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Packend, berührend, mutig

Dörverdener Schüler erinnern mit Musiktheater
an die Comedian Harmonists

Ausschweifendes Nachtleben mit Völlerei, Musik und Tanz auf der einen Seite, trostlose Arbeitslosigkeit, Wohnungs- und Hungersnot und die Verführung durch Hitler und seine Schergen auf der anderen. Beim Theaterprojekt „Comedian Harmonists – Die musikalische Geschichte“ von Zehntklässlern der Oberschule Dörverden lag beides ganz dicht beieinander. Mit der Inszenierung im Kochs Hof lieferte das junge Ensemble gleich zweimal eine beeindruckende Leistung ab.

Erzählt, gespielt und gesungen wurde die Geschichte der Comedian Harmonists von 1927 bis 1935. Sie begann mit der Gründung der „Boygroup“ durch Harry Frommermann (Dennis Gajan) und dem Suchen und Finden seiner singenden Mitstreiter Robert Biberti (Naomi Dippe), Erich Collin (Lena Möcker), Roman Cycowski (Tatjana Beutler), Ari Leschnikoff (Anna Dedekind) und Pianist Erwin Bootz (Leon Hefling). Das Stück handelte von Proben und Rückschlägen bis hin zu den Erfolgen mit Titeln wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Veronika der Lenz ist da“, mit denen sie weit über Deutschland hinaus bekannt wurden. 1935 erhielten die Harmonists von den Nazis ein Auftrittsverbot, da drei der sechs Mitglieder jüdischer Abstammung waren. Den Juden Frommermann, Collin und Cycowski wurde Berufsverbot erteilt und das Ensemble zerbrach. Die drei jüdischen Musiker emigrierten und überlebten wie die anderen Mitglieder die NS-Zeit. Doch die gewaltsam getrennten Hälften fanden nie wieder zusammen, geblieben ist nur ihre Musik.

Seinen Ursprung hat das von den Lehrkräften Jörg Suckow und Nathalie Schmidtmeyer gemeinsam mit Schülern entwickelte Stück im Geschichtsunterricht zum Thema Nationalsozialismus. Dort entstand die Idee, die Geschichte der Comedian Harmonists als Theaterprojekt zu entwickeln und auf die Bühne zu bringen. Rund 50 Schüler waren involviert, haben geschauspielert und gesungen, Kommunisten und Nationalsozialisten gemimt oder für Bühnenausstattung, Musik, Licht, Technik oder Maske gesorgt. Zusätzlich zu Schauspiel und Gesang wurden per Multimedia-Installationen historische Dokumente aus jener Zeit als Hintergrund in die Kulissen der Bühnen projiziert und einige authentische Tondokumente eingespielt.

Mit „Die „Comedian Harmonists – Die musikalische Geschichte“ haben die Beteiligten ein gut recherchiertes Theaterstück entwickelt, in dem nicht die Aufarbeitung historischer Daten und Fakten im Fokus stand, sondern mehr das Lebensgefühl jener Zeit und der Stimmungswechsel, der sowohl im Volk als auch innerhalb des Sextetts spürbar wurde. Und es ging natürlich um die Musik der Comedian Harmonists, der sich die Schüler angenommen und sie mutig auf die Bühne gebracht haben. Sowohl bei der Schülervorstellung am Vormittag als auch bei der öffentlichen Abendvorstellung – beide waren bis auf den letzten Platz besetzt – fand das Theaterstück jedenfalls großen und verdienten Anklang. Es war in der Tat ein packendes Erlebnis, das vermutlich kaum einen unberührt ließ. Der Finger wurde schließlich in Wunden gelegt, die teils noch offen sind und die sich vielleicht auch niemals schließen sollten.

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© Kreiszeitung vom 05.04.2019