„Wie sind Sie auf den Blindenhund gekommen?“ wird der Gast von Lena gefragt. „Hier in Kalefeld ist es nicht einfach, wenn man mit dem Blindenstock laufen will“, erklärt Hillmann. „Denn hier in der Neustadt gibt es keinen Bürgersteig, an dem man sich orientieren kann. Wenn man dann mit dem Stock gegen geparkte Autos tackert, gefällt das niemandem. Oder es stehen Mülltonnen im Weg oder der Bus kommt. Da ist das Gehen mit einem Hund viel einfacher.“
Zehn Schülerinnen der 9. und 10. Realschulklassen unter der Leitung von Lehrerin Sabine Hirte haben sich auf diesen Besuch vorbereitet, haben sich jede Menge Fragen überlegt und die blinde Frau von zu Hause abgeholt, um ihr den Weg in die Schule zu erleichtern. Dies ist ein berührendes Ereignis für den Gast, denn vor über 40 Jahren ist Elke Kraul, wie sie damals hieß, hier selbst zur Schule gegangen.
Doch bereits fünf Jahre nach ihrer Schulentlassung kam für die unternehmungslustige junge Frau das einschneidende Erlebnis: Auf der Rückfahrt aus ihrer Lieblingsstadt London verursachte der übermüdete Fahrer einen Unfall, die nicht angeschnallte Beifahrerin prallte gegen die Windschutzscheibe, Glassplitter in beiden Augen zerstörten ihren Sehsinn. „Was war für Sie die schwierigste Aufgabe?“, fragt Tamara. „Ich habe damals in München gelebt, habe Rockkonzerte geliebt – und dann bin ich wieder hierher zu meinen Eltern gezogen.“ Die Unabhängigkeit der jungen Erwachsenen war dahin, es gab Phasen, in denen sie völlig verzweifelt gewesen sei. Das Blindsein habe sie zunächst überhaupt nicht akzeptieren können.
„Wobei hilft der Hund?“ möchte Josy-Marie wissen. „Ich gehe viel spazieren, da ist der Hund immer dabei. Manchmal mache ich auch Nordic Walking.“ Die zehnjährige Luna ist bereits der zweite Blindenhund von Elke Hillmann. Sie hat die Hündin in einer speziellen Schule in der österreichischen Steiermark abgeholt, in der auch schon ihr erster Hund ausgebildet worden war. Die Kosten übernahm die Krankenkasse.
„Steht bei Ihnen zu Hause alles an einer bestimmten Stelle?“, fragt Luisa. „Ja, zum Beispiel Schmuck ist in Dosen oder Kästchen“, erklärt Hillmann. „So etwas kann man nicht rumschmeißen. Vielleicht bin ich ein bisschen überordentlich; aber das muss so sein.“ „Wie wissen Sie, was Sie anziehen?“ interessiert Johanna. Die Antwort: Dafür gibt es eine App auf dem Smartphone, ebenso hat die Tastatur eine Stimme, damit man hört, was man schreibt. Und wenn Elke Hillmann im Internet etwas bestellen will, geht das mit der digitalen Lautsprecherbox, die mittlerweile in vielen Haushalten zu finden ist.
Zum Ende der Unterrichtsstunde noch eine Frage von Luisa, was sich die blinde Frau von ihren Mitmenschen wünscht? „Die älteren Kalefelder kenne ich an ihrer Stimme. Aber ich muss auch Kontakt haben, damit die Erinnerung frisch bleibt. Und ich freue mich, wenn mich Leute auf der Straße grüßen. Gern würde ich dann auch wissen, wer das ist.“