Ausstellung: Der 9. November in der deutschen Geschichte
In ihrer Rede anlässlich der Feierlichkeiten zum Mauerfall erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, der 9. November spiegele „in besonderer Weise sowohl die fürchterlichen als auch die glücklichen Momente unserer Geschichte“. Sie verwies damit vor allem auf die Reichspogromnacht 1938 und den Mauerfall 1989, an diesem Datum lassen sich indes noch weitere zentrale Entwicklungen der deutschen Geschichte festmachen und genau diese Vielschichtigkeit verdeutlicht eine von SchülerInnen gestaltete Ausstellung in der Bibliothek des Gymnasiums.
An sechs Stationen lernen die BesucherInnen dabei zahlreiche zentrale Ereignisse kennen. Die Reise beginnt dabei am 9. November 1848, als in Wien Robert Blum erschossen wurde. An der Hinrichtung des Abgeordneten der frei gewählten Nationalversammlung zeigte sich, mit welcher Rücksichtlosigkeit die Fürsten die Nationalbewegung zu bekämpfen bereit waren. Dies trug wesentlich zum Scheitern der Revolution von 1848/49 bei und schwächte den Liberalismus in Deutschland nachhaltig, was sich nicht zuletzt an der „Reichsgründung von oben“ im Jahr 1871 manifestierte.
Zu den „glücklicheren“ Ereignissen zählt der nächste in der Ausstellung thematisierte Wendepunkt, nämlich der 9. November 1918. An diesem Tag rief Philip Scheidemann in Berlin die Republik aus und gab so die Richtung zur ersten deutschen Demokratie vor, die schließlich in der sogenannten „Weimarer Verfassung“ ihre feste Form fand. Fünf Jahre später, am 9. November 1923, überstand die junge Republik dann einen ihrer schwersten Angriffe, als Hitler in München einen Putsch begann. Zwar konnte sich die Demokratie dieses Angriffs erwehren, jedoch verwiesen die kurzen Haftstrafen für Hitler und seine Mitverschwörer auf die geringe Verankerung dieser Staatsform bei den Funktionseliten und großen Teilen der Bevölkerung. Diese Faktoren trugen dann maßgeblich dazu bei, dass Hitlers erneuter Versuch an die Macht zu gelangen im Januar 1933 gelang.
Die „Machtübernahme“ ebnete den Weg für die zweifellos „fürchterlichsten“ Ereignisse an einem 9. November, nämlich für die Reichspogromnacht im Jahr 1938. In dieser Nacht brannten in ganz Deutschland Synagogen und es wurden jüdische Friedhöfe und Geschäfte zerstört, zudem inhaftierten die Nationalsozialisten Tausende jüdischer Bürger. Mit diesem Tag ging das „Dritte Reich“ demnach zur physischen Vernichtung der Juden über, die dann in den Gaskammern der Vernichtungslager ihren traurigen Höhepunkt fand und der Millionen Menschen in ganz Europa zum Opfer fielen.
Das nächste Datum, das in der Ausstellung angesprochen wird, ist der 9. November 1967. Hier fanden in Hamburg unter dem Motto „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“ die ersten Studentenproteste statt. Dies bildete den Auftakt der sogenannten „68er-Bewegung“, die erstmals in großem Maßstab eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen im „Dritten Reich“ einforderte und in der Bundesrepublik zugleich eine umfassende gesellschaftliche Liberalisierung initiierte, die nicht zuletzt zu breiterer demokratischer Partizipation oder der Gleichberechtigung der Geschlechter führte.
Den Endpunkt dieser „tour d’horizon“ bildet dann der 9. November 1989 als Voraussetzung der friedlichen Einheit der Deutschen in West und Ost. Erst durch die auf den Mauerfall folgende Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 konnte das Versprechen von 1848, nämlich die Forderung nach Einheit und Freiheit, für alle Deutschen eingelöst werden.
Die Ausstellung, die von Lernenden des elften Jahrgangs gestaltet wurde, richtet sich an SchülerInnen aller Jahrgänge und versucht die o.g. Ereignisse möglichst leicht fassbar zu machen. Dazu dienen u.a. verschiedene, eindrückliche Bilder, die zum Teil auch als Puzzle präsentiert werden, oder eine Hörstation mit der Rede Scheidemanns. Darüber hinaus werden die Ereignisse des 9. November 1938 anhand lokaler Beispiele aus Barsinghausen, Rodenberg und Wunstorf illustriert. Damit können sich auch jüngere SchülerInnen mit diesen mannigfaltigen Ereignissen auseinandersetzen, während ältere Lernende zugleich angeregt werden, über die strukturelle Bedeutung dieser Schlüsselmomente nachzudenken.
Niels Koblitz