Nationaler Bildungsbericht 2024 – Zentrale Ergebnisse

Die Autorinnen und Autoren des Bildungsberichts legen mit dem Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“ (2024a) eine Bestandsaufnahme des deutschen Bildungssystems vor. In diesem Beitrag werden zentrale Befunde ausfolgenden ausgewählten Kapiteln dargestellt: veränderte Rahmenbedingungen und Grundinformationen, allgemeinbildende Schulen, Weiterbildung, berufliche Bildung und Bildungsverläufe. Zentrale Befunde aus dem Kapitel berufliche Ausbildung finden Sie hier. Einen Bericht zu Trends und Problemlagen sowie zu zentralen Herausforderungen finden Sie hier.

Bildung im Spannungsfeld veränderter Rahmenbedingungen

In Deutschland wirken sich aktuell besonders Zuwanderung, Wirtschaftsleistung, Erwerbsbeteiligung und bildungsbezogene Risikolagen auf das Bildungssystem aus. Die Nettozuwanderung betrug in Deutschland im Jahr 2022 1,5 Millionen Personen. Dieses starke Bevölkerungswachstum lässt sich größtenteils mit den Zuzügen durch den Krieg in der Ukraine erklären. Langfristig nimmt der Anteil der Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte zu. Auch die Altersgruppe der Kinder im Kita- und Grundschulalter ist gewachsen. Diese Entwicklungen werden zukünftig zu einer erhöhten Nachfrage in sämtlichen Bildungsbereichen führen. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland wächst seit der Corona-Pandemie unterdurchschnittlich. Die Zahl der Erwerbstätigen hingegen ist fast wieder auf Vor-Corona-Niveau. Die Erwerbsbeteiligung in der zweiten Lebenshälfte ist stark gestiegen und auch die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist erhöht. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gerade für Alleinerziehende eine besondere Herausforderung. Dies zeigt sich an der unterdurchschnittlichen Erwerbsquote von Alleinerziehenden. Flexible Arbeitszeitmodelle und die Verfügbarkeit von Betreuungsangeboten sichern besonders die Erwerbstätigkeit von Frauen. Bei Kindern von Alleinerziehenden und Kindern mit Einwanderungsgeschichte sind bildungsbezogene Risikolagen (sozial oder finanziell) häufiger. Diese Risikolagen haben nach wie vor einen negativen Einfluss auf den Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen. Der Umgang mit schwierigen sozialen Lebenslagen bleibt gerade im Sinne der Chancengleichheit eine zentrale Herausforderung für das Bildungssystem (vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2024a S. 5-6 und S. 53, 2024b S. 2-3).

Grundinformationen zu Bildung in Deutschland

In fast allen Bildungsbereichen steigt die Zahl der Bildungsteilnehmenden. Besonders im Bereich der frühen Bildung und der Hochschulen wächst das Angebot an Bildungseinrichtungen. Auch die Anzahl der Beschäftigten im Bildungsbereich steigt. Im Jahr 2022 waren 2,7 Millionen Menschen, also +21 % im Vergleich zum Jahr 2012, in der Frühen Bildung, an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Hochschulen beschäftigt. Bildungspersonal ist häufiger weiblich und teilzeitbeschäftigt und seltener mit Einwanderungsgeschichte. Die Bildungsausgaben betrugen im Jahr 2022 264 Milliarden Euro. Schulen und schulnaher Bereich sind dabei Ausgabenschwerpunkt. Trotz des weiterhin steigenden Bildungsstands der Bevölkerung, zeigen sich große Unterschiede im Bildungsstand nach der sozialen Herkunft sowie einwanderungsbezogene Unterschiede im Bildungsstand nach Zuzugsalter. Die Bildungsbeteiligung junger Erwachsener aus Familien mit formal gering qualifizierten Eltern ist auffällig gering. 40 %, also weniger als die Hälfte der 20- bis unter 25-jährigen Schulabgänger, deren Eltern weder einen beruflichen Abschluss noch die Hochschulreife erworben haben, besuchten 2021 eine formale Bildungseinrichtung (vgl. ebd. 2024a S. 6-7, 2024b S. 4-5).

Allgemein bildende Schule und non-formale Lernwelten im Schulalter

Das Angebot an Grundschulen und weiterführenden Schulen ist nach langjährigem Rückgang stabil. Ganztagsangebote werden trotz ungedeckter Bedarfe nicht anhaltend ausgebaut und auch bei der Gewinnung qualifizierter Lehrkräfte bleiben, trotz anhaltenden Bedarfs, Potenziale ungenutzt. So bestehen hohe Barrieren für Lehrkräfte mit ausländischen Lehrberufsqualifikationen. In Ganztagsbedarf und -quote gibt es fortbestehende Ost-West-Unterschiede. Während 2023 in Ostdeutschland 84 % der Grundschulkinder an einem ganztätigen Angebot teilnahmen, waren dies in Westdeutschland nur 50 %. Bildungsbeteiligung und -erfolg im Schulalter sind beständig von sozialen Ungleichheiten geprägt. So sind soziale Disparitäten am Übergang nach der Grundschule erkennbar – 78 % der Kinder, die eine Gymnasialempfehlung bekommen, haben einen hohen sozioökonomischen Status, wohingegen 32 % der Kinder mit Gymnasialempfehlung einen niedrigen sozioökonomischen Status haben. Zudem gibt es wieder mehr Schulabgänge ohne Abschluss. Die Zahl der leseschwachen Kinder ist gestiegen und für die individualisierte Leseförderung werden selten digitale Medien genutzt (vgl. ebd. 2024a S. 9-10, 2024b S. 8-9).

Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter

Das Niveau der Weiterbildungsbeteiligung verbleibt zwar hoch, aber hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Während (non-)formales Lernen stagniert, wächst informelles Lernen – also Lernen, das gezielt oder ohne Absicht im Alltag, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit geschieht. Soziale Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung bleiben bestehen, auch beim informellen Lernen. So nehmen Menschen mit hohem Bildungsabschluss eher an formaler sowie an informeller Bildung teil. Die Weiterbildungsaktivitäten von Betrieben sind seit der Corona Pandemie eingeschränkt. Das wissenschaftliche Weiterbildungsangebot in der Hochschullandschaft ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Private Hochschulen bieten relativ zu ihrem Gesamtangebot deutlich mehr weiterbildende Masterstudiengänge an als öffentliche Hochschulen. Digitale Lernformate wachsen weiter an, insbesondere in der beruflichen Weiterbildung. Weiterbildungseinrichtungen haben Schwierigkeiten, Personal zu finden. Die Zugangswege von Lehrkräften in der Weiterbildung sind sehr heterogen. Das Qualifikationsniveau weiterbildender Personen ist sehr hoch – 81 % haben einen Hochschul- oder Meisterabschluss und 27 % verfügen über einen pädagogischen Hochschul- oder Lehramtsabschluss. Aufgrund der geringen Zugangsreglementierung und vielfältiger Qualifikationen nehmen Zusatzqualifikationen hier einen zentralen Stellenwert ein. Der Bedarf an Integrationskursen ist seit Beginn des Kriegs in der Ukraine stark angestiegen (vgl. ebd. 2024a S. 14-16, 2024b S. 14-15).

Berufliche Bildung

Die Steuerungsstrukturen der beruflichen Bildung sind hoch komplex. Durch ihr Stattfinden in den drei Bildungsbereichen Ausbildung, Weiterbildung und hochschulische Bildung ist sie in verschiedene gesellschaftliche Systeme, wie das Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Sozial- und Wissenschaftssystem eingebunden. Unter anderem aus diesem Grund wird die Qualität der beruflichen Bildung nicht systematisch gesteuert und evaluiert. Berufliche Orientierung ist zwar als gesetzlicher Auftrag der Schulen verankert, jedoch fühlen sich Schülerinnen und Schüler häufig unzureichend über Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten informiert. Gemessen am Nachholen eines Schulabschlusses, am Zuwachs an Kompetenzen und am Übergang in vollqualifizierende berufliche Bildung bleiben die Maßnahmen im Übergangssektor mit begrenzter Wirkung. So gelingt nicht allen Jugendlichen nach der Übergangsmaßnahme die Einmündung in die berufliche Bildung. Die Teilnahme an beruflicher Bildung ist nach wie vor an die soziale Herkunft und eine Einwanderungsgeschichte gekoppelt. „Jugendliche aus Elternhäusern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status streben Berufe mit einem niedrigen Berufsprestige an“ (ebd. 2024a, S. 16). Migrantische Jugendliche streben im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Migrationshintergrund mit ähnlichem sozioökonomischem Status nach dem Schulabschluss deutlich häufiger den Erwerb höherer Schulabschlüsse an. Kompromisse und Verzögerungen sind bei der Einmündung ins Studium oder in die Berufsausbildung weit verbreitet. Die Mehrheit der Ausbildungen verlaufen ohne Unterbrechungen und münden in einen Abschluss. Abbrüche von Bildungsgängen sind meist mit Wechseln innerhalb des Bildungsbereichs verbunden. Jeder dritte Abbruch führt jedoch in instabile weitere Bildungsverläufe. Nach dem Bachelorabschluss ist die Aufnahme eines Masterstudiums die Regel. Nach der Berufsausbildung folgt hingegen meist keine Höherqualifizierung, sondern der Arbeitsmarkteinstieg. Nach dem Abschluss gelingt meist ein Übergang in eine angemessene Erwerbstätigkeit. Formal gering Qualifizierte haben im Gegensatz zu Personen mit berufsqualifizierendem Abschluss ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko, fast zwei Drittel sind jedoch in Arbeit. „Sie kompensieren fehlende Formalqualifikation mit längeren Betriebszugehörigkeiten und entsprechender beruflicher Erfahrung. Dennoch sind ihr Einkommen und ihre berufliche Mobilität begrenzt, da diese in Deutschland eng an den formalen Abschluss gekoppelt ist“ (ebd. 2024 a, S. 17). Beschäftigte ohne Berufsabschluss sind häufig als Fachkraft und zumeist in Berufen mit geringem Prestige tätig (vgl. ebd. 2024a S. 16-18, 2024b S. 16-17).

Bildungsverläufe, Kompetenzentwicklung und Erträge

Bildungs- und Erwerbsverläufe sind je nach Bildungsabschluss der Eltern sehr unterschiedlich. Die Arbeitslosigkeit ohne Berufsabschluss ist bei jungen Erwachsenen, deren Eltern keinen Berufsabschluss oder keine (Fach-)Hochschulreife haben, 9 Prozentpunkte höher als bei jungen Erwachsenen, deren Eltern einen Berufsabschluss oder eine (Fach-)Hochschulreife haben. Die Erwerbsbeteiligung ist bei höheren Bildungsabschlüssen, auch aus einer langfristigen Perspektive, stärker ausgeprägt. Langzeitarbeitslosigkeit und Nichterwerbstätigkeit ist am deutlichsten durch gering Qualifizierte geprägt. Höherqualifizierung im Erwerbsalter ist dafür bei formal gering Qualifizierten häufig. Höhere Bildungsabschlüsse sind tendenziell mit einem höheren politischen Interesse und einem größeren Vertrauen in demokratische Aspekte verbunden. Im Haushalt lebende Kinder bedeuten zum Teil eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Bildungsabschlüsse und Kompetenzen werden lebenslang erworben. So ist die Steigerung der Lesekompetenz auch im Erwachsenenalter lebenslang möglich. Es bestehen soziale Disparitäten in der Ausübung sprachlich anregender Aktivitäten und in der frühen Wortschatzentwicklung (vgl. ebd. 2024a S. 18-19, 2024b S. 18-19). „Bezugspersonen mit einem (Fach-)Hochschulabschluss gaben im Vergleich zu Bezugspersonen mit maximal einem Mittleren Schulabschluss und einem oder keinem beruflichen Ausbildungsabschluss häufiger an, dass ihren 3-jährigen Kindern vorgelesen wurde“ (ebd. 2024a S. 18).

Quellen

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (2024a). Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung. wbv Publikation.

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (2024b). Bildung in Deutschland kompakt 2024. Zentrale Befunde des Bildungsberichts. wbv Publikation.