Ein Interview über Inklusion mit Frau Luttmann und Frau Brinkmeyer

Ein Interview über Inklusion mit Frau Luttmann und Frau Brinkmeyer

Inklusion, was ist das eigentlich?

Frau Luttmann: Inklusion bedeutet, dass alle Schüler*innen egal ob mit oder ohne Unterstützungsbedarf in die wohnortnahe Schule gehen. Da die Förderschulen oft nicht wohnortnah sind, muss man sie meist mit dem Bus oder Taxi erreichen. Dadurch werden Kinder aus ihren gewohnten Freundschaften herausgerissen. Durch die Inklusion können aber alle Kinder in die wohnortnahe Schule gehen und hier dann nach ihren Möglichkeiten gefördert und gefordert werden.

 

Gehören Inklusion und Integration zusammen?

Frau Luttmann: Die Inklusion ist die Weiterführung der Integration, diese geht nochmal einen Schritt weiter. Es gibt da ein ganz schönes Schaubild mit Kreisen. Bei der Integration sind in einem Kreis alle zusammen, hier aber dennoch in ihren eigenen kleinen Kreisen. In der Inklusion lösen sich diese inneren Kreise und alle sind in einem großen Kreis.

 

Wo ist Inklusion an unserer Schule zu finden?

Frau Luttmann: Wir haben fast in jeder Klasse Kinder mit Unterstützungsbedarf. Insgesamt haben wir hier die Unterstützungsbedarfe: Hören, Lernen, ESE (emotional soziale Entwicklung), Sprache und auch KME (körperlich motorische Entwicklung).

Frau Brinkmeyer: Auch Autismus haben wir an der Schule, dieser geht dann in mehrere Bereiche über wie in den emotionalen-sozialen Bereich aber ggf. auch in den körperlich motorischen Bereich.

Frau Luttmann: Es gibt auch Schüler oder Schülerinnen mit mehreren Unterstützungsbedarfen. Dann wird geschaut, welches der voranginge Unterstützungsbedarf ist. Kinder mit Unterstützungsbedarf im Bereich Lernen bekommen zum Beispiel andere Aufgaben, d.h. sie werden zieldifferent beschult. Die Kinder mit Unterstützungsbedarf im Bereich ESE bekommen die gleichen Klassenarbeiten und bearbeiten auch den gleichen Stoff, erhalten dann aber z.B. mehr Pausen oder andere Möglichkeiten, sich zwischendurch zu entspannen oder auszupowern.

 

Was bedeutet Inklusion für Schüler*innen?

Frau Luttmann: Inklusion kann für Schüler*innen sehr unterschiedlich sein, zum einen können leistungsstarke Schüler*innen durch Inklusion lernen, auf andere Rücksicht zu nehmen und so auch ihre Sozialkompetenz verbessern. Zum Beispiel können die leistungsstarken Schüler den schwächeren helfen. So entlasten sie natürlich auch die Lehrkräfte. Wenn man jedoch Kinder mit Unterstützungsbedarf im Bereich ESE hat, die durch ihr auffälliges Verhalten ganz viel Aufmerksamkeit vom Lehrer ziehen, ist das natürlich auch für viele Kinder von Nachteil, da diese Aufmerksamkeit den anderen Schüler*innen fehlt.

Frau Brinkmeyer: Doch auch diese Kinder machen das nicht mit Absicht, weil sie den Lehrer blöd finden, sondern weil es ihnen aus unterschiedlichen Gründen schwerfällt, sich auf den Unterricht einzulassen, sich zu konzentrieren, die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen etc. Vielleicht muss man die Rahmenbedingungen für diese Kinder auch mehr anpassen wie z.B. durch mehr Pausen, viel handlungsorientiertes Arbeiten oder kleinere Gruppen.

 

 

Hat Inklusion Nachteile oder Vorteile?

Frau Luttmann: Als ich damals an der Teutoburger Wald Schule (Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen) gearbeitet habe, kamen viele Kinder aus der Grundschule extrem gefrustet an. Ihr Selbstwertgefühl hatte sehr gelitten. Doch als diese Kinder in einer kleinen Gruppe waren, mit anderen Kindern, die ebenfalls mehr Zeit zum Lernen benötigen, machten sie tolle Fortschritte und merkten, dass sie doch auch etwas können. Es tat ihnen so gut, dass der Druck weg war und sie in ihrem Tempo die Aufgaben bearbeiteten konnten. So ist es sehr schade, dass die Primarstufe der Förderschule Lernen abgeschafft wurde und auch Klasse 5-10 bald auslaufen soll. Für manche Kinder ist eine kleine Förderschule mit wenig Lehrerwechseln und hohem Praxisanteil genau das richtige, wohingegen andere sich auch in einem größeren System gut zurechtfinden und somit auch in der Inklusion gut zurechtkommen, obwohl sie da natürlich viel weniger Stunden von einer Förderschullehrkraft unterrichtet werden. Es sollte für Eltern weiterhin die Möglichkeit geben, zwischen Förderschule und Inklusion in der Regelschule entscheiden zu können.

Frau Brinkmeyer: Ich sehe Vorteile in den Förderschulen, da die Klassen kleiner sind und die Lehrer*innen dann mehr auf die Schüler*innen eingehen können. Für manche Kinder ist das genau richtig in der Inklusion zu sein, weil sie sich gut an anderen orientieren können. Doch für andere ist es auch frustrierend, weil sie nicht richtig mitkommen. Deswegen wäre es gut, eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Föderschule und der inklusiven Beschulung zu haben.

 

Was ist für Sie das Wichtigste an der Inklusion?

Frau Luttmann: Das Wichtigste für mich sind die Schüle*innen, dass es ihnen gut geht, dass auf sie und ihre speziellen Bedürfnisse eingegangen wird, dass sie Freunde finden und schließlich auch zu einem guten Abschluss kommen.

 

Gibt es etwas was an unserer Schule, was noch besser werden kann?

Frau Luttmann: Es wäre total schön, wenn man mehr Räume für die Arbeit mit Kleingruppen zur Verfügung hätte. Ein Traum wären eigene Räume für die Sonderpädagogen, so dass man auch mal ungestört mit einzelnen Schüler*innen arbeiten kann und die Möglichkeit hätte, Material gebündelt in der Schule zu haben.

Frau Brinkmeyer: Ja, ich würde mir auch mehr Räume für das ungestörte Arbeiten wünschen, sowie mehr Zeit, weil man an zwei Schulen plus der Stammschule tätig ist und so viel zu wenig Zeit für die einzelnen Schüler*innen hat.

 

Wie kamen Sie zum Beruf der Förderlehrerin?

Frau Brinkmeyer: Ich wollte unbedingt etwas Soziales machen, meine Überlegungen waren dann zwischen Religionspädagogik oder Lehramt. Dann habe ich ein soziales Jahr in Belgien in einer Archengemeinschaft gemacht, wo Menschen mit einem Handicap zusammenleben. So bekam ich den Wunsch Sonderpädagogik zu studieren.

Frau Luttmann: Den Wunsch etwas Soziales zu machen hatte ich schon früh. Ursprünglich wollte ich Sozialpädagogik studieren, doch nach einem Jahrespraktikum in einem Sprachheilkindergarten war mir klar, dass mich der Bereich Sprache und die Arbeit mit Kindern besonders interessiert. So schwenkte ich um auf Heilpädagogik, doch da gab zu viele Bewerber auf zu wenige Plätze und es wurden die mit einer bereits abgeschlossenen Heilerzieherpflegeausbildung bevorzugt. So ging ich zur Berufsberatung, dort wurde mir empfohlen, Sonderpädagogik zu studieren. Das habe ich dann auch in Hannover gemacht und muss sagen, dass das eine sehr gute Entscheidung war.

 

Was möchten Sie noch unbedingt einmal machen?

Frau Luttmann: Es gibt vieles, was ich noch machen möchte. Zuerst möchte ich, wenn sich die Corona Situation hoffentlich entspannt und Klassenfahrten wieder möglich sind, mit dem Jahrgang 10 nach Berlin fahren. Darauf freue ich mich schon sehr.

Frau Brinkmeyer: Ich möchte gerne noch mal außerhalb Europas reisen und schulisch möchte ich auch mal wieder eine Klassenfahrt begleiten.

 

 

Was war für Sie früher das Schönste an der Schule?

Frau Brinkmeyer: Freunde treffen oder schulische Veranstaltungen wie Feste oder Klassenfahrten waren für mich schöne Dinge an der Schule.

Frau Luttmann: Früher war Schule für mich ein Ort wo ich Freundinnen und Freunde getroffen habe. Ein Highlight war der Tanzkurs in Klasse 9. Das Lernen stand nicht immer an erster Stelle, aber passend zum Abitur passten dann auch die Noten wieder…

 

Dieses Interview führte M. M. Bosse und bedankt sich für ein nettes Interview.

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