Lerndefizite durch die Covid-19-Pandemie: Ergebnisse einer internationalen Meta-Studie

In der Fachzeitschrift Nature Human Behaviour ist im Januar 2023 eine Meta-Studie zu Lerndefiziten während der Coronapandemie veröffentlicht worden. Im Folgenden berichten wir über die Anlage und die Ergebnisse dieser Studie.

Anlage und Ziel der Studie

Ziel der Studie ist es, evidenzbasiertes Wissen über die Lernrückstände der Schülerinnen und Schüler weltweit während der Covid-19-Pandemie zu begutachten und systematisch auszuwerten. Zur Definition von Lernrückständen zählen die Autoren das Zurückbleiben hinter den erwarteten Kompetenzzielen und den Verlust an Fähigkeiten und Wissen, das bereits erworben wurde. Lernrückstände haben lebenslange Auswirkungen auf die Bildungs- und Arbeitsmarktchancen der Kinder.

In die Meta-Studie wurden 42 Studien einbezogen, die seit Beginn der Pandemie veröffentlicht worden sind. Die dafür erhobenen Daten stammen aus vergleichsweise wenig Ländern: Studien aus den USA und Europa sind stark überrepräsentiert. Weitere Studien kommen aus Australien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Studien aus Ländern mit niedrigem Einkommen fehlen. Die Ergebnisse sind daher geografisch gesehen nur eingeschränkt interpretierbar.

Ergebnisse

Auf Basis der einbezogenen Studien kann festgestellt werden, dass der Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler während der Pandemie geringer war als unter normalen Umständen: der Lernfortschritt während eines Schuljahres war durchschnittlich um mehr als ein Drittel geringer als normal.

Die Daten zeigen, dass sich diese Lerndefizite sehr früh während der Pandemie entwickelt haben, im Verlauf nicht nennenswert größer geworden sind, aber auch nicht aufgeholt werden konnten. Dies deckt sich mit Ergebnissen früherer Studien zu Auswirkungen von Einschränkungen des Schulbetriebs auf das Lernen. Die Autoren sprechen sich dafür aus, die Entwicklung der Pandemie-bedingten Lerndefizite weiter systematisch zu beobachten.

Die im Artikel aufgestellte These, dass Kinder aus sozio-ökonomisch schwächeren Haushalten stärker von den Pandemie-bedingten Veränderungen der Lernbedingungen betroffen sind, kann durch die meisten herangezogenen Studien bestätigt werden. Die Bildungsungleichheit ist während der Pandemie insgesamt gestiegen. Dies betrifft die untersuchten Fächer Mathematik und Deutsch. Die zunehmende Bildungsungleichheit lässt sich in den verschiedenen Jahrgangsstufen feststellen.

Keine Aussagen können über Auswirkungen der Pandemie auf die Geschlechterungleichheit im Bildungssystem gemacht werden, da es dazu nur sehr wenige Daten gibt. Die meisten herangezogenen Studien unterscheiden die Lernrückstände nicht nach Geschlecht.

Eine weitere Analyse der Daten zeigt, dass die Pandemie-bedingten Lernrückstände im Fach Mathematik größer sind als im Fach Deutsch. Unterschiede in den Lernrückständen von Schülerinnen und Schülern im Primar- und im Sekundarbereich können nicht festgestellt werden.

Hingegen ist deutlich erkennbar, dass die Lernrückstände in den Ländern mit mittlerem Einkommen größer sind als in den Ländern mit hohem Einkommen. Dazu ist anzumerken, dass die herangezogenen Studien zum Großteil aus den USA und Europa kommen, wenige Studien aus Ländern mit mittlerem Einkommen und im Sample keine Studien aus Ländern mit niedrigem Einkommen einbezogen sind. Es ist aber laut den Autoren davon auszugehen, dass in diesen Ländern die Lernrückstände ebenfalls größer sind.

Schlussfolgerungen

Die Autoren regen an, die Ergebnisse ihrer Studie für die Entwicklung politischer Maßnahmen zu nutzen, um die Lernrückstände der betroffenen Schülerinnen und Schüler möglichst zu kompensieren. Hier könne auf Forschungsergebnisse zur effektiven Nutzung niedrigschwelliger und kostengünstiger Lernangebote zurückgegriffen werden. Angeregt wird zudem, die Sommerferien für Aufholprogramme zu nutzen, sowie kostenfreie Lernmöglichkeiten mit Apps u.Ä. zu schaffen. Bei diesen Maßnahmen stehe eine Wirksamkeitsprüfung noch aus.

Studien dieser Art sind notwendig, um herauszufinden, was Schulschließungen für das Lernen der Kinder bedeutet. Die Forschung muss daher die Entwicklung der Lerndefizite dieser Kinder auch in den nächsten Jahren in den Blick nehmen.

Quelle

Betthäuser, B. A., Bach-Mortensen, A. M. & Engzell, P. (2023). A systematic review and meta-analysis of the evidence on learning during the COVID-19 pandemic. In: Nature Human Behaviour 7: 375 – 385. https://doi.org/10.1038/s41562-022-01506-4