“So jung ich bin, …
ich weiß, was ich will, …
habe ein Ziel, habe eine eigene Meinung, …
lasst mich ich selbst sein!”
(Anne Frank)
Grundlage einer Leitidee der Anne-Frank-Schule ist die Berufung auf ihre Namensgeberin. Die Entscheidung für diesen Schulnamen wurde seinerzeit aus Sicht der Schüler damit begründet, dass Anne Frank ein Kind in ihrem Alter war und ebenfalls einer gesellschaftlichen Minderheit angehörte.
Daraus entsteht nicht nur der Appell zu gegenseitiger Toleranz sondern auch die Motivation, Stärke zu entwickeln und das eigene Schicksal zu bewältigen.
Das vorangestellte Zitat gibt für die Schüler Anlass zur Identifikation, indem sie es als Ausdruck ihrer eigenen Situation begreifen. Sie teilen den Appell ernst genommen zu werden und formulieren daraus als Auftrag an die sie Erziehenden, sie in der Entwicklung der eigenen Stärken zu unterstützen. Zudem verstehen die Schüler das Zitat Mahnung zur Anerkennung der auch als Grundrecht formulierten Würde des Menschen unabhängig von kultureller oder religiöser Identität, einer Behinderung oder anderer menschlicher Qualitäten. Daraus leitet sich für uns das Grundrecht der Schüler auf Erziehung und Bildung ab, das jegliche Art von Ausgrenzung ablehnt.
Aus der Anerkennung der Würde, auf die Anne Frank für sich bestanden hat, leitet sich für uns in der Erziehung und Bildung der Schüler zunächst die Verwirklichung persönlicher Grundrechte ab wie individuelle Freiheit und Entfaltung, freie Meinungsäußerung, Wertschätzung, Respekt und Liebe. In der Anerkennung von Toleranz und Freiheit als gleichzeitig auf sich selbst und andere gerichtete Grundrechte bestehen Erziehung und Bildung für uns in der Entwicklung eines sozialen und friedlichen Miteinanders, das die Verwirklichung persönlicher Grundrechte erst ermöglicht, ihnen aber auch Grenzen setzt. Damit wollen wir gerade den Schülern Orientierung und Halt geben, die wenig Möglichkeit haben, dies in ihrem außerschulischen Lebensrahmen zu erfahren. Anne Frank ist unseren Schülern Sinnbild für Stärke angesichts existentieller Bedrohung. Sie verkörpert dabei auch eine religiöse Haltung, die in einer Hinwendung zur Natur sowie in Schweigen, Selbstbesinnung und Gebet Kraft und Zuversicht gewinnt.
Anne Frank hat in kritischer Rückschau auf eigene Aussagen und Einstellungen sowie auch auf die der anderen mit ihr im Hinterhaus lebenden Personen die Verwirklichung persönlicher Rechte immer danach bemessen, in wie weit sie auch für andere gelten. Damit ist sie uns nicht nur durch ihr Schicksal eine Erinnerung an Toleranz und Menschlichkeit, sondern ein ganz konkretes Vorbild für demokratisches und partnerschaftliches Verhalten und Schulleben. Die Verbindlichkeit, mit der sie ein auf die Rechte aller Personen abzielendes Miteinander einfordert, erinnert uns daran, im Schulleben gemeinsame Entscheidungen nicht nur auf demokratische Weise herbeizuführen, sondern auch verantwortlich für ihre Gültigkeit, Verwirklichung und Entwicklung zu sein. Durchgehende Handlungs- und Ordnungsprinzipien sollen die Kontinuität des Schullebens und des sozialen Lernens für die Schüler sicherstellen.
Mit ihrer Haltung gelingt es Anne Frank in ihrem Tagebuch, in einer Weise Stellung zu beziehen, die bei aller emotionalen Bindung an ihre Familie und die anderen Mitbewohner ein hohes Maß an gedanklicher Unabhängigkeit, innerer Freiheit und umfassender Bildung zum Ausdruck bringt. Darin kann sie uns Leitbild sein weit über ihr tragisches Schicksal hinaus.