Liebe Eltern, wir alle erleben gerade eine außergewöhnliche Situation, die niemand sich hätte vorstellen können. Unser gewohnter Alltag und der Ihrer Kinder verändern sich im Moment radikal. Viele Menschen, bestimmt auch viele Kinder und Jugendliche, sind durch die radikalen Maßnahmen zur Kontrolle der weltweiten Pandemie wahrscheinlich verunsichert und fühlen sich möglicherweise verängstigt oder bedroht. Sie als erziehungsverantwortliche Erwachsene sind diejenigen, die im Moment entscheidend zum Sicherheitsgefühl und zum Wohlergehen Ihrer Kinder beitragen können. Was können Sie tun, um Ihre Kinder zu unterstützen? Die Schulpsychologische Dezernentin Heike Ammermann gibt dazu folgende Ratschläge:
1. Informationen: Nicht nur wir Erwachsenen, auch die Kinder und Jugendlichen haben im Moment viele Fragen. Das ist normal. Wir Menschen sind nicht so gut darin, mit Unklarheit umzugehen. Dann beginnen die Gedanken zu kreisen, wir fangen an zu grübeln und uns Sorgen zu machen. Informationen geben uns Sicherheit. Kinder können sich noch nicht vorstellen, was ein Virus ist und woher es kommt. Sie fragen sich, ob sie selber oder ihre Familie davon betroffen sind, wann die Schule wieder anfängt, woher die Krankheit kommt oder warum die Großeltern nicht besucht werden sollen… Seien Sie für die Fragen Ihres Kindes aufmerksam und nehmen Sie sich Zeit, sie sachlich und kindgerecht zu beantworten. Klare Informationen verringern Grübeln und Sorgen und wirken Ängsten entgegen. Eine gute Idee kann es z.B. sein, mit Ihrem Kind zusammen die Kindernachrichten im Fernsehen zu schauen. Dort werden Kinder sehr gut und angemessen informiert. Von zum Teil beunruhigenden Informationen aus dem Fernsehen oder dem Internet, die Kinder nicht einordnen können, sollten Sie Ihr Kind sorgfältig beschützen.
2. Struktur: Unverhofft schulfreie Zeit ist für Schüler*innen zunächst etwas Positives. Schule ist aber auch ein Ort, der dem Leben von Kindern und Jugendlichen klare Orientierung und Struktur gibt. Halt und Sicherheit sind in Zeiten, in denen wir uns unsicher fühlen, besonders wichtig. Geben Sie Ihrem Kind Sicherheit, indem sie die schulfreien Wochen gemeinsam planen. Erhalten Sie so viel Normalität, wie möglich, zum Beispiel, indem Sie Ihre gewohnten Schlafens- und Aufstehzeiten beibehalten und gemeinsam regelmäßige Mahlzeiten einnehmen. Entwerfen Sie mit Ihren Kindern zusammen einen Tagesplan, an den sich alle halten. Lassen Sie Ihre Kinder gleichberechtigt Vorschläge machen. Planen Sie Ruhe- und Aktivitätsphasen ein. Verteilen Sie die Pflichten und Aufgaben gerecht. Aufgaben zu übernehmen hilft Kindern das gute Gefühl zu haben, wichtig zu sein! Bauen Sie auch eine schulische Übungszeit mit ein, aber stellen Sie Ihre Erwartungen hier ruhig etwas zurück. Ein bisschen zu schaffen reicht im Moment aus. Strukturieren Sie die Medienzeiten Ihrer Kinder, treffen Sie hierfür klare Absprachen. Planen Sie auch Spielzeiten als wichtigen „Programmpunkt“ mit ein. Wenn Sie zusammen eine gute Tagesstruktur gestaltet haben, bleibt weniger Zeit für Sorgen und Grübeleien, ebenso für Langeweile. Den gemeinsam erarbeiteten „Stunden-Plan“ können Sie für alle sichtbar an die Wand hängen.
3. Zusammen sein: Schule ist ein Ort, wo Kinder und Jugendliche ihre Kontakte pflegen. Gerade der Kontakt zu Freund*innen und wichtigen Bezugspersonen wird nun in den nächsten Wochen eingeschränkt sein. Ihr Kind erlebt vielleicht deshalb gerade einen Verlust positiver Alltagserlebnisse. Viele Kinder reagieren in solchen Situationen traurig oder auch schlecht gelaunt, gelangweilt, unruhig oder gereizt. Auch das ist in einer ungewöhnlichen Situation normal. Ihr Kind ist im Moment vielleicht noch mehr als sonst auf Sicherheit in den Beziehungen zu den nahen Angehörigen angewiesen. Seien Sie als Eltern präsent und emotional erreichbar für Ihr Kind, indem Sie Ihm zuhören, Verständnis zeigen und seine Bedürfnisse beachten. Halten Sie zusammen und geben Ihrem Kind das Gefühl: „Wir sind bedingungslos für Dich da, wir freuen uns über gemeinsame Zeit mit Dir.“ Kontakt zu wichtigen Bezugspersonen können Sie im Moment durch Telefon oder Soziale Medien aufrechterhalten. Wenn man plötzlich viel mehr Zeit als sonst gemeinsam verbringt, kommt es möglicherweise auch vermehrt zu Konflikten. Auch das ist normal. Es kann hilfreich sein, sich darauf einzustellen. Setzen Sie Prioritäten: Vielleicht gelingt es Ihnen, schwierige Situationen zu deeskalieren, indem Sie einmal durchatmen und erst reagieren, wenn Sie sich beruhigt haben. Vielleicht ist es möglich, Zank und Streitereien, die nicht allzu wichtig sind, einfach einmal zu vertagen? Halten Sie zusammen, indem Sie sich mit anderen Eltern, Nachbarn und Freunden austauschen und sich gegenseitig unterstützen.
4. Akzeptanz: Angst und Unsicherheit sind normale Reaktionen auf eine außergewöhnliche Situation. Wir Erwachsenen können Kindern Sicherheit vermitteln, wenn wir selber möglichst klar, ruhig, vernünftig und gelassen sind. Das fällt nicht immer leicht. Investieren Sie selber auch Zeit und Energie in Ihr eigenes Wohlergehen und Ihre eigene Stabilität. Teilen Sie Ihre Sorgen und Ängste mit anderen Erwachsenen oder kontaktieren Sie, wenn nötig, eine Beratungsstelle. Je sicherer Sie sich selber fühlen, desto leichter wird es auch Ihr Kind haben, vertrauensvoll in die Zukunft zu sehen und die Situation so zu akzeptieren, wie sie ist. Nehmen Sie alle, auch die problematischen Gefühle Ihres Kindes ernst, indem Sie dem Kind zeigen, dass Sie die Gefühle gehört und verstanden haben. Akzeptieren Sie die Situation so, wie sie ist und versuchen Sie nicht, dem Kind seine Ängste oder Sorgen auszureden. Zeigen Sie stattdessen Verständnis für die Gefühle Ihres Kindes, ohne sie unnötig zu dramatisieren. Versuchen Sie gelassen und einfühlsam zuzuhören. Sie können zusammen überlegen, was konkret helfen könnte, was Sie und Ihr Kind tun könnten, damit es Ihm möglichst gut geht. Krisen bergen oft Chancen, an die man ohne diese nie gedacht hätte. Suchen Sie gemeinsam das Gute in der Situation und versuchen Sie, trotz Belastungen, sich Positives vor Augen zu führen. Seien sie geduldig mit ihrem Kind und mit sich selber. Seien Sie verzeihlich, wenn Ihnen nicht alles sofort und perfekt gelingt.
5. Sport und Bewegung: Kinder brauchen Bewegung! Sich im Körper wohl zu fühlen ist wichtig für die physische und auch die psychische Gesundheit. Bewegung und Sport reduzieren Stress, helfen gegen Langeweile, machen Spaß, vermindern Sorgen und können gegen Depressionen schützen. Im Moment fallen übliche Möglichkeiten für Bewegung weg, so dass Familien gefordert sind, kreativ zu werden. Wer Möglichkeiten hat, draußen zu sein oder sich in der Natur aufzuhalten, sollte diese nutzen. Auch in der Wohnung kann man sich einiges einfallen lassen. Erinnern Sie sich an die eigene Kindheit: Spielen Sie Verstecken oder machen Sie Gymnastik oder denken Sie sich kleine Geschicklichkeitsspiele aus. Hierzu gibt es im Moment viele gute Anregungen in den Medien. Was unserem Körper und unserer Seele auch noch gut tut: Das Lieblingsessen zubereiten, ein Bad nehmen, einen Purzelbaum machen, es sich gemütlich machen, in der Sonne sitzen, genügend schlafen…
6. Spiel und Spaß: So ernst die Lage auch sein mag: Niemandem nutzt es, dauerhaft Trübsal zu blasen. Bemühen Sie sich, Ihrem Kind Zuversicht und Hoffnung zu vermitteln, indem Sie kreativ nach Möglichkeiten und Quellen von Freude und Genuss suchen. Hat Ihr Kind besondere Interessen, Hobbies, ist es gern kreativ? Fördern Sie diese Aktivitäten. Der Alltag birgt viele Möglichkeiten, gemeinsam etwas zu tun. Nutzen Sie die positiven Seiten der Lage. Überlegen Sie, was man alles zu Hause unternehmen kann. Backen Sie z.B. Kuchen oder spielen Sie Gesellschaftsspiele. Zeigen Sie Interesse für die Medien Ihres Kindes. Das vermittelt Ihrem Kind einerseits Ihr aufrichtiges Interesse, andererseits haben Sie auch einen Eindruck, womit Ihr Kind beschäftigt ist. Lassen Sie es damit möglichst nicht allein.
7. Etwas Sinnvolles tun, Engagement: Alle Maßnahmen, die unsere Bewegungsfreiheit einschränken, dienen dem Schutz von besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Das ist eine positive gemeinschaftliche Aktivität unsere Gesellschaft und in vielen Ländern der Welt. Auch dort sind Familien und Kinder betroffen. Es tut gut, etwas für andere zu tun, etwas tun zu können, worin wir einen Sinn sehen können und das uns das Gefühl gibt, wichtig zu sein. Das schafft Vertrauen und Zuversicht. Auch kleinere Kinder können diesen Solidaritätsgedanken verstehen und stolz auf Ihre Mithilfe sein. Sich mit anderen positiv verbunden zu fühlen stärkt unser psychisches Wohlbefinden. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber und teilen sie diesen positiven Gemeinschaftssinn miteinander. Vielleicht können Sie auch zusammen helfen: Haben Sie ältere oder kranke Nachbarn, für die sie mit Ihrem Kind einkaufen können? Möchte Ihr Kind vielleicht eine Postkarte an Oma schreiben? Gemeinsame Werte machen uns stark und stärken das Selbstbewusstsein Ihres Kindes.
Wenden Sie sich auch im Rahmen der Corona-Krise bei psychischen Belastungen oder Schwierigkeiten im Zusammenhang mit schulischen Fragestellungen gern an die für Ihre Schule zuständige schulpsychologische Beratung.