Der NATO-Einsatz in Afghanistan – Ein sicherheitspolitischer Erfolg?
Die Frage, ob Afghanistan sicher ist, wurde in letzter Zeit nur in Verbindung mit Flucht und Migration diskutiert. Unter anderem hat die Bundesregierung Mitte 2017 das Land als sicheres Herkunftsland betitelt und empfindet somit die Abschiebung von Flüchtlingen und Migranten dorthin als zulässig. Vielleicht auch, um sich nicht das Scheitern der friedensstiftenden Mission ISAF der NATO von 2001 bis 2014 eingestehen zu müssen.
Nichtsdestotrotz muss etwas passieren, damit sich die wieder aufstrebenden radikalen Strömungen im Land nicht etablieren können. Denn neben der Terrororganisation Taliban ist seit einigen Jahren auch der IS in Afghanistan vertreten. Tatsächlich scheint auch eine Kehrtwende bevorzustehen, da die NATO-Truppen Vorort mit insgesamt 20.000 Soldaten aufgestockt werden sollen. Dabei bleibt Deutschland wohl erstmal mit rund 980 Soldaten dabei, bis eine deutsche Regierung feststeht und eine Neuregelung den Bundestag passiert. Manch einer spricht hier von der verspäteten Einsicht, aber dass es so kommen würde, schien schon beim Gipfeltreffen der NATO-Staaten im November 2010 und dem Beschluss des Abzugs der Truppen im Jahr 2014 klar zu sein.
Die Ziele der ISAF waren die Bildung einer stabilen afghanischen Regierung zu ermöglichen, einheimische Sicherheitskräfte aufzubauen und die Verantwortung an diese zu übergeben. Darüber hinaus stand auch die aktive Terrorbekämpfung im Fokus der Mission, da die Terroranschläge im September 2001 den hauptsächlichen Anlass für diesen Einsatz darstellen. Bei der Betrachtung jener anzustrebenden Ziele und der tatsächlichen Situation in Afghanistan lassen sich deutliche Differenzen aufzeigen. Zwar ist die Zahl der afghanischen Streitkräfte stark angestiegen, das Vertrauen in diese scheint allerdings in weiten Teilen der Bevölkerung zu fehlen. Nachvollziehbar, wenn man das Ranking der Korruption in Afghanistan betrachtet und erschrocken feststellt, dass das Land 2013 Platz 172 von 174 belegt. Diese Tendenz gab es im Übrigen bereits im Zeitraum der westlichen Intervention.
Die Erhöhung der Schlagkraft durch die Taliban und den IS wirft ebenso die Frage auf, welche sichtbaren Erfolge die vielen afghanischen Streitkräfte denn vorzuweisen haben sollen und wurde der internationale Terrorismus wirksam bekämpft? Ein fehlendes Sicherheitsgefühl, welches auf die zahlreichen Entführungen und Anschläge zurückzuführen ist, schränkt das Leben in Afghanistan zudem massiv ein. Da helfen auch Schulen und die Wahl einer Regierung nicht weiter, wenn es maßgeblich an wirtschaftlichen Strukturen und Perspektiven fehlt.
Nur eine gezielte Recherche zeigt, dass die Sicherheitslage äußerst prekär ist: wöchentliche Anschläge durch die Taliban und den IS. Jedoch wird Afghanistan als Krisengebiet in deutschen Medien gar nicht mehr genannt. Kurzzeitig thematisiert in deutschen Nachrichten wurde der Anschlag vor der deutschen Botschaft im Mai 2017, bei dem rund 150 Menschen starben. Dabei entstand aber keine Debatte darüber, ob generell die Sicherheitslage in Afghanistan prekär sei, sondern ob man Flüchtlinge dorthin abschieben könne. Die Abschiebungen wurden von der Bundesregierung bis August 2017 ausgesetzt und seit September werden Abschiebungen nach Afghanistan in das sichere Herkunftsland wieder durchgeführt.
Zum Schluss bleibt die Frage: Was hat ISAF gebracht? Mit einem „nichts“ als Antwort macht man es sich zu einfach, aber man kann auch nicht von nachhaltigen und zukunftsorientierten Maßnahmen sprechen. Qualitative Intervention sollte der künftige Maßstab der NATO-Partner sein. Dazu gehören angemessene Zeiträume, in denen die eigenen Leistungen nicht überschätzt, Ziele grundlegend eingehalten werden und auf Militärs ein Stückweit gehört werden würde, um die Akteure Vorort miteinzubeziehen. Die Hoffnung auf Besserung durch neue Truppen der NATO scheint vorerst auf Eis gelegt, da sich die NATO-Staaten beim Treffen in Brüssel Anfang November 2017 bei der Einteilung der Truppen nicht einig wurden.
Keine Einigung, keine Truppen, keine Einsicht auf das Scheitern der friedensstiftenden Mission ISAF, bleibt also vorerst alles beim Alten – hat doch auch sein Gutes.
Cedric McCann, Klasse 12