Abschiedstournee in Wilkenburg

konzert-wilkenburgJuchzend und kichernd rennen die Mädchen und Jungen des Freitagschors durch den Wolkenbruch, eine halbe Stunde noch bis zum Konzertbeginn. Sie wollen nach der Probe in der Kirche unter sich sein, sich einstimmen auf 60 hochkonzentrierte Minuten.Als dann gleichzeitig mit dem Aufleuchten der Abendsonne die ersten Takte erklingen, ist auch den letzten Zweiflern unter den knapp 100 Zuhörern klar: Das ist kein normaler Schulchor, der hier in der St.-Vitus-Kirche für sein Repertoire einen idealen Resonanzraum gefunden hat. Die vierstimmig intonierten Renaissancelieder sind voller Sinneslust und Lebensfreude. Fast schon inszeniert wirken Lockerheit und Freude, die der Chor ausstrahlt, keine Spur von gravitätischer Würde, die das Stammpublikum der Wilkenburger Konzertreihe von den arrivierten Chören gewohnt ist. Es wird gelacht, getuschelt, schnell noch ein Schluck aus der Wasserflasche, aber sofort ist sie wieder da, die volle Aufmerksamkeit für das nächste Stück. Auch der zweite Teil der thematischen Bandbreite handelt von den wichtigen Dingen des Lebens: Lieben, Tanzen und auch mal ein gehöriger Streit und geliebt werden.

Sweet is the sound of my newborn wings
I stretch them open, and let them dry
I haven’t seen this world before
But I’m excused, I’m a butterfly

konzert-wilkenburgWie der Chor hereingeflattert kam, so flatterte er wieder hinaus, zurück in seine Welt der wichtigen Dinge des Sonntagabends. Da geblieben ist ein beschwingtes und bezaubertes Publikum, das auf dem Kirchplatz das Konzert noch ein wenig ausklingen ließ.

Wie lange ist es schon her, dass der „kleine Tellkampfchor“ in der Faserlandinszenierung des Schauspielhauses, den dräuenden Kommentar aus dem Untergrund abgab? Die damals in der achten Klasse waren, machen demnächst Abitur. Für sie war heute Abschiedstournee. Schülerdarbietungen rühren mich an. Sie lassen die Schülerinnen und Schüler in einem anderen Licht erscheinen. Sie vermitteln, wozu sie fähig sind, wenn sie sich konzentriert und ausdauernd einer Sache widmen und wie viel Freude es bereiten kann, diese Sache zu präsentieren. Schülerdarbietungen sind flüchtig. Wenn zum Beispiel die Kinder des sechsten Jahrgangs ihre Theaterstücke aufführen, spürt man, das kommt nicht wieder, nach den Sommerferien ist die Kindheit endgültig vergangen. Und das ist auch gut so, schließlich sollen sie Abitur machen, andere Aufgaben und Möglichkeiten warten schon, der nächste sechste Jahrgang ist am Start.

Love me, kiss me with your breeze
Love me, love me on the leaves
Before we say goodbye

Schule ist tröstlich, sie steht für Kontinuität, dafür, dass es immer wieder weitergeht. Für neue Chorsängerinnen und -sänger oder Orchestermitglieder muss ständig neu geworben werden. Aber es gibt sie, zum Glück, solange es Lehrerinnen und Lehrer gibt, die dafür sorgen.

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