Mehr als ein “stumpfes Internetverbot”: Die neue Urheberrechtsreform der EU

Die Urheberrechtsreform der Europäischen Union verfolgt eine lang ersehnte Idee: Kreative wie Musiker, Filmemacher und Autoren sollen künftig auch im Internet Geld verdienen, wenn ihre Werke verbreitet werden. Die Ansätze für eine solche Reform mögen sinnvoll sein, doch die Umsetzung wird von vielen kritisiert. So würde die neue Urheberrechstreform das Internet zensieren und ganz gar die Meinungsfreiheit einschränken.

Ein Ende von YouTube und Co.? (Foto: Nina Lilkendey)

Wenn beispielsweise in einem YouTube-Video oder einem Facebook-Post ein Lied zu hören oder ein Bild zu sehen ist, an dem man keine Rechte hat, wurde der entsprechende Beitrag bisher gelöscht und im schlimmsten Fall gab es eine Strafe für den verantwortlichen Benutzer. Nach der neuen Reform muss der Dienstanbieter im Regelfall auch für Urheberrechtsverletzungen haften. Das heißt, dass sich die Änderungen gar nicht gegen die kleineren Internetnutzer richten, sondern gegen große Unternehmen wie YouTube, Facebook und Twitter. Fakt ist außerdem, dass die Reform überhaupt erst mehrere Hürden nehmen und einige Veränderungen über sich ergehen lassen musste, ehe sie am 26.03.2019 im Parlament verabschiedet und am 15.04.2019 im EU-Ministerrat abgesegnet wurde.

Artikel 17

Artikel 17 (vor Änderungen in der Nummerierung noch Artikel 13) ist der wohl umstrittenste und am meisten kritisierte Teil der neuen Urheberechtsreform. Nachstehend werden die wichtigsten Teile von Artikel 17 kurz erläutert. Übergreifend für alle Plattformen nutzen wir YouTube zur Veranschaulichunng:

1.

Member States shall provide that an online content-sharing service provider performs an act of communication to the public or an act of making available to the public for the purposes of this Directive when it gives the public access to copyright- protected works or other protected subject matter uploaded by its users.

An online content-sharing service provider shall therefore obtain an authorisation from the rightholders referred to in Article 3(1) and (2) of Directive 2001/29/EC, for instance by concluding a licensing agreement, in order to communicate to the public or make available to the public works or other subject matte.

Plattformen wie YouTube und Facebook haften nun, wenn Benutzer Inhalte hochladen, welche die Rechte des Urhebers verletzen. Die Betreiber von YouTube sollen sich nun Lizenzen für Inhalte wie beispielsweise Musik kaufen.

2.

Member States shall provide that, where an online content-sharing service provider obtains an authorisation, for instance by concluding a licensing agreement, that au- thorisation shall also cover acts carried out by users of the services falling within the scope of Article 3 of Directive 2001/29/EC when they are not acting on a commercial basis or where their activity does not generate significant revenue.

Hat YouTube sich nun eine Lizenz für ein Lied gekauft, so gilt diese Lizenz auch für alle Nutzer („YouTuber“) von YouTube. Mit Ausnahme von Nutzern, die mit ihren Videos Geld verdienen. Das bedeutet, dass „große YouTuber“, die hauptberuflich Videos drehen, nicht von der Lizenz, die YouTube erworben hat, betroffen sind.

4.

If no authorisation is granted, online content-sharing service providers shall be liable for unauthorised acts of communication to the public, including making available to the public, of copyright-protected works and other subject matter, unless the service providers demonstrate that they have:

a) mad best effort to obtain an authorisation, and

b) made, in accordance with high industry standards of professional diligence, best efforts to ensure the unavailability of specific works and other subject matter for which the rightholders have provided the service providers with the relevant and necessary   information; and in any event

c) acted expeditiously, upon receiving a sufficiently substantiated notice from the rightholders, to disable access to, or to remove from, their websites the notified works or other subject matter, and made best efforts to prevent their future uploads in accordance with point (b).

Falls YouTube keine Lizenz für ein Werk erwerben konnte, so haftet es für die Urheberrechtsverletzung, falls es die drei folgenden Dinge nachweisen kann: YouTube hat sich bemüht, eine Lizenz abzuschließen (erstens). YouTube hat sich bemüht, rechtlich geschützte Werke nicht hochzuladen, nachdem der Urheber mitgeteilt hat, welche Werke nicht hochgeladen werden dürfen (zweitens). Und drittens: YouTube hat unverzüglich dafür gesorgt, dass der gemeldete Inhalt nicht mehr hochgeladen wird (= „Upload-Filter“).

6.

Member States shall provide that, in respect of new online content-sharing service providers the services of which have been available to the public in the Union for less than three years and which have an annual turnover below EUR 10 million, cal- culated in accordance with Commission Recommendation 2003/361/EC20, the con- ditions under the liability regime set out in paragraph 4 are limited to compliance with point (a) of paragraph 4 and to acting expeditiously, upon receiving a suffi- ciently substantiated notice, to disable access to the notified works or other subject matter or to remove those works or other subject matter from their websites .

Where the average number of monthly unique visitors of such service providers ex- ceeds 5 million, calculated on the basis of the previous calendar year, they shall also demonstrate that they have made best efforts to prevent further uploads of the notified works and other subject matter for which the rightholders have provided relevant and necessary information.

Falls Plattformbetreiber „X“ weniger als drei Jahre in der EU ansässig ist und weniger als zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht, muss er verbotene Inhalte nicht schon beim Hochladen verbieten, sondern erst löschen, wenn der Rechteinhaber einen Verstoß gemeldet hat (= „Keine Upload-Filter“). Trotz dessen ist   der Plattformbetreiber zum Lizenzkauf verpflichtet. Falls die Plattform mehr als fünf Millionen Besucher pro Monat hat, fällt man trotzdem unter die Regelungen von Absatz 4 (= „Upload-Filter“).

7.

The cooperation between online content-sharing service providers and rightholders shall not result in the prevention of the availability of works or other subject matter uploaded by users, which do not infringe copyright and related rights, including where such works or other subject matter are covered by an exception or limitation.

Member States shall ensure that users in each Member State are able to rely on any of the following existing exceptions or limitations when uploading and making available   content generated by users on online content-sharing services:

(a) quotation, criticism, review;

(b) use for the purpose of caricature, parody or pastiche.

Die neue Richtlinie soll nicht bewirken, dass legale (= erlaubte) Inhalte nicht mehr hochgeladen werden können. Die Nutzer müssen sich darauf verlassen können, dass Zitate, Kritiken und Rezensionen sowie Karikaturen und Nachahmungen weiterhin hochgeladen werden können.

“Upload-Filter”

Ein Upload-Filter ist ein serverseitiges Programm, welches Dateien beim Hochladen überprüft und ggf. verbietet. Alternativ kann ein Upload-Filter auch bestimmte Stellen verändern, zensieren oder anderweitige Maßnahmen initiieren. Die maschinelle Datenprüfung – also ein Upload-Filter – soll dabei die Kontrolle durch einen Menschen ersetzen. Solche Filter werden an vielen Stellen bereits seit Jahren genutzt und sind prinzipiell nicht schlecht, nur bekommt der Begriff von vielen eine völlig neue, negative Bedeutung zugesprochen, weil beschriebene Filter nun fehlerfrei Urheberrechtsverstöße erkennen müssen, um der neuen Reform gerecht zu werden. Die Prüfung muss auf allen großen Plattformen automatisiert ablaufen, weil die Prüfung nur maschinell zu händeln ist. Beispielweise werden bei YouTube im Durchschnitt 400 Stunden Videomaterial pro Minute hochgeladen – diesen Mengen kann nur ein Upload-Filter gerecht werden.

Für Upload-Filter setzt man Techniken der automatisierten Bild-, Sprach- und Texterkennung ein. Kopien sind damit gut erkennbar, doch bei komplexeren Anforderungen ist die Zuverlässigkeit der Erkennung mitunter umstritten. Aus diesem Grund setzen viele das Wort Upload-Filter mit Zensur, Einschränkung der Meinungsfreiheit und auch einem stumpfen „Internetverbot“ gleich.

Ein Beitrag von Tristan H. (11. Jahrgang)

Verwendete Literatur (Stand: 10.06.2019):

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