Digitalisierung in der Grundschule

Im Rahmen der IGLU Studie wurden Daten zur Nutzung digitaler Medien in den Grundschulen und insbesondere im Leseunterricht erhoben. Im Folgenden berichten wir über ausgewählte aktuelle Ergebnisse, die sowohl auf den Befragungen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrkräfte und Schulen, als auch auf den Testergebnissen beruhen:

In den Abbildungen sind neben Deutschland und den Vergleichsgruppen EU und OECD auch der internationale Mittelwert und jeweils die Länder bzw. Regionen der ersten Erhebungswelle mit dem höchsten bzw. niedrigsten Wert aufgenommen.

Ausstattung mit digitalen Endgeräten

Die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten wird als mittleres Verhältnis der Viertklässlerinnen und Viertklässler zu vorhandenen Geräten (Computer, Tablets oder Laptops) angegeben. 56,7 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland gehören zur Gruppe, in der für ein bis zwei Kinder ein digitales Endgerät vorhanden ist. Damit liegt Deutschland signifikant unter den Mittelwerten der Vergleichsgruppen EU (67,6 %) und OECD (67,5 %) und knapp über dem internationalen Mittelwert. Über ein Viertel der Kinder in Deutschland gehört der Gruppe an, in der für drei bis fünf Kinder ein Gerät zur Verfügung steht. Für 3,8 % der Kinder steht kein Gerät zur Verfügung. Die Autorin und die Autoren der Studie bezeichnen das Ausstattungsverhältnis in Deutschland daher als „insgesamt unterdurchschnittlich“ (Lorenz et al. 2023: S. 201).

Zur weiteren Einordnung sind in Abbildung 1 außerdem die Werte für Schweden und Ägypten angegeben. Von den an der Erhebung teilgenommenen Staaten ist die Gruppe, in der für ein bis zwei Kinder ein digitales Endgerät zur Verfügung steht, in Schweden am größten (98,5 %), in Ägypten am kleinsten (3,4 %).

Abbildung 1: Mittleres Verhältnis der Viertklässlerinnen und Viertklässler zu digitalen Endgeräten an Grundschulen (internationaler Vergleich). Quelle: Lorenz et al. (2023), S. 202 (in Anlehnung an Abbildung 9.1)

Verfügbarkeit digitaler Endgeräte im Leseunterricht

Die Lehrkräfte der Schülerinnen und Schüler, die an IGLU 2021 teilgenommen haben, wurden danach befragt, inwieweit digitale Endgeräte für den Leseunterricht an ihrer Schule zur Verfügung stehen. Diese Angaben wurden auf die Population der Schülerinnen und Schüler gewichtet. In den Abbildungen 2a bis 2c ist jeweils angegeben, auf welchen Anteil der Viertklässlerinnen und Viertklässler die Aussagen zur Verfügbarkeit zutreffen.

Im internationalen Durchschnitt steht einem Drittel der Schülerinnen und Schüler im Leseunterricht ein eigenes von der Schule gestelltes Gerät zur Verfügung (siehe Abbildung 2a). In Deutschland trifft dies auf 18,2 % der Schülerinnen und Schüler zu. Dieser Wert liegt statistisch signifikant unter dem internationalen Mittelwert, sowie unter den Mittelwerten der Vergleichsgruppen EU (36,4 %) und OECD (36,2 %). In Malta haben 95,5 % der Kinder ein eigenes Gerät zur Verfügung, in Frankreich 4,1 %.

71,3 % der Schülerinnen und Schüler in Deutschland besuchen eine Klasse, in der ein oder mehrere digitale Geräte im Leseunterricht zur Verfügung stehen (siehe Abbildung 2b). Dieser Wert liegt signifikant über dem der Vergleichsgruppen OECD (57,9 %) und EU (51,8 %), sowie über dem internationalen Mittelwert (52,7 %). In Österreich besuchen 90,1 % der Schülerinnen und Schüler eine Klasse, in der ein oder mehrere Geräte für den Leseunterricht zur Verfügung stehen. In Albanien trifft dies auf 18,4 % der Kinder zu.

Als weitere Möglichkeit der Nutzung digitaler Endgeräte im Leseunterricht wurde abgefragt, ob Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Geräte mitbringen (siehe Abbildung 2c). In Deutschland trifft dies auf 3,4 % der Kinder zu. Die Werte der Vergleichsgruppen OECD (12,4 %) und EU (15,7 %) liegen ebenso wie der internationale Mittelwert (19,5 %) deutlich darüber. In Bulgarien ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ihr eigenes Gerät mitbringen, am höchsten (62,6 %), in Frankreich am geringsten (1,1 %).

Nutzungshäufigkeit digitaler Geräte im Leseunterricht

Die Häufigkeit der Nutzung digitaler Geräte im Leseunterricht wurde im Lehrkräfte-Fragebogen erfragt. Die Angaben der Lehrkräfte sind gewichtet auf die Population der Schülerinnen und Schüler. Demnach besuchen 26,7 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland Unterricht, in dem mindestens einmal die Woche digitale Geräte für Leseaktivitäten mit der ganzen Klasse eingesetzt werden. In den Vergleichsgruppen ist der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die mindestens einmal die Woche digitale Geräte für Leseaktivitäten im Unterricht mit der ganzen Klasse nutzen, signifikant höher als in Deutschland: In der Vergleichsgruppe EU beträgt der Anteil 37,3 %, in der Vergleichsgruppe OECD 43,2 %. Der internationale Mittelwert liegt bei 41,2 %. In Neuseeland ist die Gruppe der Kinder, die mindestens einmal die Woche digitale Geräte im Leseunterricht nutzen mit 88,1 % am höchsten, in Albanien mit 11,3 % am niedrigsten. Deutschland liegt im unteren Drittel.

Abbildung 3: Nutzungshäufigkeit digitaler Geräte durch Schülerinnen und Schüler für Leseaktivitäten mit der ganzen Klasse (internationaler Vergleich). Quelle: Lorenz et al. (2023), S. 206 (in Anlehnung an Abbildung 9.2) 

28,5 % der Kinder an Grundschulen in Deutschland werden von Lehrkräften unterrichten, die ein- bis zweimal im Monat digitale Geräte für Leseaktivitäten einsetzen. 29,3 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler besuchen Unterricht, in dem einige Male im Jahr digitale Geräte für Leseaktivitäten eingesetzt werden und die verbleibenden 15,4 % werden von Lehrkräften unterrichtet, die nie oder fast nie digitale Geräte zu diesem Zweck einsetzen. Dieser Wert liegt deutlich über dem Anteil in den Vergleichsgruppen EU (11,5 %) und OECD (9,6 %) sowie dem internationalen Mittelwert (10,4 %).

Art der Nutzung digitaler Geräte im Leseunterricht

Neben der Häufigkeit der Nutzung wurden die Lehrkräfte auch nach der Art der Nutzung digitaler Geräte während des Leseunterrichts befragt. In Abbildung 4 ist zu sehen, wie digitale Geräte im Leseunterricht mindestens einmal pro Woche genutzt werden. Dazu sind die Angaben der Lehrkräfte zusammengefasst, die jeden Tag oder fast jeden Tag bzw. ein- bis zweimal pro Woche digitale Geräte im Leseunterricht nutzen. Die Ergebnisse sind auf die Schülerpopulation umgerechnet.

Abbildung 4: Art der Nutzung digitaler Geräte durch Schülerinnen und Schüler während des Leseunterrichts mindestens einmal pro Woche (internationaler Vergleich). Quelle: Lorenz et al. (2023), S. 207 (in Anlehnung an Tabelle 9.3)

In Deutschland besuchen 29,3 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler Leseunterricht, in dem nach Aussage ihrer Lehrkräfte mindestens einmal die Woche digitale Texte gelesen werden. Dieser Anteil liegt deutlich unter dem Anteil in den Vergleichsgruppen EU (38,8 %) und OECD (44,2 %) sowie unter dem internationalen Mittelwert (47,1 %).

Für die Recherche von Fakten und Definitionen nutzen 23,3 % der Kinder in Deutschland regelmäßig digitale Endgeräte, für die Durchführung eines Rechercheprojekts im Leseunterricht nutzen 10,1 % digitale Endgeräte. Auch für diese beiden Nutzungsarten liegt Deutschland deutlich unter dem Wert der Vergleichsgruppen. Im internationalen Vergleich ist Neuseeland das Land, in dem die meisten Kinder Leseunterricht besuchen, in dem digitalen Geräte für das Lesen digitaler Texte (79,0 %), für die Recherche von Fakten und Definitionen (89,4 %) und für die Durchführung von Rechercheprojekten (67,1 %) genutzt werden. Ramona Lorenz und ihre Kollegen schließen daraus, dass „im Vergleich der IGLU-Teilnehmerstaaten und -regionen für die drei betrachteten Nutzungsweisen digitaler Medien im Leseunterricht eine vergleichsweise geringe Implementation in Deutschland“ (Lorenz et al. 2023: S. 208) festzustellen ist.

Nutzungsdauer digitaler Geräte und Lesekompetenz

In einer weiteren Auswertung steht die Frage im Fokus, wie hoch „die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlicher Nutzungsdauer digitaler Medien zum Suchen und Lesen von Informationen“ (Lorenz et al. 2023: S. 200) ist, denn „gerade die Verstehensprozesse und die Voraussetzung dieses Prozesses für das Lernen im weiteren Verlauf der Schulzeit erscheinen von besonderer Relevanz“ (Lorenz et al. 2023: S. 209).   

Die getesteten Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, wie lange sie an einem normalen Schultag bei Aufgaben in der oder für die Schule digitale Geräte zum Suchen und Lesen von Informationen nutzen. In Abbildung 5 ist zu sehen, welchen mittleren Kompetenzwert Schülerinnen und Schüler erreichen, die angeben, gar keine digitalen Geräte für das Suchen und Lesen von Informationen im Schulkontext zu nutzen (535). Dies trifft auf 35,3 % der Schülerinnen und Schüler in Deutschland zu (siehe Wert in Klammern). 48 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland nutzen digitale Geräte zum Suchen und Lesen von Informationen für maximal 30 Minuten und erreichen im Mittel 529 Punkte. 16,7 % nutzen digitale Geräte über eine halbe Stunde täglich um solche Aufgaben zu bearbeiten. Sie erreichen im Mittel eine Lesekompetenz von 512 Punkten.

Abbildung 5: Nutzungsdauer digitaler Geräte durch Schülerinnen und Schüler bei Aufgaben für die Schule oder in der Schule zum Suchen und Lesen von Informationen an einem normalen Schultag und mittlere Lesekompetenz (internationaler Vergleich). Quelle: Lorenz et al. (2023): S. 210 (in Anlehnung an Abbildung 9.4)

Bei der Betrachtung der Kompetenzmittelwerte nach Nutzungsdauer digitaler Medien im internationalen Vergleich wird deutlich, dass es unterschiedliche Befundmuster gibt. In Deutschland geht eine längere Nutzung mit einem niedrigeren mittleren Kompetenzwert einher. Für die Vergleichsgruppe EU ist der Zusammenhang umgedreht. In der Vergleichsgruppe OECD erreicht die Gruppe Kinder, die maximal 30 Minuten digitale Medien zu diesem Zwecke nutzt, die höchste mittlere Lesekompetenz. Es lassen sich hier also keine eindeutigen Zusammenhänge erkennen. Die Autorin und die Autoren sehen dieses Ergebnis für Deutschland kritisch: „Gerade dieser Befund ist vor dem Hintergrund des Literacy-Ansatzes und der Relevanz einer Recherchekompetenz, um gesellschaftlich mündig zu sein, mit Aufmerksamkeit zu betrachten“ (Lorenz et al. 2023: S. 212). Sie empfehlen weitergehende Zusammenhangsanalysen.

Individualisierte Leseaktivitäten mit digitalen Geräten in Deutschland

Neben der Art und Häufigkeit der Nutzung digitaler Geräte im Leseunterricht mit der ganzen Klasse, „sind im Kontext der Förderung der Lesekompetenz auch gezielte Maßnahmen mit bestimmten Schülerinnen und Schülern von Interesse“ (Lorenz et al. 2023: S. 208). In Abbildung 6 ist zu sehen, wie häufig individualisierte Leseaktivitäten mit digitalen Endgeräten für bestimmte Gruppen im Unterricht durchgeführt werden. Die Ergebnisse basieren auf den Angaben der Lehrkräfte und sind auf die Population der Schülerinnen und Schüler gewichtet.

Abbildung 6: Häufigkeit der Durchführung von individualisierten Leseaktivitäten mit digitalen Geräten mit bestimmten Gruppen von Schülerinnen und Schülern. Quelle: Lorenz et al. (2023): S. 208 (in Anlehnung an Abbildung 9.3)

Etwa 80 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler erleben oft oder manchmal individualisierte Leseaktivitäten mit digitalen Geräten für leistungsstarke sowie auch für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler. Insgesamt seltener erleben die Kinder individualisierte digital gestütze Leseaktivitätenn für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (oft: 13,6 %; manchmal: 44,1 %). Über die Hälfte der Kinder besucht Unterricht von Lehrkräften, die angeben, digitale Geräte nie zur individuellen Diagnostik von Lesekompetenz zu nutzen. Lorenz et al. sehen hier „noch viel ungenutztes Potenzial zur Differenzierung im Unterricht mithilfe digitaler Medien“ (Lorenz et al. 2023: S. 211).  

Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse von IGLU 2021, dass Deutschland im internationalen Vergleich noch Potenzial in Bezug auf die Ausstattung der Grundschulen mit digitalen Endgeräten und die Nutzung dieser Geräte im Leseunterricht hat. Unter Berücksichtigung von Daten aus früheren Studien (vgl. Lorenz et al. 2023, S. 198f) wird deutlich, dass die Situation sich verbessert hat. Nicht zuletzt durch “Ausstattungsinitiativen während der COVID-19-Pandemie” (Lorenz et al. 2023, S. 211) haben sich die Möglichkeiten zum digitalen Lehren und Lernen vermutlich insgesamt verbessert.

Quelle

Lorenz, R., Goldhammer, F. & Glondys, Manuel (2023). Kapitel 9. Digitalisierung in der Grundschule. In: McElvany, N., Lorenz, R., Frey, A., Goldhammer, F., Schilcher, A. & Stubbe, T. C. (Hrsg.). IGLU 2021. Lesekompetenz von Grundschulkindern im internationalen Vergleich und im Trend über 20 Jahre. Münster: Waxmann, S. 197-214.