Ein Stolperstein für Irmgard Ruschenbusch
Der Aira-Saal des Ludwig-Harms-Hauses war zu klein für all die Familienangehörigen und Interessierten, die der Gedenkfeier anlässlich der Stolpersteinverlegung für Irmgard Ruschenbusch beiwohnen wollten.
Die Großnichte von Ludwig Harms war im Alter von 45 Jahren im hessischen Hadamar im Rahmen der T4-Aktion der Nationalsozialisten ermordet worden, weil sie unheilbar an Schizophrenie erkrankt war. Erst innerhalb des letzten Jahres führten Nachforschungen ihrer Familie dazu, dass nun endlich ihr Schicksal Aufmerksamkeit erfuhr.
Der Chor des Christian-Gymnasium unter Leitung von Mirjam Strecker eröffnete die Feier mit einem Stück aus “Die Kinder des Monsieur Mathieu”. Das Lied “Vois sur ton chemin” war geradezu programmatisch: Es erinnert an das Schicksal von Kindern, die von der Gesellschaft vergessen wurden und blickt dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft. Johanna Ottermann führte als Mitglied von Irmgard Ruschenbuschs Familie und als Mitarbeitende des Netzwerkes “Ort der Vielfalt” durch die Gedenkstunde. Johanna und Joe von der AG “Schule ohne Rassismus ” Schule mit Courage” zeigten eine für diesen Anlass erstellte Ausstellung, die den Zuhörern Irmgard Ruschenbuschs Leben und ihren Tod näher brachte. Beeindruckt lauschten die Anwesenden den Erzählungen von Prof. Dr. Anneliese Claus-Schulze, die in bewegenden Worten schilderte, was ihr von ihrer “Tante Irmi” in Erinnerung geblieben war, die sie selbst jedoch nie getroffen hatte, da jene bereits seit 1921 aufgrund ihrer Krankheit in Lüneburg lebte. Sie berichtete von der plötzlich eingetroffenen Todesnachricht und von dem großen Mut, den es erforderte, eine Trauerfeier im Hause Ruschenbusch auszurichten. Man habe “Bescheid geahnt”, dass Irmgard keines natürlichen Todes gestorben sei. Dr. Schack, Psychologe an der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, sprach als Vertreter der Einrichtung, in der Irmgard Ruschenbusch zwei Jahrzehnte gelebt hatte, von seiner Tätigkeit als Leiter der dort angesiedelten Gedenkstätte; in dieser Eigenschaft kümmere er sich um die Aufarbeitung der Rolle der Klinik zur NS-Zeit. Bürgermeister Axel Flader betonte, es sei eine bleibende Aufgabe für Hermannsburg, jeglichen Tendenzen zur Ausgrenzung entschieden entgegenzutreten.
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Im Anschluss erfolgte vor Irmgard Ruschenbuschs Elternhaus die Verlegung des Stolpersteins. Pastor Keller von der Großen Kreuzkirche erinnerte daran, dass Irmgard Ruschenbusch nicht leben durfte, da Menschen ihrem Leben die Berechtigung absprachen. Ein Urteil über den Wert eines Lebens, gleich in welcher Phase seiner Entwicklung, stehe jedoch niemandem zu. Zur Verlegung des Stolpersteins erklang das Thema von “Schindlers Liste”, dargeboten von der Blechbläser-AG unter der Leitung von Ulf Hagemann. Der Künstler Gunter Demnig, für den seine Arbeit auch nach Tausenden von Steinen ein echtes Anliegen geblieben ist, erläuterte den Sinn seines Projektes mit eindrücklichen Worten: An Stolpersteinen stolpere man “mit dem Kopf und mit dem Herzen”, und bei ihrer Betrachtung verbeuge man sich vor dem Schicksal derer, denen sie gelten. Wir sind dankbar, dass wir zu dieser nachdenklich stimmenden Feier zu Ehren den Andenkens von Irmgard Ruschenbusch beitragen konnten.
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