„Hitlerjunge Salomon“ zu Gast im Gymnasium Bad Nenndorf
Salomon Perel, der als „Hitlerjunge Salomon“ den Holocaust in einer HJ-Schule in Braunschweig überlebte, besuchte am 2. April das Gymnasium Nenndorf und trug vor dem gesamten zehnten Jahrgang Auszüge aus seiner nahezu unglaublichen Biografie vor. Er machte den Schülerinnen und Schülern, die für mehr als 90 Minuten aufmerksam zuhörten, dabei auf sehr eindrückliche und emotionale Weise deutlich, dass sie für die Shoah keine Verantwortung tragen, sie jedoch sicherstellen müssen, dass sich derartige Ereignisse niemals wiederholen.
Sally Perel wurde im April 1925 als Sohn jüdischer Eltern in Peine geboren, seine Familie emigrierte jedoch, als er zehn Jahre alt war, nach Lodz. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen flohen Sally und seiner älterer Bruder weiter in Richtung Osten, während seine Eltern in Lodz zurückblieben und später der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Nach einem Aufenthalt in einem sowjetischen Waisenhaus geriet Sally Perel dennoch in die Hände der vorrückenden deutschen Truppen und konnte sein Leben nur durch einen Akt unvorstellbarer Geistesgegenwart retten: So behauptete er, während die Deutschen seine Waffen auf ihn richteten, er sei Volksdeutscher und entkam so dem sicheren Tod. Aufgrund dieser Notlüge verbachte er als „Josef Perjell“ dann große Teile des Krieges in einer HJ-Schule in Braunschweig und konnte so den Holocaust überleben.
Während seiner Lesung beschrieb Sally Perel in drastischen Worten seine „Spaltung in zwei Seelen“, die dieses Doppelleben hervorrief und die ihn bis zum heutigen Tag begleitet. Einerseits war er sich seiner Identität als Jude bewusst, nicht zuletzt weil er täglich seine Entdeckung fürchten musste und seine Familie schmerzlich vermisste. Andererseits bezeichnet er sich selbst als „begeisterter Hitlerjunge“, der sich – mit Ausnahme des Antisemitismus – sogar mit der Ideologie der Nationalsozialisten identifizieren konnte. Er konnte diesen Konflikt nur ertragen, da er in jedem Fall überleben wollte, um so auch die Abschiedsworte seiner Mutter („Du sollst leben!“) in die Tat umzusetzen.
Mit seinen Vorträgen möchte Sally Perel nicht nur einen Beitrag zur historischen Bildung leisten, sondern seine Zuhörer auch „gegen Neonazis impfen“, wobei er deren Aufmärsche als „größte Enttäuschung“ charakterisierte. Diesen Auftrag nahmen die mehr als 160 Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs offensichtlich an, wie der begeisterte Applaus am Ende der Veranstaltung, die bis dahin von einer sehr konzentrierten Stille gekennzeichnet wurde, eindrücklich zeigte. Auch die Tatsache, dass mehr als 40 SchülerInnen Sally Perels Autobiografie im Anschluss kauften und sich signieren ließen, machte deutlich, dass diese Veranstaltung einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Niels Koblitz