Zu Besuch in der Bundeshauptstadt

Ein Tag im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Berlin. 

P1030732Vor Beginn der Führung wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine der beiden hatte das Glück, einen Zeitzeugen als Gruppenleiter zu bekommen. Durch ihn wurde die Atmosphäre, die damals in dem Gefängnis herrschte, sehr authentisch an uns vermittelt und die Führung erhielt einen ganz besonderen Charakter.

Er antwortete gerne, ausführlich und augenscheinlich sehr ehrlich auf alle ihm gestellten Fragen. Im ehemaligen Stasi-Gefängnis als Referent tätig zu sein und auf diese Weise das Erlebte- unter anderem jahrelange Folter- zu verarbeiten, hat uns alle sehr beeindruckt. In manchen Momenten konnte man ihm trotz seines selbstbewussten Auftretens dennoch ansehen, dass es ihm nicht leicht viel, so offen über seine Erlebnisse zu sprechen. Wir sind die letzte Generation, die noch mit den unmittelbar Betroffenen dieser Zeit reden kann. Das ist eine einmalige Chance, die wir, so oft es sich ergibt, ergreifen sollten!

Bundestag

Der Besuch des Bundestages war nur in Kleidung gestattet, welche keine politische Gesinnung oder Zuordnung zu einer Partei erkennen ließ. Ein bekennender linksautonomer Mitschüler unseres Politikleistungskurses durfte die „Nazi-Raus“-Sticker auf seiner Jacke beispielsweise nicht öffentlich zur Schau stellen und musste daher die Jacke in einem abgesicherten Bereich abgeben. Die Kontrollen waren generell sehr intensiv, wir mussten alle Taschen und die meisten Jacken draußen lassen. Zudem wurde man während des gesamten Aufenthaltes im Bundestag  mit einem deutlich spürbaren Misstrauen behandelt, als sei man ein potenzieller
Die Abgeordneten des Bundestages debattierten während unserer Anwesenheit unglücklicherweise nicht über Themen, die wir als interessant empfanden. 

Trotzdem wurde beim Zuhören schnell klar, dass die Vorträge alle in einer „eigenen“ Sprache gehalten werden, einer mehr oder weniger nichtssagenden  Politikersprache. Die Opposition gab sich schon etwas mehr Mühe, ihre Aussagen so zu formulieren, dass wir Nicht-Politiker es auch verstehen konnten. Die Parteimitglieder kritisierten ununterbrochen die Argumente des politischen Gegners, behandelten sich untereinander mit spürbarer Arroganz oder hörten sich gar nicht zu. Ein Politiker wurde in einer Rede der Opposition zweimal angesprochen und beide Male blickten alle Augenpaare des Saales auf einen Herrn im Anzug, der gelangweilt und sehr abwesend auf sein Smartphone starrte. Aber diese Situation war kein Einzelfall, denn insgesamt wurde der Bundestag stark von Smartphones dominiert. Teilweise war es während eines Vortrages so laut, dass man kaum noch verstehen konnte, wovon gesprochen wurde, was nicht etwa die Zuschauer zu verschulden hatten, welche ohnehin bei dem kleinsten Geräusch von zuständigen Mitarbeitern ermahnt wurden leise zu sein, sondern vielmehr die Politiker selbst, was schon eine gewisse Ironie mit sich brachte. Die Vizebundestagspräsidentin musste mehrere Male Vorträge unterbrechen, um für Ruhe zu sorgen. Man klatschte nur für die eigene Partei und prinzipiell niemals für eine andere. Uns wurde untersagt zu klatschen, obwohl man dann eventuell gemerkt hätte, dass wir eher auf der Seite der Opposition.

Alles in allem war der Ausflug in unsere Hauptstadt Berlin ein sehr interessanter, ergreifender sowie witziger Tag. 

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