IQB-Bildungstrend 2022: Lernbedingungen während der Coronavirus-Pandemie

Im Rahmen des IQB-Bildungstrends wurden Aspekte zur schulischen und häuslichen Lernsituation während der Coronavirus-Pandemie, zu psychosozialen Auffälligkeiten, zu Lernrückständen sowie zu ergriffenen schulischen Maßnahmen zur Reduktion von Lernrückständen erfasst. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.

Merkmale der Lernsituation

In den Schuljahren 2019/2020 und 2020/2021 wurde bundesweit ein erheblicher Teil des Unterrichts als Fern- und Wechselunterricht durchgeführt, dementsprechend fand ein entscheidender Anteil des Lernens von zu Hause aus statt. Zum Präsenzunterricht kehrten die Schulen überwiegend erst im Schuljahr 2021/2022 zurück. Die Schülerinnen und Schüler, die am Bildungstrend 2022 teilgenommen haben, waren somit in den Jahrgangsstufen 7 bis 9 von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen.

Erfasste Merkmale der Lernsituation im Rahmen des IQB-Bildungstrends 2022 sind: Probleme beim Lernen zu Hause, der Besuch einer Sommerschule, das Ausmaß von Fern- und Wechselunterricht sowie regelmäßiger Kontakt der Lehrkraft mit ihren Schülerinnen und Schülern. Die Befragungsergebnisse sagen aus, dass über 90 % der befragten Deutsch- und Englisch-Lehrkräfte mit allen oder den meisten Schülerinnen und Schülern während des Fernunterrichts regelmäßig in Kontakt standen. Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler berichten zudem, dass sie nie oder selten Probleme mit dem Zugang zu einem digitalen Endgerät bzw. zum Internet hatten. Des Weiteren hatten 80 % der Jugendlichen nie oder selten Probleme, einen ruhigen Platz zum Lernen zu finden. Demgegenüber geben etwa 70 % an, dass sie häufig oder manchmal Probleme hatten, sich zum Lernen zu motivieren. 47 % hatten häufig oder manchmal Probleme die Schulaufgaben zu verstehen.

Lernrückstände und psychosoziale Auffälligkeiten

In Niedersachsen geben 13 % der Deutsch- bzw. 10 % der Englisch-Lehrkräfte an Gymnasien an, dass die meisten oder fast alle der Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse zum Testzeitpunkt im Jahr 2022 pandemiebedingte Lernrückstände aufweisen. Lehrkräfte anderer Schulformen geben dies zu 50 % (Deutsch) bzw. 34 % (Englisch) an. Jeweils gut ein Viertel der Lehrkräfte gibt an, dass dies auf die Hälfte ihrer Schülerinnen und Schüler zutrifft.  

16 % der Deutsch- und 10 % der Englisch-Lehrkräfte in Niedersachsen geben an, dass etwa die Hälfte oder mehr ihrer Schülerinnen und Schüler zum Testzeitpunkt psychosoziale Auffälligkeiten zeigten. Ein Viertel der Deutsch-Lehrkräfte, sowie knapp ein Drittel der Englisch-Lehrkräfte anderer Schulformen kommen ebenfalls zu dieser Einschätzung.

Einschätzung der Lernrückstände durch die Lehrkräfte
 
Einschätzung psychosozialer Auffälligkeiten durch Lehrkräfte
 

Die Schülerinnen und Schüler berichten selbst signifikant häufiger, emotionale Probleme zu erleben als die im IQB-Bildungstrend 2018 befragten Neuntklässlerinnen und Neuntklässler. Im Hinblick auf Hyperaktivität zeigt sich für die Merkmale körperliche Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten eine nicht zu vernachlässigende Zunahme von 2018 zu 2022.

Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Lernsituation und den erreichten Kompetenzen sowie psychosozialen Auffälligkeiten

Für das Fach Englisch zeigt sich, dass ein regelmäßiger Kontakt der Lehrkraft mit vielen Schülerinnen und Schülern mit einem höheren Kompetenzniveau einhergeht. In Hinblick auf das Ausmaß von Fern- und Wechselunterricht zeigen sich keine signifikanten Zusammenhänge zu den Kompetenzwerten in beiden Fächern. Bei der Interpretation muss jedoch beachtet werden, dass alle Schülerinnen und Schüler ähnlich stark vom Fern- und Wechselunterricht betroffen waren und es keine Referenzgruppe (Schülerinnen und Schüler durchgehend im Präsenzunterricht) gibt. Demnach kann der Einfluss von Fern- und Wechselunterricht nicht abschließend untersucht werden. Eine Unterschätzung des Einflusses von Fern- und Wechselunterricht ist wahrscheinlich.

Für die psychosozialen Auffälligkeiten (emotionale Probleme und Hyperaktivität) zeigen sich wenige signifikante und gering ausgeprägte Zusammenhänge mit den Merkmalen der Lernsituation. Probleme beim Lernen zu Hause gehen einher mit häufigeren emotionalen Problemen und Merkmalen von Hyperaktivität. Des Weiteren gibt es Geschlechterunterschiede: Mädchen berichten häufiger von emotionalen Problemen und Jungen häufiger von Anzeichen der Hyperaktivität.  

Schulische Maßnahmen

In Reaktion auf die zu erwartenden Lernrückstände der Schülerinnen und Schülern in Folge der Coronavirus-Pandemie wurde im IQB-Bildungstrend 2022 erfasst, inwieweit verschiedene Maßnahmen von den Schulen ergriffen wurden. Während vor den Sommerferien 2021 deutschlandweit mehr als zwei Drittel der Schulen keine diagnostischen Verfahren zur Ermittlung von Lernrückständen in Deutsch, Englisch oder Mathematik anwendeten, setzten zu Beginn des Schuljahres 2021/2022 über 80 % der Schulen ein standardisiertes oder schulintern entwickeltes Verfahren zur Diagnostik ein. Zudem konnte im Schuljahr 2021/2022 deutschlandweit in zwei Drittel der befragten Schulen zusätzliches Personal eingestellt werden. In 35 % der Schulen wurden Lehramtsstudierende eingesetzt, in 20 % der Schulen wurde auf zusätzliche Lehrkräfte zurückgegriffen. In wenigen Schulen wurden Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Erzieherinnen und Erzieher oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eingesetzt.

Des Weiteren wurde erfragt, inwieweit an den Schulen außerunterrichtliche Angebote (z. B. Hausaufgabenbetreuung und Förderung, fachbezogene oder fächerübergreifende Angebote) neu eingerichtet oder erweitert wurden. Etwa 91 % der Schulleitungen geben an, dass mindestens ein außerunterrichtliches Angebot ausgebaut wurde. Unter Anderem wurden in mehr als der Hälfte der Schulen Förderunterricht in den Fächern Deutsch (61 %) und Englisch (52 %) sowie Förderangebote in Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache (56 %) ausgebaut.

Die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2022 im Kurzfilm

Ergänzend zu diesen ausgewählten Ergbnissen möchten wir Sie gerne auf das folgende Video hinweisen. Der wissenschaftliche Leiter des IQB-Bildungstrends, Dr. Stefan Schipolowski, präsentiert darin die Funktion, die Durchführung sowie die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2022:

Quelle

Stanat, P., Schipolowski, S., Schneider, R., Weirich, S., Henschel, S. & Sachse K. A. (Hrsg.) (2023). IQB-Bildungstrend 2022. Sprachliche Kompetenzen am Ende der 9. Jahrgangsstufe im dritten Ländervergleich. Münster: Waxmann.

Links

Weitere Informationen zum IQB-Bildungstrend 2022 finden Sie hier.