Albert-Schweitzer-Hauptschule Vechelde: Lernen wollen statt lernen müssen

Die Albert-Schweitzer-Hauptschule in Vechelde beschreitet neue Wege.

Nach intensiver Auseinandersetzung neuer Lernformen setzt die Albert-Schweitzer Hauptschule seit diesem Schuljahr auf ein innovatives Konzept des selbstorganisierten Lernens – beginnend in Jahrgang 5 und 6. Angelehnt an die bekannte „Schmetterlingspädagogik“ und Schulen, die diesen Weg bereits bestritten haben und den Deutschen Schulpreis gewonnen haben, ist es ab diesem Schuljahr Ziel der Arbeit, Schülerinnen und Schülern von Anfang an ein eigenständiges, motiviertes, eigenverantwortliches und zielgerichtetes Lernen zu ermöglichen.

„Wir wollen eine Schule sein, in der Lernen Freude macht und die Jugendlichen das Gefühl haben: Ich lerne für mich – nicht nur für eine Klassenarbeit, ich lerne für meine Zukunft und trainiere Kompetenzen“, erklärt Schulleiterin Sabine Wenzel. Dazu wurden nicht nur Unterrichtsformen, sondern auch die Lernräume von Kollegen in Eigenregie völlig neu gestaltet.

Individuelle Räume für individuelle Lernwege
Herzstück des neuen Konzepts sind die unterschiedlichen Lernorte, die den Kindern zur Verfügung stehen.

  • Das Lernatelier: Hier haben die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen kleinen Arbeitsbüros, die sie persönlich gestalten dürfen. In dieser ruhigen Umgebung können sie in Einzelarbeit konzentriert an ihren Aufgaben arbeiten – ähnlich wie in einem richtigen Büro. „Mein erstes eigenes Büro ist so toll und ich bin stolz darauf“, berichtet ein Fünftklässler.
  • Der Marktplatz: Wer lieber im Austausch lernt, findet hier die passende Umgebung. Ob im Zweierteam oder in der Gruppe – auf dem Marktplatz geht es um gemeinsames Arbeiten, Diskussionen und gegenseitige Unterstützung. „Manchmal brauche ich Unterstützung und die hole ich mir dann bei anderen und wir sprechen darüber“, erklärt eine Schülerin.
  • Der Chillraum: Lernen braucht auch Pausen. Im Chillraum können die Kinder beim Puzzeln oder in gemütlicher Atmosphäre zur Ruhe kommen und neue Energie schöpfen. „Der Chillraum ist voll cool“, sagt ein Schüler lachend. Hier finden die Klassen zusammen und führen ganz nebenbei sinnstiftende Gespräche.
  • Der Inputraum: Manche Inhalte lassen sich am besten in der direkten Begegnung mit einem Lernbegleiter – früher Lehrer genannt – erarbeiten. Der Inputraum ist dafür da, kurze und prägnante Wissensvermittlung zu ermöglichen, bevor die Schülerinnen und Schüler das Gelernte wieder selbstständig vertiefen.

So entsteht eine Lernlandschaft, die ganz unterschiedliche Bedürfnisse aufgreift und individuelles wie gemeinsames Lernen gleichberechtigt ermöglicht.

Identische Lerninhalte – neue Wege dorthin

Auch wenn die Formen des Lernens in der Umsetzung in dieser Breite zum Teil völlig neu sind, bleiben die Lerninhalte identisch mit dem bisherigen Unterricht. Der Lehrplan ist weiterhin Grundlage. Der Unterschied liegt allein in der Art und Weise: Statt im Gleichschritt mit der gesamten Klasse lernen die Kinder nun in ihrem eigenen Tempo und mit mehr Eigenverantwortung. „Ich bin so froh, dass ich in meinem Tempo lernen kann. Ich lerne mehr als vorher“, erzählt eine Sechstklässlerin und ergänzt „Heute habe ich wieder dazugelernt, das klappt irgendwie ganz automatisch.“

Mehr individuelle Betreuung

Das Konzept bringt noch einen weiteren Vorteil: Die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter können sich intensiver einzelnen Schülerinnen und Schülern widmen. Auch Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, profitieren davon. Eine Schülerin berichtet stolz: „Ich habe heute wieder fünf neue Wörter in meine „Neue-Wörter-Liste“ eingetragen.“ Ein anderer Schüler sagte: „Ich habe keinen Stress mehr beim Lernen. Ich bin glücklich so.“ Ob leistungsstark oder mit besonderem Förderbedarf – die individuelle Lernbetreuung hat einen größeren Stellenwert erlangt und das Kind, mit all den Stärken und Schwächen, steht erheblich mehr im Fokus. So werden persönliche Erfolge gefeiert und wertgeschätzt.

Selbst Verantwortung übernehmen

Die Kinder entscheiden selbst, welches Hauptfach – Deutsch, Mathematik oder Englisch – sie intensiver bearbeiten möchten. Jede Woche schreiben sie ihren eigenen Lernplan, setzen sich Ziele und überprüfen gemeinsam mit der Lernbegleiterin am Ende, wie weit sie gekommen sind. „Ich möchte nächste Woche konzentrierter lernen, das ist mein Ziel. Ich muss noch lernen, die Ziele etwas genauer zu formulieren“, sagt ein Schüler selbstkritisch.

In wöchentlichen Coachinggesprächen reflektieren die Jugendlichen gemeinsam mit einer Lernbegleiterin, was gut gelungen ist und was noch verbessert werden kann. So lernen sie von Anfang an, Verantwortung für ihren Lernweg zu übernehmen.

Hausaufgaben ohne Stress

Ein positiver Nebeneffekt: Hausaufgaben geben sich die Schülerinnen und Schüler nun selbst auf. Sie entscheiden, was sie zu Hause noch üben oder vertiefen möchten. Das sorgt nicht nur für mehr Motivation, sondern auch für deutlich weniger Konflikte daheim, der frühere Stress und Ärger um das Erledigen von Hausaufgaben ist verschwunden.

Motivation durch Selbstbestimmung

„Es ist megacool, dass ich lernen kann mit wem ich will“, meint ein Sechstklässler begeistert. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden, wie sie jetzt gerade am besten Lernen können. Es stellt sich heraus, dass das konzentrierte Lernen zu Zweit oder in einer Kleingruppe erstaunlich produktiv ist und viele Lernerfolge mit sich bringt. Ein anderer Schüler ergänzt: „Ich möchte gerne Durchstarter werden.“ Viele spüren schon jetzt, wie sich ihr Lerngefühl verändert hat. Als Durchstarter hat der Schüler bewiesen, dass er verantwortungsvoll mit dem Lernen umgeht, ihm werden daher mehr Freiheiten zugestanden, als dem Starter oder dem Neustarter.

Beste Vorbereitung auf Abschlüsse und Ausbildung

Eltern fragen sich manchmal, ob bei so viel Freiheit die nötige Stofffülle für einen erfolgreichen Abschluss gewährleistet ist. Doch die Erfahrung zeigt: Gerade das selbstorganisierte Lernen führt oft zu besseren Ergebnissen. Jugendliche lernen hier nicht nur für Prüfungen, sondern erwerben Schlüsselkompetenzen wie Eigeninitiative, Ausdauer und Verantwortungsbewusstsein – Qualitäten, die in Ausbildung und Beruf hochgeschätzt werden.

Eine Schule der Zukunft

Mit der neuen Lernumgebung, der stärkeren individuellen Betreuung und dem veränderten Rollenverständnis der Lehrkräfte als Lernbegleiter setzt die Albert-Schweitzer-Hauptschule ein starkes Zeichen: Schule kann ein Ort sein, an dem Neugier, Motivation und Eigenständigkeit wachsen.

Die Albert-Schweitzer-Hauptschule Vechelde zeigt, wie Lernen in Zukunft aussehen kann: selbstbestimmt, vielfältig, individuell – und dennoch mit denselben Inhalten, die für einen erfolgreichen Schulabschluss gebraucht werden.

Alle Schulen des Deutschen Schulpreises haben sich bereits auf den Weg gemacht- die Albert-Schweitzer Hauptschule will und wird dazugehören. An einer Weiterentwicklung dieses einmaligen Pilotprojekts wird bereits gearbeitet und die Entwicklung zu einer Schule der Zukunft unter besonderer Berücksichtigung aller Stärken, Schwächen und Interessen der Kinder soll und muss unser aller pädagogisches Ziel sein.

 

Text und Fotos: Schule

 

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