit im Mund-/Gesichtsbereich, Zahnfehlstellungen. Störungen in der Mundmotorik haben oft Aussprachestörungen in Form einer phonetischen Störung (wie oben beschrieben) zur Folge.

Störungen des Redeflusses:

Redeflussstörungen zeigen sich in Form von Stottern oder Poltern. Beim Stottern gibt es drei Hauptsymptome:

Wort-, Silben- oder Lautwiederholungen: ‚Ein Bbbbbbbrötchen, Bbbbbitte.‘

Das Feststecken vor oder in einem Wort, bei dem eine unnatürlich lange Pause entsteht: ‚—————-Ein Brötchen, B——itte.‘

Und die Dehnungen‚ bei denen ein Laut langgezogen wird: ‚Aaaaaaaaain Brötchen, bitte.‘

Das Poltern ist eine permanent überhastete Sprechweise, bei der Silben oder ganze Worte ‚verschluckt’ werden und die Sprache kaum noch zu verstehen ist.

Verbale Entwicklungsdyspraxie:

Diese Aussprachestörung ähnelt einer phonologischen Störung. Oft werden Sprachlaute als Einzellaut gekonnt, können aber im Sprachfluss nicht richtig verwendet werden. Die Sprache wird dadurch bis zur völligen Unverständlichkeit entstellt. Weil die Fehler sehr unterschiedlich sind, kann man sich in diese Aussprachestörung auch schlecht ‚rein hören‘. Kinder mit diesem Problem sprechen also Wörter selten mit den selben Fehlern aus, Spaghetti sind dann mal ‚Bedetti‘, ‚Ageki‘, oder ‚Tatetti‘.

Störungen des Schriftspracherwerbs:

Die Schrift ist auch eine Sprache und so gehören Teile des Schriftspracherwerbs auch in die logopädische Therapie, hier unterstützen wir den Unterricht im Fach Deutsch, indem in der Einzeltherapie Basisfähigkeiten wie Lautunterscheidung, Silben trennen und anderes trainiert werden.

zentral-auditive Verarbeitungsstörungen:

Auch wenn ein Mensch gut hören kann, so kann es trotzdem zu Schwierigkeiten in der Hörverarbeitung kommen. Solche Schwierigkeiten äußern sich z.B. darin, dass Schüler*innen nicht erkennen, woher ein Geräusch kommt (Richtungshören), dass sie aus der Geräuschkulisse in der Klasse kaum herausfiltern können, was der Lehrer/ die Lehrerin gerade sagt (Hören im Störschall) oder dass sie sich Anweisungen nicht gut merken können (Hör-Merk-Spanne).

Stimmstörungen:

Stimmstörungen äußern sich in den meisten Fällen in starker Heiserkeit, Räusperzwang und geringer Belastbarkeit, sie treten oft bei Überlastung auf. Das Brüllen von Kommandos auf dem Fußballplatz führt bei Kindern nicht selten zu einer Heiserkeit. Dauert diese mehrere Wochen an, kann eine Stimmtherapie notwendig werden. Auch im Stimmbruch kann es zu Komplikationen kommen, die durch eine Stimmtherapie behoben werden können. Vorerkrankungen wie Paresen, Muskelerkrankungen und auch die Folgen einer Versorgung mit einer Trachealkanüle oder einer Nasen-Schlund-Sonde können eine Stimmtherapie erforderlich machen.

Mutismus:

Der Mutismus beschreibt das Schweigen eines Menschen in bestimmten Situationen, obwohl dieser Mensch eigentlich ganz normal sprechen kann. Dieses Schweigen geht über eine Schüchternheit hinaus und ist für den Betroffenen nicht aus eigener Kraft zu überwinden.

Unterstützte Kommunikation:

Kinder und Jugendliche, die auf Grund ihrer Behinderung nicht oder nicht erfolgreich verbalsprachlich kommunizieren können, brauchen zusätzliche Hilfen. Bei sehr verwaschener, unverständlicher Aussprache können sprachbegleitende Gebärden hilfreich sein, Kommunikationsbücher helfen Menschen, die Symbole erlernen und zu Äußerungen zusammenstellen können. Komplexe Geräte mit Sprachausgabe ermöglichen Kommunikation, wo sonst nur Schweigen herrscht. Wir üben mit den Schüler*innen den Umgang mit ihren Kommunikationshilfen, probieren verschiedene Hilfen aus und beraten Eltern und Kolleg*innen.

Kindliche Aphasie/Hirnläsionen:

Die Aphasie ist eine erworbene Störung des Sprechens nach abgeschlossenem Spracherwerb. Betroffene verlieren teilweise oder vollständig ihre bereits erworbenen sprachlichen Fähigkeiten.  Eine Aphasie kommt nicht nur bei (älteren) Erwachsenen vor. Auch Kinder und Jugendliche können aus verschiedenen Gründen Hirnschäden erleiden, die eine Aphasie auslösen können (Schlaganfall, unfallbedingt nach Schädel-Hirn-Trauma, Hirntumoren,…). Von einer Aphasie können z.B die Aussprache, die Wortfindung, die Grammatik, das Sprachverständnis und die Schriftsprache betroffen sein.

Daniela Bense, Mira Levy und Antje Mertin