Schulgeschichte

Die Entwicklung der Bad Bentheimer Realschule

Von der Rektorschule über die Mittelschule zur heutigen Realschule

Von Hartmut Abel (bis zum Jahr 2003) und Jürgen Klukkert (ab 2003)


Entstanden ist die heutige Realschule als Lateinschule, die der reformierten Kirchengemeinde unterstand. Ihr Geburtsdatum steht nicht genau fest, es dürfte nach dem Quellenmaterial um 1600 liegen. Der letzte Rektor dieser Lateinschule, Eduard Jantze, trat Ostern 1891 mit fast 70 Jahren in den Ruhestand.

Nachdem bereits 1888 die Königliche Regierung in Osnabrück auf eine zeitgemäße Reorganisation gedrängt hatte, vollzog sich mit dem Beginn des Schuljahres 1891/92 eine grundlegende Änderung. Die Schule wurde städtische Rektorschule. Am 11. Mai 1891 begannen der neue Schulleiter, Rektor Burghardt aus Horst in Holstein, und Lehrer Mülder aus Papenburg ihren Dienst.

Die ev.-ref. Kirche trat der Rektorschule als Geschenk auf die Dauer von 99 Jahren „Vermögensgegenstände“ zur Unterhaltung der Schule ab. Neben Zuschüssen aus der Kirchen- und Armenkasse auch den Nießbrauch des Rektoratsgebäudes.

Dieses Gebäude befand sich südlich der ev.-ref. Kirche in der alten Küsterei. Der Kirchenrat hatte dieses 1739 gekauft. In dem Gebäude, das 1977 abgerissen wurde, befanden sich zwei Klassenräume.

Zunächst bestand die Rektorschule aus zwei getrennten Klassen, die zusammen einen fünfjährigen Kursus ergaben. Die Schule hatte 1893 insgesamt 11 Schülerinnen und 30 Schüler.

1909 ergaben sich räumliche Veränderungen. Da die Königliche Regierung den Neubau einer vierklassigen evangelischen Volksschule im Garten des früheren Paulinenkrankenhauses (jetzt Gartenstr. 1 und Gebäude der Realschule) genehmigt hatte, erhielt  die Rektorschule, die auf fast 60 Schüler angewachsen war, ein ,,der Neuzeit entsprechendes Schullokal“, die frühere 1821 erbaute erste (Vos’sche) Schule, während die zweite 1862 erbaute (sogenannte Simonschule in der Wittkampstiege) Schule für Handarbeitsunterricht, Gesangstunden und einige weitere Stunden der Rektorschule vorgesehen war.

Am 14. September 1919 bat der Magistrat der Stadt Kreisschulinspektor Stockmann, sich für die Anerkennung der Rektorschule als Mittelschule „höheren Orts“ einzusetzen. Begründet wurde diese Bitte damit, dass an der Rektorschule ein Rektor mit Mittelschullehrerexamen, zwei Mittelschullehrer, ein Volksschullehrer, der in Jahresfrist seine Mittelschullehrer-Prüfung ablegen werde, sowie zwei Lehrerinnen mit Lehrbefähigung für das Lyzeum und Mittelschulen voll beschäftigt seien. Das Schreiben endete mit dem Hinweis, dass die Schule von 176 Knaben und Mädchen besucht werde und ein dringendes Bedürfnis zur Errichtung einer voll ausgebauten Mittelschule vorliege.

Durch Erlass vom 26. Januar 1920 hatte der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Rektorschule als vollausgebaute Mittelschule anerkannt. Damit erwarb die Schule die Berechtigung, das Reifezeugnis geben zu können. Vorausgegangen war eine dreitägige Revision durch den Schulrat Oppen aus Osnabrück im November 1919. Damit war die Rektorschule die erste vollausgebaute höhere Schule der Grafschaft Bentheim und zugleich mit ihren sechs Lehrkräften (Rektor Everink, die drei Mittelschullehrer Volkers, Hambeck und Götker sowie die beiden Mittelschullehrerinnen Fräulein Fuchs und Fräulein Kerstein) und 173 Schülern die größte Mittelschule im Kreis.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war Deutschland ein armes Land, es hatte große Reparationsverpflichtungen zu erfüllen und musste Witwen, Waisen, Invaliden und Flüchtlinge ernähren. An einem Neubau war zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken, obwohl der Regierungs- und Schulrat Moritz in einem Bericht betont hatte, dass die Schule räumlich in mehreren Gebäuden sehr ungünstig untergebracht sei und die notwendigen Nebenräumlichkeiten nicht den Anforderungen entsprächen. Ein notwendiger Schulneubau musste wegen der Not der Zeit aufgeschoben werden.

Nachdem der Plan zum Bau des neuen Mittelschul- und Kreisberufsschulgebäudes die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gefunden hatte, konnten die Arbeiten für dieses Bauprojekt vergeben werden. Baubeginn war im Frühjahr 1938.

Nach dem Umzug der Mittelschule in das neue Gebäude an der Marktstraße wurden im unteren Geschoss die Schülerinnen und Schüler der Berufsschule unterrichtet. Der Mittelschule wurde die zweite Etage zugewiesen, außerdem die Räume der dritten Etage, wo eine leider nie fertig gewordene Aula und ein Lehrmittel- und Kartenzimmer eingeplant waren. Während des Krieges diente der große Raum der Aufbewahrung der vom Regime verordneten Heilkräuter-Sammlung und von Altmaterialien.

Häufig wurde ab 1941 der Unterricht wegen Fliegeralarms unterbrochen. Der größte Teil der Schüler eilte dann in den hauseigenen Luftschutzkeller, dessen Fenster mit dicken Sandsackbarrikaden gegen Bombensplitter abgesichert waren. Für alle übrigen Schüler, die keinen Platz im Schulkeller fanden, wurden Unterkünfte in benachbarten Kellern und Bunkern organisiert, z.B. unterhalb der Burg unter dem jetzigen Sandsteinmuseum.

Von einem regelmäßigen und lückenlosen Unterricht konnte in den beiden letzten Kriegsjahren nicht mehr gesprochen werden.

Ab dem 17. Oktober 1944  musste  die Schule teilweise geräumt werden. Es zogen Volkssturmmänner ein, später kamen Holländer, Griechen und Italiener, die bei Gildehaus und Sieringhoek eine Verteidigungsstellung bauen mussten. Der Schulbetrieb wurde in den Keller und in das Gemeindehaus in der Kirchstraße ausgelagert. Seit Januar 1945 wurde die Schule als Lazarett für verwundete deutsche Soldaten genutzt.

Nach der Kapitulation wurde die Schule vorübergehend als russisches Lazarett eingerichtet. Im Gegensatz zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war 1945 viele Monate kein Unterricht möglich. Nach der Räumung durch die Russen begann die Instandsetzung der stark mitgenommenen Klassenzimmer. Außer Bänken und Wandtafeln war nichts mehr vorhanden. Die Lehr- und Lernmittel waren verschwunden, die Schüler- und Lehrerbibliothek war vernichtet.

Am 2. November 1945 wurde der Unterricht an der Mittelschule mit zwei Lehrkräften, dem Konrektor Volkers und Lehrer Körner, für die 198 Schüler wieder aufgenommen. Lehrfächer waren Deutsch, Englisch und Mathematik. Jede Klasse erhielt wöchentlich 12 Stunden. Die Lehrer gaben 36 Stunden.

Weitere Beeinträchtigungen verursachte der strenge Winter 1946/47, als die Kohlevorräte verbraucht waren und der Unterricht für alle Bentheimer Schulen in die Südschule verlegt wurde.

Ab April 1948 wurde die Mittelschule wegen einer Typhusepidemie bis zu den Sommerferien als Infektionskrankenhaus eingerichtet. Drei Monate lang wurden die Mittelschüler in der Volksschule an den Nachmittagen unterrichtet.

Mit dem Ende des Schuljahres 1952 trat Rektor Volkers in den Ruhestand. Er hatte von Oktober 1919 über 32 Jahre an der Mittelschule unterrichtet.  Ganz besondere Verdienste hatte er sich in der Zeit nach dem Zusammenbruch erworben, als er gemeinsam mit dem Lehrer Körner den Unterricht der Schule mit fast 200 Kindern bewältigt hatte.

Zu Beginn der Ära Gerhard Klünder im April 1952 hatte die  Schule mit 353 Schülerinnen und Schülern in 12 Klassen ihre Doppelzügigkeit erreicht.

Nach Jan Everink und Heinrich Volkers war Gerhard Klünder ihr dritter Rektor. Mit ihm war 1952 ein Naturwissenschaftler an die Spitze der Schule getreten. Seine Vorgänger hatten beide die Sprachen vertreten. Zielstrebig ging Klünder daran, das Kollegium zu vergrößern und den Aufbau kontinuierlich fortzusetzen. Ein neuer Physik- und Chemieraum wurde eingerichtet, die Turnhalle gebaut und ein Pavillon errichtet, um den Raummangel zu beheben, da sich die Mittelschule das Gebäude noch immer mit der Berufsschule teilen musste.

In dieser Zeit änderte die Schule auch ihren Namen. Nach einem Abkommen zwischen den Ländern und der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung des Schulwesens führten ab Ostern 1965 in Niedersachsen die Mittelschulen die Bezeichnung „Realschulen“.

Ab April 1967 leitete Hans Klemp die Schule. Es begann die Zeit der großen sportlichen Erfolge für die Mannschaften der Realschule, die im sechsmaligen Gewinn des Ehrenpreises des Kultusministers bei den Emslandwettkämpfen gipfelten und dem starken Ansteigen der Schülerzahlen bis auf 654, die in 22 Klassen von 31 Kolleginnen und Kollegen unterrichtet wurden.

Die Schule nahm 1979 aber auch Abschied von einer vertrauten Umgebung, eines Gebäudekomplexes, den die Realschule 30 Jahre mit der Berufsschule teilen musste, der dann vielfältig verändert und renoviert sowie durch sechs Pavillons erweitert wurde.

Während der Sommerferien vollzog sich ein tiefer Einschnitt. Der Umzug von der Marktstraße in den Südschulbereich war nötig geworden,  weil die Orientierungsstufe eingerichtet wurde. Damit hatte auch die Realschule an Bedeutung verloren, weil sie ihre Schüler nur noch vier Jahre lang von Klasse 7 bis 10 betreuen konnte.

Als Helmut Mirwald 1983 die Leitung der Realschule übernahm, verzeichnete die Statistik 385 Schülerinnen und Schüler, die in 15 Klassen von 23 Lehrkräften unterrichtet wurden. Die nächsten Jahre waren gekennzeichnet durch zurückgehende Schülerzahlen und viele Abordnungen.

Gleichzeitig hielten die neuen Technologien Einzug in die Schule. Durch Spenden der heimischen Wirtschaft konnten die ersten Commodore-Computer angeschafft  und vier Informatik-Arbeitsgemeinschaften angeboten werden.

1991 wurde ein Computerraum mit acht Schüler- und einem Lehrerarbeitsplatz eingerichtet. In einer schulinternen Lehrerfortbildung unter dem Thema „Einführung in die Nutzungsmöglichkeiten der neuen Computeranlagen für Schulverwaltung und Unterrichtsarbeit“ erhielt das Kollegium vertiefte Einblicke über den Einsatz der neuen Technologien, insbesondere des Schulverwaltungsprogrammes „Sibank“, das die Arbeit der Verwaltung erheblich erleichterte.

Die vielfältigen Aktivitäten der Naturschutz-Arbeitsgemeinschaft der Realschule fanden ihre Würdigung in der zweimaligen Verleihung des „Sven-Simon-Preises“ durch die „Bild“-Zeitung, in der Vergabe des Umweltpreises durch Bundesumweltminister Klaus Töpfer und Bundesministerin Angela Merkel sowie in der mehrfachen Zuerkennung des Heinz-Sielmann-Preises.

An der Nahtstelle zu einem neuen Jahrtausend übernahm Jürgen Klukkert 1997 die Leitung der Realschule. Die Schulleitung und das Kollegium sehen eine wichtige Aufgabe darin, für die Schüler den Grundstock zu legen, dass sie in ihrem späteren Beruf in einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft bestehen können. Der Bereich der neuen Technologien erfuhr eine deutliche Aufwertung.

Damit vollzog sich der Brückenschlag in die Zukunft.

Lehrkräfte der Realschule nahmen mit großem Engagement an dem Modellversuch „Sinus“ der Bund-Länder-Kommission teil (1998 – 2003); die Realschule Bad Bentheim war die einzige teilnehmende Schule der Grafschaft. In dem Projekt „Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts“ bot sich die Möglichkeit, Erfahrungen einer kollegialen und kooperativen Arbeit auf Landes- und Bundesebene weiter zu entwickeln; dabei standen Fächer übergreifendes und Fächer verbindendes Lernen sowie die Aspekte Qualitätssteigerung und Qualitätssicherung im Vordergrund.

Von Februar 2002 bis zum Jahre 2005 arbeiteten Kolleginnen und Kollegen der Realschule an dem niedersächsischen Projekt „Qualitätssicherung in Netzwerken“. Diese Netzwerke wurden zum einen innerhalb eines Lehrerkollegiums und zum anderen schulübergreifend eingerichtet. An dem Netzwerk der Bad Bentheimer Realschule nahmen sowohl Grundschulen als auch Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien und berufsbildende Schulen teil. Neben der Entwicklung eines Schulprogramms arbeitete die Realschule Bad Bentheim insbesondere an der Leseförderung.

Im Jahre 2004 wurde durch Erlass des Kultusministeriums die Orientierungsstufe wieder abgeschafft. Die Realschule erhielt die Jahrgangsstufen fünf und sechs zurück und wuchs wieder auf 14 Klassen mit insgesamt 330 Schülern, die von 28 Lehrkräften unterrichtet wurden. Sie konnte in ihrem vertrauten Gebäudekomplex bleiben, erweitert um das unmittelbare Nebengebäude, der ehemaligen Orientierungsstufe.

Im August 2005 wurde die Realschule Bad Bentheim als erste Schule des Kreises eigenverantwortliche Schule in der Bildungsregion Emsland/Grafschaft Bentheim. Im Zuge der damit verbundenen organisatorischen Veränderungen erhielt sie nun auch einen Schulvorstand.

Seit dem Schuljahr 2007/2008 unternahm die Schule deutliche Anstrengungen, ein Ganztagsangebot einzurichten, das wegen der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erforderlich wurde. Im Nebengebäude wurde eine Cafeteria eingerichtet und in Betrieb genommen; für die Ausstattung der Küche gelang es der Realschule, einen Küchenhersteller aus Nordhorn zusammen mit der Firma Siemens als Sponsor zu gewinnen. Ein Team der Landfrauen betreut seitdem die Cafeteria und die Ausgabe des Mittagessens.

Auf Grund der außerordentlich großzügigen Spenden mehrerer Sponsoren aus der regionalen Wirtschaft sowie des finanziellen Engagements der Eltern, Schüler und Lehrer konnte die Realschule im Jahre 2008 ihr neues Medienkonzept realisieren. Über eine Server/Client-Lösung wurde jeder Klassen- und Fachraum mit einem Terminal und einem Beamer ausgestattet; auch der Computerraum erhielt komplett neue Geräte.

Die aktuelle Entwicklung der Schülerzahlen zeigt nach oben. Zurzeit werden an der Realschule Bad Bentheim 397 Schülerinnen und Schüler in 18 Klassen von insgesamt 30 Lehrkräften unterrichtet.

Im Zuge des Neubaus der Grundschule Bad Bentheim am Schürkamp sind auch an der Realschule einige Umbaumaßnahmen bzgl. des Musikraums, der Lehrküche und des Werk- und Technikraums durchgeführt und zum Teil schon beendet worden.

Trotz aller Weiterentwicklung dürfte auch für die Zukunft der letzte Satz, den Rektor Heinrich Volkers 1952 anlässlich seiner Pensionierung handschriftlich hinterließ, seine Bedeutung nicht verloren haben: „Möge reicher Segen die Arbeit an den Schülern immerdar begleiten.“