I CAN DO – oder: So bewegt kann Projektunterricht sein

Evolution, Billy Billy Bob, UHHHH-, Krabbelkäfer- oder auch Pinguin-Spiel hören sich zunächst eher an wie Spiele aus meiner Zeit als Kinderturnleiterin in meinem Verein und nicht unbedingt wie der Inhalt eines Schulprojektes zur Förderung sozialer Handlungskompetenzen.

Doch im Laufe unseres langfristig angelegten Projektes zum Thema „Gewaltprävention“ in unserer Klasse 6 na durchgeführt durch Sebastian Schimmack und unseren ehemaligen Schüler Caspar Zajonc vom Verein „Icando“ wurde ich eines Besseren belehrt. Das Konzept der Spiele und ihre bewusst initiierte Reihenfolge führten dazu, dass die Klasse sowie jeder einzelne Schüler seine Stärken und Schwächen zeigen aber im Anschluss auch daran arbeiten konnte.

Schon im Vorgespräch wurde klar, dass die Förderung der Gruppe über die Stärkung der Persönlichkeit und der Entwicklung von Handlungskompetenzen des Einzelnen sowie der Förderung des
Vertrauens und des achtsamen Umgangs innerhalb der Gemeinschaft erreicht werden soll.

So wurden zu Beginn des Projektes zusammen mit der Gruppe vier einfache Regeln festgelegt, die in allen Situationen als Rahmen dienen sollten und im Verlauf immer wieder in den Fokus gerückt wurden:

·       Ich gehe achtsam mit dir um und du mit mir.

·       Ich darf Fehler machen…und du auch.

·       Jeder spricht für sich selber.

·       Stopp-Rege

Durch unterschiedliche Spiel- und Bewegungsaktivitäten wurde die Gruppe und jeder Einzelne vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt. So ging es z.B. zu Beginn darum, körperliche und emotionale Grenzen zu erfahren und dafür sensibilisiert zu sein. Kampfsituationen im sicheren Raum nach vorgegebenen Regeln wie beim Spiel Krabbelkäfer oder Käferkönig, bei dem körperliche Nähe unabdingbar war, boten dafür Möglichkeiten. Erstaunlich war, mit wie viel Spaß nach anfänglicher Scheu alle Schüler dabei waren und in einem riesigen Pulk auf einer Matte herumbalgten. Zum Konzept der Teamer gehörte auch, Regelverstöße oder Konflikte reflexiv direkt im Anschluss an die Aktion in der Gruppe zu thematisieren und nach Lösungen zu suchen. In vielen anderen Spielsituationen ging es unterschwellig immer um die Lösung von Konflikten, Achtsamkeit im Umgang, kooperatives Handeln und der Entwicklung von Strategien, wobei es ganz unbewusst zur Stärkung des Selbstwertgefühls des Einzelnen und zur positiven Entwicklung der sozialen Bindungen der Gemeinschaft kam. Gerade diese „unbewusste“ machte das ganze Projekt so effektiv: nicht der erhobene Zeigefinger sondern das Gemeinschaftsgefühl, etwas zusammen geschafft zu haben oder sich selber in bestimmten Situationen als wichtigen Teil zu erleben veränderte das gesamte Gruppengefüge zum Positiven. Highlight des Workshops blieb bis zum Schluss das eingangs erwähnte Pinguinspiel, bei dem es die Klasse nur als funktionierende Gemeinschaft schaffen konnte, am Ende einen riesigen Mattenberg zu erklimmen. Dabei musste zuvor die Distanz der gesamten Halle von allen „Pinguinen“ über einige ausgelegte Ringe überquert und als Hindernis ein quer gezogenes Volleyballnetz überwunden werden. Als weitere Hürden wurden in der Gruppe einige Pinguine mit „Handicaps“ wie verbundenen Augen, zusammengebundenen Füßen, etc. ausgestattet. Nach zahlreichen Misserfolgen, Tränen, Konflikten, Streitigkeiten, Schuldzuweisungen aber auch konstruktiven Vorschlägen, Übernahme von Verantwortung, strategischen, gruppendynamischen Prozessen war der Jubel am Ende groß, als 29 Kinder der 6 Na  sich als Gruppe selber auf dem Mattenberg feiern konnten. Meine schönsten Momente während der Projektzeit waren der eben beschriebene, aber auch das Bild von unserer stillsten und sehr zurückhaltenden Schülerin, die im Kampfesgewühl mit hochrotem Kopf und zerzausten Haaren gerade einen Mitschüler zu Fall gebracht hatte und mich mit einem glücklichen, breiten aber auch triumphierenden Grinsen im Gesicht anstrahlte.  Der bewegendste Ausspruch kam von einer unserer hörgeschädigten Mädels in der Klasse, die bei der Auswahl der gehandicapten Pinguine zum Teamer Sebastian Schimmack mit einer Selbstverständlichkeit sagte: „Nimm mich, ich habe da total Erfahrung!“. Ich glaube, eine besser Bestätigung für den Erfolg dieses Projektes kann es nicht geben!

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