Studienfahrt nach und Austausch mit Warschau 2018
Für eine gemeinsame Zukunft
Am 23. September war es wieder soweit: die Hinbegegnung des Seminarfachs “Europe: united in diversity?” mit der Partnerschule in Warschau im Rahmen der Studienfahrtswoche konnte stattfinden. Viele Museen, Besuche bei Frontex und der European Funds Agency, aber auch die gemeinsame Arbeit an einem Projekt für den Europäischen Wettbewerb standen auf dem Programm, das durch die Förderung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks verwirklicht werden konnte.
Zu Beginn stieg auf der scheinbar nie enden wollenden Zugfahrt in Richtung Osten, lediglich kurz aufgeheitert durch das immer noch angebotene Freigetränk der polnischen Zuggesellschaft PKP im Warschau-Express und ein Stadt-Land-Fluss Spiel, das man den Lehrer hat gewinnen lassen, jedoch die Spannung auf die erste tatsächliche Begegnung mit den polnischen Gastgebern.
Stand der erste Tag nach einigen Kennenlernspielen mit dem Besuch des POLIN und einem Rundgang durch das Gebiet des ehemaligen Ghettos, das größte während der deutschen Besatzung und berühmt für den brutal niedergeschlagenen Aufstand gegen die menschenverachtende Naziherrschaft, im Zeichen der Beschäftigung mit der Geschichte der Juden in Polen, so wartete am folgenden Tag gleich eine neue Zugfahrt auf die Schülerinnen und Schüler.
Im Flaggschiff der polnischen Bahn, dem Pendolino, ging es zum Tagesausflug nach Danzig, der Stadt von Günter Grass, der man die Vergangenheit als reiche Hansestadt noch immer ansieht, die aber auch durch ihre sichtbare Dynamik beeindruckt. Vor allem ist Danzig jedoch die Stadt, in der der Zweite Weltkrieg begonnen wurde und in der sich mit der ersten freien Gewerkschaft Osteuropas, der Solidarnosc, ab 1980 ein Ende der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa abzuzeichnen begann. An beides erinnern modernste und architektonisch aufregende Museen, die auf jeden Fall dazu anregen, sich mit der Geschichte beider Ereignisse intensiv zu beschäftigen. Vor allem das Museum zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs beeindruckte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, da so viele verschiedene Aspekte eines scheinbar gut bekannten Ereignisses angeboten wurden, die dazu anregen, Sachverhalte neu zu verstehen und zu verknüpfen, aus einer anderen Perspektive als der deutschen.
Thematisch ähnlich, aber doch ganz anders wirkt hingegen das Museum des Warschauer Aufstandes. Hier wird der Versuch, polnische Geschichte in einer vor allem national orientierten Art und Weise darzustellen fast körperlich erfahrbar, wenn man den Herzschlag des Widerstands gegen die deutsche Besatzung während des gesamten Besuchs hört und der deutsche Audioguide wenig bewertenden Adjektive scheut.
Nach so viel Geschichte und damit Klarheit über eine geteilte Grundlage der deutsch-polnischen Beziehungen wurde es dann doch Zeit, sich mit der gegenwärtigen Situation zu beschäftigen. Sowohl der Besuch bei der europäischen Grenzschutzagentur Frontex als auch bei der European Funds Agency, einer Behörde, die für Mittelzuweisungen von europäischen Geldern in Polen zuständig ist, vermittelten einen Eindruck davon, wie diese Kooperation aussehen kann, wie sie funktioniert und aber auch, welche Probleme damit verbunden sind, etwa, wenn man aufgefordert ist, komplexe Anträge für Fördermittel zu verfassen oder als deutscher Polizeibeamter im Mittelmeer Flüchtlinge nach Möglichkeit zu retten und dies in einem vorher streng vereinbarten Rahmen zu tun.
Dass diese Kooperation nicht immer gewollt und gewünscht ist, wurde im Gespräch mit dem polnischen Journalisten Lukasz Pawlowski deutlich, der versuchte, das Phänomen des Populismus mit einer Vielzahl von Beispielen zu erklären. Dies muss nicht in jedem Fall anti-europäisch sein, jedoch scheint es zu verlockend, Wähler mit nationaler Propaganda zu füttern und die europäische Integration in Frage zu stellen, was dann etwa ein Grund für den bevorstehenden Brexit ist. Ein Moment, in dem dies große Bedeutung erhalten kann, wird die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2019 sein. Die Schülerinnen und Schüler konnten dann für die Projektarbeit die gesammelten Kenntnisse nutzen, um eine erste Idee für eine Kampagne, die zur Wahlteilnahme aufruft, zu entwickeln. Diese Aufgabe für den Europäischen Wettbewerb soll im November in Bad Nenndorf weitergeführt werden.
Neben den Programmpunkten sind es dann aber auch die kleinen privaten Erlebnisse, die in Erinnerung bleiben, sei es eine Diskussion über polnische Innenpolitik am Abendbrottisch der Gastfamilie, ein Paintballspiel, bei dem zum Glück nicht Deutsche gegen Polen antraten, der windige Blick vom Kulturpalast, dem Wahrzeichen Warschaus, oder eine Fahrradtour durch die mit Schlaglöchern gesäumten Straßen dieser sympathischen und gegensätzlichen Stadt in Osteuropa.
Kay Tomhave