Wortschatz und außerschulisches Leseverhalten von Viertklässlerinnen und Viertklässlern in Deutschland

Im Folgenden berichten wir über aktuelle repräsentative Daten zum Wortschatz und zum außerschulischen Leseverhalten von Schülerinnen und Schülern der vierten Klasse in Deutschland. Es handelt sich um eine Sonderauswertung der nationalen Ergänzung der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) aus dem Jahr 2021. In die Ergebnisse fließen Daten von 4.611 Viertklässlerinnen und Viertklässlern an 252 Schulen in Deutschland ein. Diese Daten wurden nur für Deutschland erhoben. Ein internationaler Vergleich ist nicht möglich.  

Wortschatz der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland

Methodische Hinweise: Zum Vergleich des Wortschatzes von Gruppen von Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Merkmalen wird der durchschnittliche Wortschatz der Viertklässlerinnen und Viertklässler auf 0 gesetzt (Standardabweichung 100). Die im Folgenden angegebenen negativen Werte bedeuten demnach, dass es sich um einen unterdurchschnittlich großen Wortschatz handelt; positive Werte bedeuten, dass es sich um einen überdurchschnittlich großen Wortschatz handelt. Unterschiede von 50 Punkten sind als substantiell, Unterschiede von 80 Punkten als groß zu interpretieren. Zur Einordnung: Der Wortschatz-Unterschied von Kindern der dritten und der vierten Klasse beträgt etwa 50 Punkte.

Geschlecht, Herkunft und familiärer Hintergrund

Der mittlere Wortschatz unterscheidet sich nach Gruppen von Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Merkmalen (siehe Abb. 1). Mädchen haben einen leicht größeren Wortschatz als Jungen (Unterschied: 10 Punkte). Kinder, deren Eltern und die selbst nicht in Deutschland geboren sind, haben einen sehr kleinen Wortschatz (-79 Punkte). In Deutschland geborene Kinder, deren Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, haben einen mittleren Wortschatz von -37 Punkten. Daneben hängt der Wortschatz der Kinder mit ihrem sozio-ökonomischen Familienhintergrund zusammen. Kinder aus Familien mit 100 oder weniger Büchern haben einen deutlich geringeren Wortschatz (-18 Punkte) als Kinder aus Haushalten mit mehr als 100 Büchern (44 Punkte). Ebenso zeigen sich deutliche Unterschiede im Wortschatz von Kindern je nach höchstem Abschluss ihrer Eltern: Kinder von Eltern, die einen Abschluss der Sekundarstufe 1 haben, haben im Mittel einen deutlich niedrigeren Wortschatz als Kinder, deren Eltern einen tertiären Bildungsabschluss haben (-48 Punkte zu 37 Punkte).

Abbildung 1: Mittlerer Wortschatz nach Gruppen (Quelle: Ludewig et al. 2022)

Wortschatz und Leseverhalten außerhalb der Schule

50 % der Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse lesen täglich oder fast täglich Bücher. An digitalen Geräten lesen 25 % der Kinder täglich oder fast täglich. 10 % der Kinder lesen nie oder fast nie Bücher, 39 % lesen nie oder fast nie an digitalen Geräten.

Abbildung 2: Lesehäufigkeit: Bücher und digitale Geräte (Quelle: Ludewig et al. 2022)

Auch hier sind Unterschiede nach den Merkmalen der Kinder zu erkennen. Beispielsweise geben 36 % der Kinder mit Eltern, die höchstens einen Abschluss der Sekundarstufe I haben, an, dass sie täglich oder fast täglich Bücher lesen. Von den Kindern mit Eltern, die einen tertiären Bildungsabschluss haben, geben dies 60 % an. 

Werden Wortschatz und Leseverhalten zusammen betrachtet, zeigt sich, dass Kinder, die jeden Tag Bücher und nie an digitalen Geräten lesen, im Mittel den größten Wortschatz haben (32 Punkte). Kinder, die nie Bücher und jeden Tag an digitalen Geräten lesen, haben im Mittel den kleinsten Wortschatz (-38 Punkte).

Schlussfolgerungen der Autorinnen und Autoren

Ludewig et al. weisen mit ihrer Studie auf die Relevanz von Wortschatz und Leseverhalten für die Entwicklung der Lesekompetenz hin. Sie plädieren für eine systematische Förderung der Lesekompetenz in der Grundschule: „Die zu etablierende systematische Förderung muss dabei (a) die Identifikation und Implementation wirksamer Ansätze der Förderung, (b) den Einbezug der Familien und (c) die Unterstützung der Grundschulen gemeinsam denken und dabei (d) zukünftig kontinuierliche Diagnostik mit darauffolgender zielgenauer Förderung verbinden“ (S. 5). Zur Umsetzung dieser Vorhaben weisen sie auf das Potenzial des Ganztags-Schulbetriebs hin.

Quelle

Ludewig, U., Lorenz, R., Kleinkorres, R., & McElvany, N. (2022). Sonderauswertung: Wortschatz und Leseverhalten bei Viertklässler:innen in Deutschland – Daten einer repräsentativen bundesweiten Studie. Dortmund: Technische Universität Dortmund, Institut für Schulentwicklungsforschung.